Das vorliegende Buch analysiert die Implikationen eines Kulturkontaktes unter kolonialen Bedingungen. Anhand eines Fallbeispiels aus Britisch-Indien zu Beginn des 20. Jahrhunderts wird das Spannungsfeld zwischen der Forderung nach geistiger Dekolonisation einerseits und dem Bedürfnis nach selektiver Annahme von Elementen der Moderne andererseits untersucht. Es beleuchtet exemplarisch die Rolle einer spätkolonialen Erziehungsinstitution und des von ihr propagierten Bildungsideals für die Konstituierung einer kulturell und religiös gefärbten nationalen Identität. Eckpfeiler dieses Prozesses der nationalen Identitätsstiftung sind u. a. die eugenische 'Veredlung' der Bevölkerung, die Verbreitung staatsbürgerlicher Tugenden, die Schaffung einer 'Nationalgeschichte', sowie die Verbreitung einer einheitlichen 'Nationalsprache'. Die Studie verknüpft damit ein aktuelles Forschungsproblem der Politikwissenschaft mit Fragestellungen und Methodik von Geschichtswissenschaft und Moderner Indologie. Auf einer übergreifenden Ebene plädiert das Buch für eine Erweiterung der Perspektive bei der Analyse kolonialer Prozesse. Die Fallstudie demonstriert, dass die alleinige Fokussierung auf die 'Peripherie', die seit einiger Zeit den akademischen Diskurs der betroffenen Disziplinen bestimmt, zu kurz greift. Wichtige Aspekte des transkulturellen Phänomens 'Kolonialismus' bleiben unverständlich, wenn man den kolonialen Kontakt nicht als reziproke Beziehung begreift und auch ereignis- und geistesgeschichtliche Verflechtungen mit der 'Metropole' gebührend berücksichtigt.