Du weißt, wann er kommt. Du weißt, wen er tötet. Aber aufhalten kannst du ihn nicht.
In der chinesischen Millionenstadt Chengdu treibt ein kaltblütiger Killer sein Unwesen, der vor 18 Jahren die Polizei schon einmal zum Narren gehalten hat. Er nennt sich selbst Eumenides und tötet Menschen, deren Verbrechen von der Polizei nicht geahndet wurden. Mittels Todesanzeigen kündigt er an, wen er ermordet, wann er zuschlägt und warum das Opfer sterben muss. Damit verhöhnt er die zu seiner Verhaftung einberufene Sondereinsatzgruppe 18/4 und den brillanten Hauptmann Pei Tao. Bei jedem Mord ist Eumenides ihnen einen Schritt voraus. Zu spät erkennt Pei Tao, dass auch seine Geheimnisse und Vergehen vor dem Killer nicht sicher sind. Ein tödliches Katz-und-Maus-Spiel beginnt ...
In der chinesischen Millionenstadt Chengdu treibt ein kaltblütiger Killer sein Unwesen, der vor 18 Jahren die Polizei schon einmal zum Narren gehalten hat. Er nennt sich selbst Eumenides und tötet Menschen, deren Verbrechen von der Polizei nicht geahndet wurden. Mittels Todesanzeigen kündigt er an, wen er ermordet, wann er zuschlägt und warum das Opfer sterben muss. Damit verhöhnt er die zu seiner Verhaftung einberufene Sondereinsatzgruppe 18/4 und den brillanten Hauptmann Pei Tao. Bei jedem Mord ist Eumenides ihnen einen Schritt voraus. Zu spät erkennt Pei Tao, dass auch seine Geheimnisse und Vergehen vor dem Killer nicht sicher sind. Ein tödliches Katz-und-Maus-Spiel beginnt ...
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.01.2022Die Rachegöttinnen bitten zur Exekution
Tugend ist eine Sache der Auslegung: Zhou Haohui lässt einen Killer mit Gerechtigkeitsempfinden von der Leine
"Der Angeklagte: Xue Dalin. Verbrechen: Pflichtvernachlässigung, Entgegennahme von Bestechungsgeldern, geheime Absprachen mit kriminellen Organisationen. Datum der Urteilsvollstreckung: 18. April. Henker: Eumenides." Mit solchen Todesanzeigen in vollendeter Kalligraphie kündet der Unbekannte, der sich selbst nach den Rachegöttinnen aus der griechischen Mythologie benennt, seine Morde an. Die Opfer: korrupte Beamte, Vergewaltiger, Ehebrecherinnen, Ausbeuter, deren Verfehlungen mit den Mitteln von Polizei und Justiz nicht beizukommen ist.
Auf die Todesanzeigen lässt der Killer akribisch geplante und durchgeführte Exekutionen folgen und hält so nicht nur die Mordkommission von Chengdu zum Besten. Er knüpft auch an einen ungelösten Fall aus den Achtzigerjahren an, bei dem zwei Polizeikadetten durch die Explosion einer Chemiefabrik starben und der als strenge Geheimsache eingestuft wurde, um eine Massenpanik in der Millionenstadt zu vermeiden.
Kommende Woche erscheint in Deutschland der erste Teil der Trilogie um die im Oktober 2002 also schon zum zweiten Mal einberufene Sondereinsatztruppe 18/4. Autor Zhou Haohui ist ein Umweltingenieur, der 2003, gelangweilt von seinem Job und dem Lockdown im Zuge der Sars-Pandemie, begonnen hatte zu schreiben und seine Kurzgeschichten zunächst in Universitätsforen veröffentlichte. In China entwickelte sich die Reihe innerhalb kürzester Zeit zum meistverkauften Stück Kriminalliteratur. Woher rührt der beachtliche Erfolg?
"18/4 - Der Hauptmann und der Mörder" ist ein reines police procedural; ein Leben außerhalb ihrer Arbeit scheint für die Mitglieder der Sondereinsatztruppe um den so brillanten wie enigmatischen Hauptmann Pei Tao überhaupt nicht zu existieren. Der Mangel an ausufernden Hintergrundgeschichten und psychologischer Tiefe lässt sich durchaus als Vorteil verbuchen, entfernt verwandt vielleicht mit dem Prinzip "Harry Potter": In einem Titelhelden ohne besondere Eigenschaften kann letztlich jeder sehen, was er möchte.
