Voller Licht, Liebe und Poesie - Uwe Tellkamps erster Roman.
Ein Sommer in der Dresdner Neustadt. In den sonnendurchfluteten Straßen und im idyllischen Portugiesischen Café trifft sich eine kleine Gruppe junger Künstler. Sophie und Florian, die sich lieben, aber ihre Liebe nicht auszusprechen wagen, die blinde Nora, Martin, der Maler, und die Musiker von Tango Verde: Sie alle sind Kinder des Lichts, die in einem Strom von Geschichten aufsteigen, sich leise verwandeln und wieder gehen, so als sei die Erde ganz schwerelos.
Ein Sommer in der Dresdner Neustadt. In den sonnendurchfluteten Straßen und im idyllischen Portugiesischen Café trifft sich eine kleine Gruppe junger Künstler. Sophie und Florian, die sich lieben, aber ihre Liebe nicht auszusprechen wagen, die blinde Nora, Martin, der Maler, und die Musiker von Tango Verde: Sie alle sind Kinder des Lichts, die in einem Strom von Geschichten aufsteigen, sich leise verwandeln und wieder gehen, so als sei die Erde ganz schwerelos.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.06.2009Als der Turm noch ein Türmchen war
Der Nationalpreisträger Uwe Tellkamp warnt die Welt vor seinem Romandebüt. Er weiß, warum
E-Mail-Adressen von Literaturredaktionen gibt es ja eigentlich nur zu dem Zweck, damit die Presseabteilungen der Verlage täglich unzählige Empfehlungen, Super-Empfehlungen und Mails mit der Betreffzeile "Das Buchereignis aus Schweden" und "Unser Chinese des Jahres" verschicken können. Stört nicht weiter. Ein Klick und weg ist der Schwede. Manchmal schreibt auch der zuständige Lektor, der der Presseabteilung misstraut, manchmal ein Verleger, der allen misstraut, und manchmal auch der Autor selbst. Die Mails sind alle gleich: "Irres Buch, muss man lesen und wenn nicht lesen, dann doch wenigstens den Lesern empfehlen. Mit besten Grüßen."
Da war es natürlich überraschend, als die Literaturredaktionen des Landes vor drei Wochen die Mail eines Autors erreichte, der vor seinem Buch warnen wollte. "Sehr geehrte Damen und Herren", schrieb er, "der Verlag Faber und Faber Leipzig beabsichtigt im Juni 2009, eine Neuauflage meines Romans ,Der Hecht, die Träume und das Portugiesische Café' herauszubringen. Diese (Wieder-)Veröffentlichung geschieht gegen meinen mehrfach und schriftlich erklärten Willen." Auch mit der Taschenbuchausgabe im Oktober bei dtv sei er nicht einverstanden, aber leider halte der Verlag nun einmal die Rechte an diesem Buch, man habe ihm schriftlich erklärt, dass man sich über seine Bedenken hinwegsetzen werde. "Und so bleibt mir nur, Ihnen auf diesem Weg mitzuteilen, daß die neuerliche Publikation des ,Hecht' ohne meine Zustimmung erfolgt. Mit freundlichen Grüßen Ihr Uwe Tellkamp."
Der Roman war zum ersten Mal im Jahr 2000 erschienen, damals von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt. Man lernte Tellkamp erst vier Jahre später kennen, als die Juryvorsitzende des Bachmann-Wettbewerbs in Klagenfurt nach seinem Vortrag jauchzte: "Ich glaube, wir haben einen großen Autor entdeckt."
Ein Jahr später veröffentlichte Tellkamp seinen in rechtskonservativer Demokratieverachtung schwelgenden Kitschroman "Der Eisvogel" und 2008 dann den "Turm", von dem sein Verlag so lange behauptete, er habe "buddenbrooksches Format", bis es die meisten Kritiker schließlich auch geschrieben hatten. Dass tatsächlich so gut wie kein Verriss des Buches erschien, deutet darauf hin, dass "Der Turm" wirklich ein atemberaubendes Werk ist. Es könnte aber natürlich auch daran liegen, dass Kritiker, die die kunsthandwerkliche Zierratdrechselei und Villenbestaunung des 950 Seiten starken Buches trotz größter Mühen einfach nicht länger als hundert Seiten ertragen haben, als seriöse Rezensenten ausschieden. Der einzige Held der Arbeit, der trotz Unempfänglichkeit für den tellkampschen Auftrumpfstil das ganze Buch durcharbeitete, war Denis Scheck, der nach Lektüre bekannte, es entstehe beim Lesen "ein Geruch nach Schweiß wie in der Umkleidekabine eines Fußballoberligisten nach der Halbzeitpause". Doch "Der Turm" wurde mit dem Deutschen Buchpreis geehrt, hat seit 37 Wochen die Bestsellerlisten nicht mehr verlassen und gilt inzwischen als das Epos der untergehenden DDR.
