Ein aufrüttelndes Buch
Weltweit werden immer mehr Naturräume unter Schutz gestellt. Das klingt nach einem wichtigen Beitrag zur Rettung des Planeten. Doch in diesen Gebieten leben Millionen Menschen. Im globalen Süden wird den Ärmsten ein Großteil ihres fruchtbaren Ackerlandes weggenommen. Geht Artenvielfalt auf Kosten von Menschenrechten?
Simone Schlindwein hat mehr als ein Jahr im Kongo und in Uganda recherchiert, nicht selten unter Lebensgefahr. Sie berichtet davon, wie Nationalparks zu Festungen ausgebaut werden und hochgerüstete Wildhüter immer häufiger Gewalt gegen Indigene und örtliche Bauern anwenden. Als Geldgeber sind darin westliche Länder wie Deutschland verstrickt, deren Rüstungskonzerne zugleich von der Militarisierung des Naturschutzes profitieren. Dabei gäbe es zu westlichen Schutzkonzepten durchaus afrikanische Alternativen.
»Simone Schlindweins bahnbrechende Recherchen gehören ganz oben auf die Agenda des globalen Naturschutzes.«
Dominic Johnson, die tageszeitung
Weltweit werden immer mehr Naturräume unter Schutz gestellt. Das klingt nach einem wichtigen Beitrag zur Rettung des Planeten. Doch in diesen Gebieten leben Millionen Menschen. Im globalen Süden wird den Ärmsten ein Großteil ihres fruchtbaren Ackerlandes weggenommen. Geht Artenvielfalt auf Kosten von Menschenrechten?
Simone Schlindwein hat mehr als ein Jahr im Kongo und in Uganda recherchiert, nicht selten unter Lebensgefahr. Sie berichtet davon, wie Nationalparks zu Festungen ausgebaut werden und hochgerüstete Wildhüter immer häufiger Gewalt gegen Indigene und örtliche Bauern anwenden. Als Geldgeber sind darin westliche Länder wie Deutschland verstrickt, deren Rüstungskonzerne zugleich von der Militarisierung des Naturschutzes profitieren. Dabei gäbe es zu westlichen Schutzkonzepten durchaus afrikanische Alternativen.
»Simone Schlindweins bahnbrechende Recherchen gehören ganz oben auf die Agenda des globalen Naturschutzes.«
Dominic Johnson, die tageszeitung
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 22.04.2023Naturschutz ohne Schutz
Simone Schlindwein warnt vor fatalen Zahlungen für afrikanische Nationalparks
Seit der Klimawandel fortschreitet, finanzieren reiche Staaten Projekte, um Regenwälder, Pflanzen und Tiere in armen Ländern zu bewahren. Vereinfacht gesagt bezahlen Industriestaaten den Entwicklungsländern Geld, damit diese ihre Ressourcen unangetastet lassen. Das führt zu Konflikten, besonders dort, wo Naturschutz mit Gewalt durchgesetzt wird.
Simone Schlindwein zeigt in ihrem Buch „Der grüne Krieg“, wie Nationalparks in Ostafrika ihre Wachmannschaften zu paramilitärischen Einheiten aufgerüstet haben, angeblich um Wilderer zu bekämpfen. Sie beschreibt, wie diese Ranger ihre Waffen jedoch auch gegen Anrainer einsetzen, um die Menschen aus den Naturschutzgebieten draußen zu halten. Die Konflikte entstehen, weil die Manager ihre Parks Tieren, Pflanzen und Touristen vorbehalten wollen, während eine wachsende Bevölkerung Holzkohle zum Kochen, Fleisch und Kräuter braucht oder Zugang zu heiligen Stätten verlangt.
Ein wesentlicher Teil des Buchs befasst sich mit Nationalparks in der Demokratischen Republik Kongo, die mit vielen Millionen Euro von der deutschen Regierung und der Europäischen Union gefördert werden. Schlindwein ist Korrespondentin der Tageszeitung unter anderem für den Kongo. Ihr Buch stützt sich auf ihre jahrelangen Beobachtungen und auf Recherchen von Robert Flummerfelt.