Da entbehrt es nicht einer gewissen Ironie, dass zur sonst ausschließlich männlich besetzten Sondereinsatztruppe auch eine Psychologin gehört, die die Äußerungen des Täters auf mögliche Motive hin analysieren soll, aber schon bei den Kollegen auf Granit beißt. Wie ein makabrer Witz liest sich das in einem Roman, in dem ein Killer den Leuten vorzugaukeln versucht, es sei kinderleicht, zwischen Gut und Böse zu unterscheiden und obendrein noch Gerechtigkeit wiederherzustellen.
Der Auftakt der Reihe ist eine hochkonzentrierte Studie über Individuen auf allen Seiten des Gesetzes unter Druck: Die einen fallen in sich zusammen, sobald sie ihre Todesanzeige erhalten, andere reagieren stoisch. Manche verlieren die Nerven, begehen Fehler, die sie in den Abgrund reißen. Erfahrene Polizisten - und das ist ein unerwarteter Dreh für das Noir-Genre - hadern mit ihrem Schicksal; geplagt von Gewissensbissen und Scham, vergießen sie heiße Tränen. Um für sie aber echtes Mitgefühl zu entwickeln, lässt das Tempo kaum Gelegenheit und Zhous unterkühlter Stil keinen Anlass - auch das ein angenehmer Kontrapunkt zu Eumenides' pseudo-empathischem Moralismus.
Abgesehen von den Actionszenen, die sich vor dem inneren Auge wie filmische set pieces aus dem zeitgenössischen amerikanischen Blockbusterkino abspielen, ist kein Detail zu viel an Zhous Text. Selbst die Stadt, die den Hintergrund für Eumenides' Rachefeldzüge abgibt, erscheint so generisch, dass es für die Übersetzungen ins Englische und Deutsche kaum ins Gewicht fällt, sie in Chengdu abzuändern - die Hauptstadt der Provinz Sichuan, die das westliche Publikum leichter wiedererkennen sollte als die vom Autor ursprünglich gemeinten ostchinesischen Städte Yangzhou und Nanjing.
Nurmehr ein Skelett ist die Geschichte, dessen Rippenzwischenräume die Leser selbst mit Fleisch zu füllen haben. Die Produzenten, die die Trilogie als immens erfolgreiche Webserie unter dem Titel "Death Notify" adaptierten, begriffen den Stoff als tiefschwarze Komödie. Der Hongkonger Regisseur Herman Yau erkennt darin, wenn die ersten Trailer der Verfilmung "Death Notice" keine grobe Täuschung sind, vor allem das Potential zu einem vor Testosteron und CGI strotzenden Actionthriller.
Dabei liegt es nahe, sich "18/4" vorzustellen als ein Jahrzehnte und Generationen umspannendes Kriminalepos im Stil von Autorenfilmern wie Jia Zhangke oder Diao Yi'nan. Es liefe im Wettbewerb der Berlinale mit Protagonisten, deren gebrochene Herzen und eingedellte Seelen Kollateralschäden des rasanten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandels in China wären. Inzwischen studiert im Übrigen auch Zhou Haohui selbst Regie - aus Frustration darüber, seinen Stoff fortwährend missinterpretiert zu sehen. KATRIN DOERKSEN
Zhou Haohui: "18/4 - Der Hauptmann und der Mörder".
Thriller.
Aus dem Englischen von Julian Haefs. Heyne Verlag, München 2022. 400 S., br., 13,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Tugend ist eine Sache der Auslegung: Zhou Haohui lässt einen Killer mit Gerechtigkeitsempfinden von der Leine
"Der Angeklagte: Xue Dalin. Verbrechen: Pflichtvernachlässigung, Entgegennahme von Bestechungsgeldern, geheime Absprachen mit kriminellen Organisationen. Datum der Urteilsvollstreckung: 18. April. Henker: Eumenides." Mit solchen Todesanzeigen in vollendeter Kalligraphie kündet der Unbekannte, der sich selbst nach den Rachegöttinnen aus der griechischen Mythologie benennt, seine Morde an. Die Opfer: korrupte Beamte, Vergewaltiger, Ehebrecherinnen, Ausbeuter, deren Verfehlungen mit den Mitteln von Polizei und Justiz nicht beizukommen ist.
Auf die Todesanzeigen lässt der Killer akribisch geplante und durchgeführte Exekutionen folgen und hält so nicht nur die Mordkommission von Chengdu zum Besten. Er knüpft auch an einen ungelösten Fall aus den Achtzigerjahren an, bei dem zwei Polizeikadetten durch die Explosion einer Chemiefabrik starben und der als strenge Geheimsache eingestuft wurde, um eine Massenpanik in der Millionenstadt zu vermeiden.