Um Autor und Buch schnell noch die Krone aufzusetzen, wird Uwe Tellkamp in diesem Monat (zusammen mit Monika Maron und Erich Loest) mit dem Deutschen Nationalpreis geehrt. Man könnte sich unter den jüngeren Autoren des Landes auch eigentlich gar keinen vorstellen, dem ein "Deutscher Nationalpreis" so gut passen würde wie ihm. Gern betont Tellkamp, der sich auch als "Librettisten Wagners" bezeichnet, dass er in der Tradition "deutscher Kunst und deutscher Kultur" stehe. Was anderen Schriftstellern qua Herkunft und Bildung selbstverständlich ist, trompetet Tellkamp stolz heraus. In seinen jüngst als Buch erschienenen Leipziger Poetikvorlesungen preist er den verstorbenen Lyriker Thomas Kling: "Da scheute sich ein deutscher Dichter nicht, ein deutscher Dichter zu sein. Das machte ihn mir lieb, denn auch ich bin hier geboren und nicht in Amerika, bin aus dieser Erde genommen."
Wer auch immer ihn aus dieser Erde herausgenommen hat - mir sind keine deutschen Dichter bekannt, die sich scheuen, deutsche Dichter zu sein. Aber Tellkamp stürmt sehr gern mit Donnergrollen Türen ein, die niemand je verschlossen hat. Er erinnert mich immer ein wenig an den Zenturio von Musculus* (* das Mäuschen) aus "Asterix bei den Olympischen Spielen", der glaubt, er habe Zaubertrank getrunken, vergeblich immer kleinere Felsen zu stemmen sucht, um schließlich triumphal einen Kiesel in die Höhe zu heben und zu rufen: "Ha, ich bin ein Supermann!" Was ihm seine Untergebenen sehr, sehr gerne bestätigen.
Zitiert Tellkamp zum Beispiel ein schlechtes Gedicht, kommentiert er es gleich darauf so: "Meine Meinung, in erfrischender Deutlichkeit: Dies ist nicht einmal schlechte, sondern keine Lyrik." Wer seiner eigenen Meinung eine erfrischende Deutlichkeit bescheinigt, braucht auf die anderer nicht zu warten. Doch wer schlechte Lyrik "keine Lyrik" nennt, wirkt doch eher so mittelerfrischend. Ständig stemmt Tellkamp diese Kiesel und bestaunt sich selbst.
Und da er sich gerade in dieser Nationalsache ständig abgrenzen zu müssen glaubt, kommt es auch schon mal zu Verhaspelungen: "Ich will hier nicht den ,deutschen Nationalcharakter' strapazieren, ein mißbrauchter und oft mißverstandener, weil mißverständlich gebrauchter Begriff, dessen Aussage man, zumal hierzulande, bestreiten kann, dessen Existenz, und mögen Sonntagsideologen noch so sehr Klischee! Klischee! blöken, man spätestens nach einem Auslandsaufenthalt in Betracht ziehen wird." Sie können folgen? Den Begriff "nicht strapazieren", einmal durch die Geschichte eilen, imaginäre Gegner wegboxen und ihn am Ende "nach einem Auslandsaufenthalt" doch "in Betracht ziehen". Noch der linkeste Internationalist wird bestimmte Eigenheiten der Deutschen nicht leugnen, ganze Comedy-Bühnen und Buchsparten leben davon. Tellkamps Sorgen möchte man haben.