Der Investigativjournalist hat für die Organisation „Minority Rights Group“ einen Bericht über den Kahuzi-Biega-Nationalpark im Ostkongo verfasst. Dort haben Parkwächter mit der kongolesischen Armee mutmaßlich Dörfer von Indigenen niedergebrannt und zahlreiche Menschen ermordet. Hauptgeldgeber des Parks, wo die seltenen Flachlandgorillas leben, ist seit Langem Deutschland. Aufgrund der Vorwürfe hatte das Entwicklungsministerium vorübergehend die Zahlungen gestoppt und danach an Bedingungen für die Einhaltung der Menschenrechte geknüpft.
Schlindwein beschreibt, wie mutmaßliche Verstöße gegen die Menschenrechte nur schleppend aufgearbeitet werden und wie Zeugen, Aktivisten und Journalisten eingeschüchtert werden. Sie nimmt dafür vor allem Geldgeber wie Deutschland und internationale Naturschutzorganisationen in die Pflicht, die einige Nationalparks in Kooperation mit staatlichen Behörden verwalten.
Schlindwein rückt damit ein wichtiges Thema in die Öffentlichkeit. Allzu oft verschließen die Geldgeber die Augen vor Korruption, Veruntreuung oder Gewalt rund um die Nationalparks. „Der grüne Krieg“, nominiert für den Sachbuchpreis der Leipziger Buchmesse, muss auch jenen zu denken geben, die auf Safari gehen und bisher wenig darüber nachdenken, dass Einheimische zugunsten des Naturschutzes vertrieben, manche sogar getötet werden.
Mit den Parks im Kongo beleuchtet Schlindwein Naturschutzprojekte in einem Land, das eine blutige Geschichte hat. Sie beschreibt, wie Milizen im Ostkongo seit Jahrzehnten die Bevölkerung drangsalieren. Dabei geht sie allerdings wenig darauf ein, dass weite Teile der Bevölkerung, unter ihnen auch Parkanrainer, Gewalt für ein legitimes Mittel halten, um ihre Interessen durchzusetzen. Dies trägt zur Eskalation des Konflikts bei.
Auch ist der Rechtsstaat im Kongo bestenfalls auf dem Papier präsent. Deshalb ist es bedingt aussagekräftig, wenn Schlindwein den Staatsanwalt zitiert, der klagt, dass er sich nicht um gravierende Verbrechen kümmern könne, weil die Ranger ihm zu viele verhaftete Bürger brächten, die in den Park eingedrungen waren. Es ist keineswegs gesagt, dass der Staatsanwalt für Recht sorgen würde, wenn er dafür mehr Zeit hätte.
Interessant wäre es gewesen, die Rolle der mafiösen Netzwerke im Rohstoffgeschäft zu vertiefen, zumal es in einigen Parks wie dem beschriebenen Kahuzi-Biega-Park Bodenschätze gibt. Die Rohstoffmafia schürt lokale Konflikte und hetzt Bevölkerungsgruppen aufeinander. Hier stellt sich die Frage für die Geldgeber, ob und wie sie die Kriminalität aus dem Naturschutz heraushalten können. Und wenn nicht, was ist die Konsequenz?
Die Leser erfahren auch wenig über die unterschiedlichen Interessen der Parkanrainer. Nicht alle Indigenen wollen. Mit zunehmender Bildung haben junge Leute andere Pläne und sehen es nicht als ihre vordringliche Aufgabe an, die Natur zu schützen. Schade ist, dass sich im Buch Flüchtigkeitsfehler eingeschlichen haben. So wurde etwa der Kongo nicht 1961, sondern 1960 unabhängig. Und es wurde nicht ein Musiker bei einem Festival in Goma auf offener Bühne ermordet, sondern ein freiwilliger Helfer ist im Krankenhaus verstorben, nachdem ihn ein Polizist angeschossen hatte, was die Sache im Endeffekt natürlich nicht besser macht.
Schlindweins Werk ist insgesamt ein wertvoller Weckruf zur richtigen Zeit. Wichtige Naturschutzgebiete liegen in Ländern mit zweifelhafter Regierungsführung, die Menschenrechte missachten. Darauf müssen die Geldgeber eine Antwort finden, wenn sie den Klimawandel aufhalten wollen.
JUDITH RAUPP
Parkranger setzen Waffen
auch gegen Anrainer und ihre
berechtigten Interessen ein
Simone Schlindwein:
Der grüne Krieg.
Wie in Afrika die Natur auf Kosten der Menschen geschützt wird – und was der Westen damit zu tun hat. Ch. Links-Verlag, Berlin 2023.