Kommende Woche erscheint in Deutschland der erste Teil der Trilogie um die im Oktober 2002 also schon zum zweiten Mal einberufene Sondereinsatztruppe 18/4. Autor Zhou Haohui ist ein Umweltingenieur, der 2003, gelangweilt von seinem Job und dem Lockdown im Zuge der Sars-Pandemie, begonnen hatte zu schreiben und seine Kurzgeschichten zunächst in Universitätsforen veröffentlichte. In China entwickelte sich die Reihe innerhalb kürzester Zeit zum meistverkauften Stück Kriminalliteratur. Woher rührt der beachtliche Erfolg?
"18/4 - Der Hauptmann und der Mörder" ist ein reines police procedural; ein Leben außerhalb ihrer Arbeit scheint für die Mitglieder der Sondereinsatztruppe um den so brillanten wie enigmatischen Hauptmann Pei Tao überhaupt nicht zu existieren. Der Mangel an ausufernden Hintergrundgeschichten und psychologischer Tiefe lässt sich durchaus als Vorteil verbuchen, entfernt verwandt vielleicht mit dem Prinzip "Harry Potter": In einem Titelhelden ohne besondere Eigenschaften kann letztlich jeder sehen, was er möchte.
Da entbehrt es nicht einer gewissen Ironie, dass zur sonst ausschließlich männlich besetzten Sondereinsatztruppe auch eine Psychologin gehört, die die Äußerungen des Täters auf mögliche Motive hin analysieren soll, aber schon bei den Kollegen auf Granit beißt. Wie ein makabrer Witz liest sich das in einem Roman, in dem ein Killer den Leuten vorzugaukeln versucht, es sei kinderleicht, zwischen Gut und Böse zu unterscheiden und obendrein noch Gerechtigkeit wiederherzustellen.
Der Auftakt der Reihe ist eine hochkonzentrierte Studie über Individuen auf allen Seiten des Gesetzes unter Druck: Die einen fallen in sich zusammen, sobald sie ihre Todesanzeige erhalten, andere reagieren stoisch. Manche verlieren die Nerven, begehen Fehler, die sie in den Abgrund reißen. Erfahrene Polizisten - und das ist ein unerwarteter Dreh für das Noir-Genre - hadern mit ihrem Schicksal; geplagt von Gewissensbissen und Scham, vergießen sie heiße Tränen. Um für sie aber echtes Mitgefühl zu entwickeln, lässt das Tempo kaum Gelegenheit und Zhous unterkühlter Stil keinen Anlass - auch das ein angenehmer Kontrapunkt zu Eumenides' pseudo-empathischem Moralismus.
Abgesehen von den Actionszenen, die sich vor dem inneren Auge wie filmische set pieces aus dem zeitgenössischen amerikanischen Blockbusterkino abspielen, ist kein Detail zu viel an Zhous Text. Selbst die Stadt, die den Hintergrund für Eumenides' Rachefeldzüge abgibt, erscheint so generisch, dass es für die Übersetzungen ins Englische und Deutsche kaum ins Gewicht fällt, sie in Chengdu abzuändern - die Hauptstadt der Provinz Sichuan, die das westliche Publikum leichter wiedererkennen sollte als die vom Autor ursprünglich gemeinten ostchinesischen Städte Yangzhou und Nanjing.
Nurmehr ein Skelett ist die Geschichte, dessen Rippenzwischenräume die Leser selbst mit Fleisch zu füllen haben. Die Produzenten, die die Trilogie als immens erfolgreiche Webserie unter dem Titel "Death Notify" adaptierten, begriffen den Stoff als tiefschwarze Komödie. Der Hongkonger Regisseur Herman Yau erkennt darin, wenn die ersten Trailer der Verfilmung "Death Notice" keine grobe Täuschung sind, vor allem das Potential zu einem vor Testosteron und CGI strotzenden Actionthriller.
Dabei liegt es nahe, sich "18/4" vorzustellen als ein Jahrzehnte und Generationen umspannendes Kriminalepos im Stil von Autorenfilmern wie Jia Zhangke oder Diao Yi'nan. Es liefe im Wettbewerb der Berlinale mit Protagonisten, deren gebrochene Herzen und eingedellte Seelen Kollateralschäden des rasanten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandels in China wären. Inzwischen studiert im Übrigen auch Zhou Haohui selbst Regie - aus Frustration darüber, seinen Stoff fortwährend missinterpretiert zu sehen. KATRIN DOERKSEN
Zhou Haohui: "18/4 - Der Hauptmann und der Mörder".
Thriller.
Aus dem Englischen von Julian Haefs. Heyne Verlag, München 2022. 400 S., br., 13,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
»Der Auftakt der Reihe ist eine hochkonzentrierte Studie über Individuen auf allen Seiten des Gesetzes unter Druck.« Frankfurter Allgemeine Zeitung