Das alles gehört zu Tellkamps Spiel, zu Tellkamps Stil, und zu alldem passt auch sein erster Roman, von dem er heute nichts mehr wissen will. Schwer zu sagen übrigens, warum nicht. Denn: ja, es ist ein schlechter Roman. Ein furchtbar schlechter Roman sogar, der den Vorteil hat, nur 163 Seiten lang zu sein. Ein Roman so voller Pathos, schiefen Bildern und triefendem Kitsch, dass man das Ganze auch für das Dokument einer feindlichen Übernahme durch einen bösartigen Tellkampübertreiber halten könnte. Doch Tellkamp selbst hat sich ja per Mail zur Urheberschaft bekannt, und letztlich liest es sich auch wie das authentische Werk, auf dem die folgenden zwei Romane geradezu logisch aufbauen. Es wurde später leicht entschlackt, was hier noch in Reinform vorliegt.
Eine Liebesgeschichte im Dresden des Wendejahres 1989. Florian und Sophie lieben sich und finden doch nicht zueinander. Der Autor ist offenbar auch sehr verliebt, er lässt Sophies Haar auf den wenigen Seiten an die fünfzig Mal "in der Sonne schimmern", ständig schwellen Brüste unter Pullovern, Sophies Stimme klingt "hell und lichtzart wie das Gelb der Juniaprikosen". Und "auf einem vergessenen Roßhaarsofa im Wohnzimmer lagen graugestaubte, stockfleckige Bücher auf Exemplaren lang verschollener Zeitungen". Jetzt fragen Sie bitte nicht, wer da sein Rosshaarsofa im Wohnzimmer vergessen hat und wie da Zeitungen herumliegen können, "die längst verschollen sind". Das sind halt so Kritikerfragen, die von Poesie nichts wissen. Die irrste Stelle in Tellkamps Frühwerk ist übrigens eine ganze Seite, auf der er die Dresdner Semmel besingt: "Sie lagen genau im Zenit des Backgleichgewichts, zwischen Verbrennen und lau-gleichgültiger Engerlingshaftigkeit, so daß das Gold der Tiefe geweckt wurde und ruhig die Augen aufschlug. (. . .) Solcherart waren die weizenblonden Nahrhaftigkeiten, die Frommann buk." Leider geht es nicht so lustig weiter.
"Spotten Sie ruhig, kalter Kritiker", heißt es in Tellkamps Poetikvorlesungen, "diese Verse werden sein, wenn Sie schon Staub sind." Und manche Verse sind schon Staub, bevor der Kritiker sie überhaupt zu Gesicht bekommt.
VOLKER WEIDERMANN
Uwe Tellkamp: "Der Hecht, die Träume und das Portugiesische Café". Faber und Faber, 2000, 163 Seiten. Die Neuauflage erscheint im Laufe des Monats.
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Der Nationalpreisträger Uwe Tellkamp warnt die Welt vor seinem Romandebüt. Er weiß, warum
E-Mail-Adressen von Literaturredaktionen gibt es ja eigentlich nur zu dem Zweck, damit die Presseabteilungen der Verlage täglich unzählige Empfehlungen, Super-Empfehlungen und Mails mit der Betreffzeile "Das Buchereignis aus Schweden" und "Unser Chinese des Jahres" verschicken können. Stört nicht weiter. Ein Klick und weg ist der Schwede. Manchmal schreibt auch der zuständige Lektor, der der Presseabteilung misstraut, manchmal ein Verleger, der allen misstraut, und manchmal auch der Autor selbst. Die Mails sind alle gleich: "Irres Buch, muss man lesen und wenn nicht lesen, dann doch wenigstens den Lesern empfehlen. Mit besten Grüßen."
Da war es natürlich überraschend, als die Literaturredaktionen des Landes vor drei Wochen die Mail eines Autors erreichte, der vor seinem Buch warnen wollte. "Sehr geehrte Damen und Herren", schrieb er, "der Verlag Faber und Faber Leipzig beabsichtigt im Juni 2009, eine Neuauflage meines Romans ,Der Hecht, die Träume und das Portugiesische Café' herauszubringen. Diese (Wieder-)Veröffentlichung geschieht gegen meinen mehrfach und schriftlich erklärten Willen." Auch mit der Taschenbuchausgabe im Oktober bei dtv sei er nicht einverstanden, aber leider halte der Verlag nun einmal die Rechte an diesem Buch, man habe ihm schriftlich erklärt, dass man sich über seine Bedenken hinwegsetzen werde. "Und so bleibt mir nur, Ihnen auf diesem Weg mitzuteilen, daß die neuerliche Publikation des ,Hecht' ohne meine Zustimmung erfolgt. Mit freundlichen Grüßen Ihr Uwe Tellkamp."