256 Seiten, 20 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Simone Schlindwein warnt vor fatalen Zahlungen für afrikanische Nationalparks
Seit der Klimawandel fortschreitet, finanzieren reiche Staaten Projekte, um Regenwälder, Pflanzen und Tiere in armen Ländern zu bewahren. Vereinfacht gesagt bezahlen Industriestaaten den Entwicklungsländern Geld, damit diese ihre Ressourcen unangetastet lassen. Das führt zu Konflikten, besonders dort, wo Naturschutz mit Gewalt durchgesetzt wird.
Simone Schlindwein zeigt in ihrem Buch „Der grüne Krieg“, wie Nationalparks in Ostafrika ihre Wachmannschaften zu paramilitärischen Einheiten aufgerüstet haben, angeblich um Wilderer zu bekämpfen. Sie beschreibt, wie diese Ranger ihre Waffen jedoch auch gegen Anrainer einsetzen, um die Menschen aus den Naturschutzgebieten draußen zu halten. Die Konflikte entstehen, weil die Manager ihre Parks Tieren, Pflanzen und Touristen vorbehalten wollen, während eine wachsende Bevölkerung Holzkohle zum Kochen, Fleisch und Kräuter braucht oder Zugang zu heiligen Stätten verlangt.
Ein wesentlicher Teil des Buchs befasst sich mit Nationalparks in der Demokratischen Republik Kongo, die mit vielen Millionen Euro von der deutschen Regierung und der Europäischen Union gefördert werden. Schlindwein ist Korrespondentin der Tageszeitung unter anderem für den Kongo. Ihr Buch stützt sich auf ihre jahrelangen Beobachtungen und auf Recherchen von Robert Flummerfelt.
Der Investigativjournalist hat für die Organisation „Minority Rights Group“ einen Bericht über den Kahuzi-Biega-Nationalpark im Ostkongo verfasst. Dort haben Parkwächter mit der kongolesischen Armee mutmaßlich Dörfer von Indigenen niedergebrannt und zahlreiche Menschen ermordet. Hauptgeldgeber des Parks, wo die seltenen Flachlandgorillas leben, ist seit Langem Deutschland. Aufgrund der Vorwürfe hatte das Entwicklungsministerium vorübergehend die Zahlungen gestoppt und danach an Bedingungen für die Einhaltung der Menschenrechte geknüpft.
Schlindwein beschreibt, wie mutmaßliche Verstöße gegen die Menschenrechte nur schleppend aufgearbeitet werden und wie Zeugen, Aktivisten und Journalisten eingeschüchtert werden. Sie nimmt dafür vor allem Geldgeber wie Deutschland und internationale Naturschutzorganisationen in die Pflicht, die einige Nationalparks in Kooperation mit staatlichen Behörden verwalten.
Schlindwein rückt damit ein wichtiges Thema in die Öffentlichkeit. Allzu oft verschließen die Geldgeber die Augen vor Korruption, Veruntreuung oder Gewalt rund um die Nationalparks. „Der grüne Krieg“, nominiert für den Sachbuchpreis der Leipziger Buchmesse, muss auch jenen zu denken geben, die auf Safari gehen und bisher wenig darüber nachdenken, dass Einheimische zugunsten des Naturschutzes vertrieben, manche sogar getötet werden.
Mit den Parks im Kongo beleuchtet Schlindwein Naturschutzprojekte in einem Land, das eine blutige Geschichte hat. Sie beschreibt, wie Milizen im Ostkongo seit Jahrzehnten die Bevölkerung drangsalieren. Dabei geht sie allerdings wenig darauf ein, dass weite Teile der Bevölkerung, unter ihnen auch Parkanrainer, Gewalt für ein legitimes Mittel halten, um ihre Interessen durchzusetzen. Dies trägt zur Eskalation des Konflikts bei.
Auch ist der Rechtsstaat im Kongo bestenfalls auf dem Papier präsent. Deshalb ist es bedingt aussagekräftig, wenn Schlindwein den Staatsanwalt zitiert, der klagt, dass er sich nicht um gravierende Verbrechen kümmern könne, weil die Ranger ihm zu viele verhaftete Bürger brächten, die in den Park eingedrungen waren. Es ist keineswegs gesagt, dass der Staatsanwalt für Recht sorgen würde, wenn er dafür mehr Zeit hätte.