Der Roman war zum ersten Mal im Jahr 2000 erschienen, damals von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt. Man lernte Tellkamp erst vier Jahre später kennen, als die Juryvorsitzende des Bachmann-Wettbewerbs in Klagenfurt nach seinem Vortrag jauchzte: "Ich glaube, wir haben einen großen Autor entdeckt."
Ein Jahr später veröffentlichte Tellkamp seinen in rechtskonservativer Demokratieverachtung schwelgenden Kitschroman "Der Eisvogel" und 2008 dann den "Turm", von dem sein Verlag so lange behauptete, er habe "buddenbrooksches Format", bis es die meisten Kritiker schließlich auch geschrieben hatten. Dass tatsächlich so gut wie kein Verriss des Buches erschien, deutet darauf hin, dass "Der Turm" wirklich ein atemberaubendes Werk ist. Es könnte aber natürlich auch daran liegen, dass Kritiker, die die kunsthandwerkliche Zierratdrechselei und Villenbestaunung des 950 Seiten starken Buches trotz größter Mühen einfach nicht länger als hundert Seiten ertragen haben, als seriöse Rezensenten ausschieden. Der einzige Held der Arbeit, der trotz Unempfänglichkeit für den tellkampschen Auftrumpfstil das ganze Buch durcharbeitete, war Denis Scheck, der nach Lektüre bekannte, es entstehe beim Lesen "ein Geruch nach Schweiß wie in der Umkleidekabine eines Fußballoberligisten nach der Halbzeitpause". Doch "Der Turm" wurde mit dem Deutschen Buchpreis geehrt, hat seit 37 Wochen die Bestsellerlisten nicht mehr verlassen und gilt inzwischen als das Epos der untergehenden DDR.
Um Autor und Buch schnell noch die Krone aufzusetzen, wird Uwe Tellkamp in diesem Monat (zusammen mit Monika Maron und Erich Loest) mit dem Deutschen Nationalpreis geehrt. Man könnte sich unter den jüngeren Autoren des Landes auch eigentlich gar keinen vorstellen, dem ein "Deutscher Nationalpreis" so gut passen würde wie ihm. Gern betont Tellkamp, der sich auch als "Librettisten Wagners" bezeichnet, dass er in der Tradition "deutscher Kunst und deutscher Kultur" stehe. Was anderen Schriftstellern qua Herkunft und Bildung selbstverständlich ist, trompetet Tellkamp stolz heraus. In seinen jüngst als Buch erschienenen Leipziger Poetikvorlesungen preist er den verstorbenen Lyriker Thomas Kling: "Da scheute sich ein deutscher Dichter nicht, ein deutscher Dichter zu sein. Das machte ihn mir lieb, denn auch ich bin hier geboren und nicht in Amerika, bin aus dieser Erde genommen."
Wer auch immer ihn aus dieser Erde herausgenommen hat - mir sind keine deutschen Dichter bekannt, die sich scheuen, deutsche Dichter zu sein. Aber Tellkamp stürmt sehr gern mit Donnergrollen Türen ein, die niemand je verschlossen hat. Er erinnert mich immer ein wenig an den Zenturio von Musculus* (* das Mäuschen) aus "Asterix bei den Olympischen Spielen", der glaubt, er habe Zaubertrank getrunken, vergeblich immer kleinere Felsen zu stemmen sucht, um schließlich triumphal einen Kiesel in die Höhe zu heben und zu rufen: "Ha, ich bin ein Supermann!" Was ihm seine Untergebenen sehr, sehr gerne bestätigen.
Zitiert Tellkamp zum Beispiel ein schlechtes Gedicht, kommentiert er es gleich darauf so: "Meine Meinung, in erfrischender Deutlichkeit: Dies ist nicht einmal schlechte, sondern keine Lyrik." Wer seiner eigenen Meinung eine erfrischende Deutlichkeit bescheinigt, braucht auf die anderer nicht zu warten. Doch wer schlechte Lyrik "keine Lyrik" nennt, wirkt doch eher so mittelerfrischend. Ständig stemmt Tellkamp diese Kiesel und bestaunt sich selbst.
Und da er sich gerade in dieser Nationalsache ständig abgrenzen zu müssen glaubt, kommt es auch schon mal zu Verhaspelungen: "Ich will hier nicht den ,deutschen Nationalcharakter' strapazieren, ein mißbrauchter und oft mißverstandener, weil mißverständlich gebrauchter Begriff, dessen Aussage man, zumal hierzulande, bestreiten kann, dessen Existenz, und mögen Sonntagsideologen noch so sehr Klischee! Klischee! blöken, man spätestens nach einem Auslandsaufenthalt in Betracht ziehen wird." Sie können folgen? Den Begriff "nicht strapazieren", einmal durch die Geschichte eilen, imaginäre Gegner wegboxen und ihn am Ende "nach einem Auslandsaufenthalt" doch "in Betracht ziehen". Noch der linkeste Internationalist wird bestimmte Eigenheiten der Deutschen nicht leugnen, ganze Comedy-Bühnen und Buchsparten leben davon. Tellkamps Sorgen möchte man haben.
Das alles gehört zu Tellkamps Spiel, zu Tellkamps Stil, und zu alldem passt auch sein erster Roman, von dem er heute nichts mehr wissen will. Schwer zu sagen übrigens, warum nicht. Denn: ja, es ist ein schlechter Roman. Ein furchtbar schlechter Roman sogar, der den Vorteil hat, nur 163 Seiten lang zu sein. Ein Roman so voller Pathos, schiefen Bildern und triefendem Kitsch, dass man das Ganze auch für das Dokument einer feindlichen Übernahme durch einen bösartigen Tellkampübertreiber halten könnte. Doch Tellkamp selbst hat sich ja per Mail zur Urheberschaft bekannt, und letztlich liest es sich auch wie das authentische Werk, auf dem die folgenden zwei Romane geradezu logisch aufbauen. Es wurde später leicht entschlackt, was hier noch in Reinform vorliegt.
Eine Liebesgeschichte im Dresden des Wendejahres 1989. Florian und Sophie lieben sich und finden doch nicht zueinander. Der Autor ist offenbar auch sehr verliebt, er lässt Sophies Haar auf den wenigen Seiten an die fünfzig Mal "in der Sonne schimmern", ständig schwellen Brüste unter Pullovern, Sophies Stimme klingt "hell und lichtzart wie das Gelb der Juniaprikosen". Und "auf einem vergessenen Roßhaarsofa im Wohnzimmer lagen graugestaubte, stockfleckige Bücher auf Exemplaren lang verschollener Zeitungen". Jetzt fragen Sie bitte nicht, wer da sein Rosshaarsofa im Wohnzimmer vergessen hat und wie da Zeitungen herumliegen können, "die längst verschollen sind". Das sind halt so Kritikerfragen, die von Poesie nichts wissen. Die irrste Stelle in Tellkamps Frühwerk ist übrigens eine ganze Seite, auf der er die Dresdner Semmel besingt: "Sie lagen genau im Zenit des Backgleichgewichts, zwischen Verbrennen und lau-gleichgültiger Engerlingshaftigkeit, so daß das Gold der Tiefe geweckt wurde und ruhig die Augen aufschlug. (. . .) Solcherart waren die weizenblonden Nahrhaftigkeiten, die Frommann buk." Leider geht es nicht so lustig weiter.
"Spotten Sie ruhig, kalter Kritiker", heißt es in Tellkamps Poetikvorlesungen, "diese Verse werden sein, wenn Sie schon Staub sind." Und manche Verse sind schon Staub, bevor der Kritiker sie überhaupt zu Gesicht bekommt.
VOLKER WEIDERMANN
Uwe Tellkamp: "Der Hecht, die Träume und das Portugiesische Café". Faber und Faber, 2000, 163 Seiten. Die Neuauflage erscheint im Laufe des Monats.
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