Interessant wäre es gewesen, die Rolle der mafiösen Netzwerke im Rohstoffgeschäft zu vertiefen, zumal es in einigen Parks wie dem beschriebenen Kahuzi-Biega-Park Bodenschätze gibt. Die Rohstoffmafia schürt lokale Konflikte und hetzt Bevölkerungsgruppen aufeinander. Hier stellt sich die Frage für die Geldgeber, ob und wie sie die Kriminalität aus dem Naturschutz heraushalten können. Und wenn nicht, was ist die Konsequenz?
Die Leser erfahren auch wenig über die unterschiedlichen Interessen der Parkanrainer. Nicht alle Indigenen wollen. Mit zunehmender Bildung haben junge Leute andere Pläne und sehen es nicht als ihre vordringliche Aufgabe an, die Natur zu schützen. Schade ist, dass sich im Buch Flüchtigkeitsfehler eingeschlichen haben. So wurde etwa der Kongo nicht 1961, sondern 1960 unabhängig. Und es wurde nicht ein Musiker bei einem Festival in Goma auf offener Bühne ermordet, sondern ein freiwilliger Helfer ist im Krankenhaus verstorben, nachdem ihn ein Polizist angeschossen hatte, was die Sache im Endeffekt natürlich nicht besser macht.
Schlindweins Werk ist insgesamt ein wertvoller Weckruf zur richtigen Zeit. Wichtige Naturschutzgebiete liegen in Ländern mit zweifelhafter Regierungsführung, die Menschenrechte missachten. Darauf müssen die Geldgeber eine Antwort finden, wenn sie den Klimawandel aufhalten wollen.
JUDITH RAUPP
Parkranger setzen Waffen
auch gegen Anrainer und ihre
berechtigten Interessen ein
Simone Schlindwein:
Der grüne Krieg.
Wie in Afrika die Natur auf Kosten der Menschen geschützt wird – und was der Westen damit zu tun hat. Ch. Links-Verlag, Berlin 2023.
256 Seiten, 20 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensent David Klaubert lobt Simone Schlindweins Buch über die Konflikte um afrikanische Nationalparks für seine profunde Recherchebasis. Den Anspruch einer Bestandsaufnahme zum Thema erfüllt die Journalistin laut Klaubert mit ihrer Expertise und mit einem Rückblick auf die kolonialen Anfänge der Schutzgebiete. Wie die Parks immer mehr zu Hochsicherheitsgebieten und Ranger in Kriegswirren hineingezogen wurden, dokumentiert Schlindwein ebenso, so Klaubert anerkennend.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.10.2023Ein krankendes System
Natur- und Tierschutz ist wichtig. Aber in Afrika wird immer wieder das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Auf der Strecke bleiben die Menschen.
Mindestens dreißig Prozent der Erdoberfläche sollen bis 2030 unter Naturschutz gestellt werden. Darauf haben sich im vergangenen Dezember die Staaten bei der UN-Biodiversitätskonferenz in Montreal geeinigt. Bestehende Nationalparks sollen vergrößert und neue gegründet werden, um so die Zerstörung von Lebensraum und den Verlust der Artenvielfalt zu stoppen. Ein ehrgeiziges Ziel und eine gute Nachricht. Doch auch die hat ihre dunkle Seite, wie die Journalistin Simone Schlindwein in ihrem Buch "Der grüne Krieg" beschreibt.
Am Beispiel mehrerer afrikanischer Nationalparks schildert Schlindwein, wie Menschen im Namen des Tier- und Pflanzenschutzes vertrieben und entwurzelt, ihrer Lebensgrundlagen beraubt, kriminalisiert, verschleppt und sogar getötet werden. Die Journalistin, die seit 2008 in Uganda lebt, greift dafür auf jahrelange eigene Recherchen zurück. Sie ist in Dörfer rund um die ugandischen Naturschutzgebiete gereist, aber auch in den Osten des Kongo, wo Rebellen, Milizen, korrupte Regierungstruppen, Wilderer und eine Holzkohlemafia ihr Unwesen treiben. So gelingt es Schlindwein zu zeigen, dass Berichte über brutale Übergriffe durch Wildhüter, die es im Lauf der Jahre immer wieder gab, keine Einzelfälle sind, sondern Symptome eines krankenden Systems. "Wir sehen immer mehr, dass die Ranger die Menschen wie Tiere behandeln", zitiert sie einen Menschenrechtsanwalt. "Und die Tiere im Kongo besser geschützt werden als wir Menschen."
Schlindwein blickt zurück auf die Errichtung erster Schutzgebiete durch deutsche, britische und belgische Kolonialmächte - und wie dafür schon im 19. Jahrhundert Dörfer niedergebrannt, Viehhirten und Waldbewohner rücksichtslos vertrieben wurden. Die Menschen störten die europäische Vorstellung unberührter Wildnis. Auch Bernhard Grzimeks oscarprämierten Film "Serengeti darf nicht sterben" sieht Schlindwein in dieser Tradition, nämlich als "Appell zur Schaffung einer menschenleeren Zone ohne Nutztiere". Sie beschreibt, wie noch heute Massai in ihren Dörfern nahe der Serengeti von tansanischen Sicherheitskräften angegriffen und teils schwer verletzt werden, weil die Regierung neue Schutzgebiete ausweisen will. Safari- und Jagdtourismus gehören in Tansania zu den wichtigsten staatlichen Einnahmequellen.
Der Schwerpunkt des Buchs liegt auf den Nationalparks des Kongo, bekannt für die stark gefährdeten Flachland- und Berggorillas, finanziert mit Millionen deutscher Entwicklungshilfe. Und seit Jahrzehnten Schauplatz verworrener, blutiger Konflikte. Auch für Journalisten kann es dort lebensgefährlich sein, umso verdienstvoller sind Schlindweins Recherchen, ihre Gespräche mit den Menschen, die in und um die Parks leben, mit Opfern, Zeugen, Anwälten und Aktivisten, aber auch mit Milizionären, überforderten Staatsanwälten und Rangern. Ein junger Mann, der immer davon geträumt hatte, wie schon sein Vater und sein Großvater als Wildhüter zu arbeiten, sagte ihr: "Anstatt Tiere zu schützen, haben sie mich zur Kampfmaschine gemacht."
Schlindwein beschreibt, wie die Nationalparks überall in Afrika hochgerüstet werden. Wildhüter erhalten Training von britischen Soldaten und israelischen Spezialeinheiten, Nachtsichtgeräte, Drohnen, gepanzerte Patrouillenfahrzeuge, Kalaschnikows und manche sogar Panzerfäuste. So sollen sie die Tiere schützen, aber auch sich selbst, gegen die Milizen, die die Nationalparks als Rückzugsgebiete nutzen, und gegen Wilderer, die angetrieben von der Nachfrage nach Elfenbein aus Asien immer professioneller und brutaler vorgehen.
Gerade im Kongo führte die Militarisierung aber auch dazu, dass die Ranger selbst in die Kriegswirren hineingezogen und Teil des Konflikts wurden. Schlindwein dokumentiert schwere Übergriffe auf die indigenen Anrainer der Parks, willkürliche Gewalt, Vergewaltigungen, Morde. Auch in Uganda. Außerdem, so zeigen Studien, fließt ein immer größerer Teil der finanziellen Hilfe des Westens in Training und Ausrüstung der Ranger. Statt die einheimische Bevölkerung in und um die Parks zu unterstützen und mit Projekten in den Naturschutz einzubeziehen, werden Zäune gebaut. Die Schutzgebiete würden zunehmend wie Festungen verteidigt, bilanziert eine Wissenschaftlerin, und die Menschen als Feinde betrachtet.
Schlindwein konfrontiert auch die Bundesregierung mit ihren Recherchen und den Vorwürfen - schließlich ist die einer der wichtigsten Geldgeber für Nationalparks in Afrika. Dabei wird das Dilemma greifbar, in dem die deutsche Naturschutzpolitik steckt, die einerseits darauf drängt, die gewaltsamen Übergriffe der Ranger aufzuarbeiten und die Einhaltung der Menschenrechte zu garantieren. Die andererseits aber abhängig ist von den jeweiligen Regierungen und korrupten Naturschutzbehörden. Und die, so der Hauptvorwurf, den nicht nur Schlindwein, sondern auch afrikanische Naturschützer und Wissenschaftler erheben, nach wie vor am "Konzept der menschenleeren Parks" festhalte.
Schlindwein gelingt es in ihrem Buch eindrücklich, das Versprechen aus dem Vorwort zu erfüllen, eine "Bestandsaufnahme der derzeitigen Konfliktlage rund um die Nationalparks" abzuliefern. Etwas knapp fällt ihr Fazit aus. Sie bezieht sich darin auf einen UN-Bericht, der festgestellt hat, dass die Biodiversität in Gebieten, die von einheimischen Bevölkerungsgruppen betreut werden, weniger rasch zurückgeht als anderswo. Sie reißt die Forderungen afrikanischer Ökologen an, auf "altgediente, afrikanische Konzepte" zurückzugreifen, die traditionelle Wertschätzung der Menschen in Afrika für die Natur und die Wildtiere anzuerkennen und sie einzubeziehen, statt sie zu vertreiben und auszusperren. Schlindwein nennt Beispiele von Nationalparks, in deren Verwaltung die indigenen Gemeinschaften einbezogen werden, etwa im Ebo-Wald in Kamerun. Darüber hätte man nach all den erschreckenden Schilderungen zuvor gerne mehr gelesen.
DAVID KLAUBERT
Simone Schlindwein : Der grüne Krieg. Wie in Afrika die Natur auf Kosten der Menschen geschützt wird - und was der Westen damit zu tun hat.
Ch. Links Verlag, Berlin 2023. 256 S., 20,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Natur- und Tierschutz ist wichtig. Aber in Afrika wird immer wieder das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Auf der Strecke bleiben die Menschen.
Mindestens dreißig Prozent der Erdoberfläche sollen bis 2030 unter Naturschutz gestellt werden. Darauf haben sich im vergangenen Dezember die Staaten bei der UN-Biodiversitätskonferenz in Montreal geeinigt. Bestehende Nationalparks sollen vergrößert und neue gegründet werden, um so die Zerstörung von Lebensraum und den Verlust der Artenvielfalt zu stoppen. Ein ehrgeiziges Ziel und eine gute Nachricht. Doch auch die hat ihre dunkle Seite, wie die Journalistin Simone Schlindwein in ihrem Buch "Der grüne Krieg" beschreibt.
Am Beispiel mehrerer afrikanischer Nationalparks schildert Schlindwein, wie Menschen im Namen des Tier- und Pflanzenschutzes vertrieben und entwurzelt, ihrer Lebensgrundlagen beraubt, kriminalisiert, verschleppt und sogar getötet werden. Die Journalistin, die seit 2008 in Uganda lebt, greift dafür auf jahrelange eigene Recherchen zurück. Sie ist in Dörfer rund um die ugandischen Naturschutzgebiete gereist, aber auch in den Osten des Kongo, wo Rebellen, Milizen, korrupte Regierungstruppen, Wilderer und eine Holzkohlemafia ihr Unwesen treiben. So gelingt es Schlindwein zu zeigen, dass Berichte über brutale Übergriffe durch Wildhüter, die es im Lauf der Jahre immer wieder gab, keine Einzelfälle sind, sondern Symptome eines krankenden Systems. "Wir sehen immer mehr, dass die Ranger die Menschen wie Tiere behandeln", zitiert sie einen Menschenrechtsanwalt. "Und die Tiere im Kongo besser geschützt werden als wir Menschen."
Schlindwein blickt zurück auf die Errichtung erster Schutzgebiete durch deutsche, britische und belgische Kolonialmächte - und wie dafür schon im 19. Jahrhundert Dörfer niedergebrannt, Viehhirten und Waldbewohner rücksichtslos vertrieben wurden. Die Menschen störten die europäische Vorstellung unberührter Wildnis. Auch Bernhard Grzimeks oscarprämierten Film "Serengeti darf nicht sterben" sieht Schlindwein in dieser Tradition, nämlich als "Appell zur Schaffung einer menschenleeren Zone ohne Nutztiere". Sie beschreibt, wie noch heute Massai in ihren Dörfern nahe der Serengeti von tansanischen Sicherheitskräften angegriffen und teils schwer verletzt werden, weil die Regierung neue Schutzgebiete ausweisen will. Safari- und Jagdtourismus gehören in Tansania zu den wichtigsten staatlichen Einnahmequellen.
Der Schwerpunkt des Buchs liegt auf den Nationalparks des Kongo, bekannt für die stark gefährdeten Flachland- und Berggorillas, finanziert mit Millionen deutscher Entwicklungshilfe. Und seit Jahrzehnten Schauplatz verworrener, blutiger Konflikte. Auch für Journalisten kann es dort lebensgefährlich sein, umso verdienstvoller sind Schlindweins Recherchen, ihre Gespräche mit den Menschen, die in und um die Parks leben, mit Opfern, Zeugen, Anwälten und Aktivisten, aber auch mit Milizionären, überforderten Staatsanwälten und Rangern. Ein junger Mann, der immer davon geträumt hatte, wie schon sein Vater und sein Großvater als Wildhüter zu arbeiten, sagte ihr: "Anstatt Tiere zu schützen, haben sie mich zur Kampfmaschine gemacht."
Schlindwein beschreibt, wie die Nationalparks überall in Afrika hochgerüstet werden. Wildhüter erhalten Training von britischen Soldaten und israelischen Spezialeinheiten, Nachtsichtgeräte, Drohnen, gepanzerte Patrouillenfahrzeuge, Kalaschnikows und manche sogar Panzerfäuste. So sollen sie die Tiere schützen, aber auch sich selbst, gegen die Milizen, die die Nationalparks als Rückzugsgebiete nutzen, und gegen Wilderer, die angetrieben von der Nachfrage nach Elfenbein aus Asien immer professioneller und brutaler vorgehen.
Gerade im Kongo führte die Militarisierung aber auch dazu, dass die Ranger selbst in die Kriegswirren hineingezogen und Teil des Konflikts wurden. Schlindwein dokumentiert schwere Übergriffe auf die indigenen Anrainer der Parks, willkürliche Gewalt, Vergewaltigungen, Morde. Auch in Uganda. Außerdem, so zeigen Studien, fließt ein immer größerer Teil der finanziellen Hilfe des Westens in Training und Ausrüstung der Ranger. Statt die einheimische Bevölkerung in und um die Parks zu unterstützen und mit Projekten in den Naturschutz einzubeziehen, werden Zäune gebaut. Die Schutzgebiete würden zunehmend wie Festungen verteidigt, bilanziert eine Wissenschaftlerin, und die Menschen als Feinde betrachtet.
Schlindwein konfrontiert auch die Bundesregierung mit ihren Recherchen und den Vorwürfen - schließlich ist die einer der wichtigsten Geldgeber für Nationalparks in Afrika. Dabei wird das Dilemma greifbar, in dem die deutsche Naturschutzpolitik steckt, die einerseits darauf drängt, die gewaltsamen Übergriffe der Ranger aufzuarbeiten und die Einhaltung der Menschenrechte zu garantieren. Die andererseits aber abhängig ist von den jeweiligen Regierungen und korrupten Naturschutzbehörden. Und die, so der Hauptvorwurf, den nicht nur Schlindwein, sondern auch afrikanische Naturschützer und Wissenschaftler erheben, nach wie vor am "Konzept der menschenleeren Parks" festhalte.
Schlindwein gelingt es in ihrem Buch eindrücklich, das Versprechen aus dem Vorwort zu erfüllen, eine "Bestandsaufnahme der derzeitigen Konfliktlage rund um die Nationalparks" abzuliefern. Etwas knapp fällt ihr Fazit aus. Sie bezieht sich darin auf einen UN-Bericht, der festgestellt hat, dass die Biodiversität in Gebieten, die von einheimischen Bevölkerungsgruppen betreut werden, weniger rasch zurückgeht als anderswo. Sie reißt die Forderungen afrikanischer Ökologen an, auf "altgediente, afrikanische Konzepte" zurückzugreifen, die traditionelle Wertschätzung der Menschen in Afrika für die Natur und die Wildtiere anzuerkennen und sie einzubeziehen, statt sie zu vertreiben und auszusperren. Schlindwein nennt Beispiele von Nationalparks, in deren Verwaltung die indigenen Gemeinschaften einbezogen werden, etwa im Ebo-Wald in Kamerun. Darüber hätte man nach all den erschreckenden Schilderungen zuvor gerne mehr gelesen.
DAVID KLAUBERT
Simone Schlindwein : Der grüne Krieg. Wie in Afrika die Natur auf Kosten der Menschen geschützt wird - und was der Westen damit zu tun hat.
Ch. Links Verlag, Berlin 2023. 256 S., 20,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
»Schlindwein gelingt es in ihrem Buch eindrücklich, das Versprechen aus dem Vorwort zu erfüllen, eine 'Bestandsaufnahme der derzeitigen Konfliktlage rund um die Nationalparks' abzuliefern.« David Klaubert Frankfurter Allgemeine Zeitung 20231024