Ein glänzend geschriebenes Porträt des größten deutschen Verlegers
Irma Nelles zeichnet das Psychogramm eines exzentrischen Mannes und visionären Journalisten, der von politischem Gestaltungswillen ebenso getrieben war wie von seiner Liebe zu Frauen und der Suche nach deren Nähe. Zugleich ist dieses Buch eine Sittengeschichte der Bundesrepublik und ihrer Medienlandschaft seit den siebziger Jahren.
"Mit herrlichen Anekdoten." Die Welt
Rudolf Augstein gilt als einer der größten Verleger der Bundesrepublik. Das von ihm gegründete Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL gehört bis heute zu den einflussreichsten Medien des Landes. Irma Nelles hat Rudolf Augstein viele Jahre lang im beruflichen und privaten Leben begleitet. Sie zeichnet das intime Porträt eines mutigen Journalisten und zerrissenen Mannes, der engste Kontakte in die Welt der Politik wie der Künstler hatte. So ist dieses Buch ein Sittenbild der bundesrepublikanischen Mediengeschichte seit den siebziger Jahren, in der Genialität und Machismus gleichermaßen in Politik und Redaktionsstuben zu Hause waren.
"Ein mit viel Sympathie und Verständnis gezeichnetes Psychogramm." Frankfurter Rundschau
Irma Nelles zeichnet das Psychogramm eines exzentrischen Mannes und visionären Journalisten, der von politischem Gestaltungswillen ebenso getrieben war wie von seiner Liebe zu Frauen und der Suche nach deren Nähe. Zugleich ist dieses Buch eine Sittengeschichte der Bundesrepublik und ihrer Medienlandschaft seit den siebziger Jahren.
"Mit herrlichen Anekdoten." Die Welt
Rudolf Augstein gilt als einer der größten Verleger der Bundesrepublik. Das von ihm gegründete Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL gehört bis heute zu den einflussreichsten Medien des Landes. Irma Nelles hat Rudolf Augstein viele Jahre lang im beruflichen und privaten Leben begleitet. Sie zeichnet das intime Porträt eines mutigen Journalisten und zerrissenen Mannes, der engste Kontakte in die Welt der Politik wie der Künstler hatte. So ist dieses Buch ein Sittenbild der bundesrepublikanischen Mediengeschichte seit den siebziger Jahren, in der Genialität und Machismus gleichermaßen in Politik und Redaktionsstuben zu Hause waren.
"Ein mit viel Sympathie und Verständnis gezeichnetes Psychogramm." Frankfurter Rundschau
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensent Lutz Hachmeister ist sich sicher, mit Irma Nelles haben Rudolf Augstein und der Spiegel Glück gehabt. Dass die ehemalige Büroleiterin Augsteins blendend schreiben kann, ohne elogenhafte Züge, aber auch ohne Ranküne gegen den immer wieder übergriffigen Chef, rechnet er ihr hoch an. Wenn Nelles dennoch drastische Momente nicht auslässt, liegt das eher an den Tatsachen, vermutet Hachmeister. Was Nelles aufschreibt, erscheint ihm als lakonisches Protokoll einer Betreuungsarbeit auch autobiografisch. Das Einflechten der "Spiegel"-Geschichte findet Hachmeister gelungen. Die Themen Alkohol und Männerbündisches scheinen ihm wichtig und am richtigen Platz zu sein, auch wenn Nelles hier nicht systematisiert, wie der Rezensent schreibt.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.02.2016Wie wär es denn mit zweimal in der Woche?
Alkohol, Männerbünde, Propagandaexperten: Irma Nelles erinnert sich an den "Spiegel"-Herausgeber Rudolf Augstein
In ihrer eigenwilligen Hommage an den "Spiegel"-Herausgeber Rudolf Augstein (1923 bis 2002) erspart Irma Nelles dem Leser wenig: "Er sei so entsetzlich einsam, murmelte er wieder und etwas wie, wir sollten jetzt endlich fieken." Das war 1982 im geschichtsträchtigen Rheinhotel Dreesen, Augstein hatte etwas Haschisch geraucht und sich unvermittelt nackt ins Bett gelegt, und Irma Nelles wunderte sich, warum er "fieken" statt "ficken" gesagt hatte. Sie wehrte das Ansinnen ihres Chefs mit der Entgegnung ab, sie habe einen festen Freund in Bonn.
Irma Nelles war über lange Jahre die Büroleiterin Augsteins, und sie begleitete den alkoholkranken Über-Publizisten bis in den Tod. Ihre Monographie ist nicht, wie man befürchten könnte, eine Eloge auf den national-libertären Starjournalisten, aber auch keine privatistische Ansammlung von saumseligen Anekdoten. Vielmehr schreibt Nelles das Protokoll einer mitunter sehr duldsamen Betreuungsarbeit und auch ein Stück weit ihre eigene Autobiographie.
Geboren kurz nach dem Zweiten Weltkrieg als Tochter eines katholischen Pfarrers in Nordfriesland, heiratet sie im Alter von zweiundzwanzig Jahren und zieht mit ihrem konservativen Ehemann nach Bonn. Schon im Elternhaus zirkuliert der damals verruchte "Spiegel", der Vater meint: "Dieser Augstein ist der intelligenteste Kopf, den ich kenne"; der Tochter, die den frühen "Spiegel" zu Recht "kompliziert und schwer zu verstehen" findet, scheint der junge Augstein "eine Art Meisterdetektiv Kalle Blomquist zu sein".
Nach 1968 hat Nelles, inzwischen Mutter von zwei Kindern, das Gefühl, in ihrem "verblassenden Familienidyll" etwas verpasst zu haben; sie bewirbt sich auf eine Anzeige im Bonner "General-Anzeiger" - der "Spiegel" sucht eine "junge Nachwuchssekretärin". Sie fremdelt in ihrer Ehe - die Scheidung folgt bald -, aber die Welt des Bonner "Spiegels", wo whiskeytrinkende Männer in ihren "Zellen" an Stilsorten wie Aufgalopp, Erzähle, Schlussapotheke oder bahnbrechender Enthülle arbeiten, kommt ihr auch zunehmend komisch vor.
Augstein selbst hatte sie 1973 kennengelernt, als der mit gechartertem Lear-Jet zur Stippvisite in die hauptstädtische Dependance kam. Bis dahin hatte sie die "Spiegel"-Redakteure als "ganz und gar nicht autoritätshörig erlebt", im Angesichts des mythischen Chefs war es anders: "Jetzt schien der liebe Gott persönlich vor der Tür zu stehen. Angst machte sich breit." Nelles wunderte sich auch, wie Augstein seine damalige Ehefrau Gisela Stelly, die aussah wie ein Filmstar, brüsk in die Frauenecke verwies: "Du kannst dich ja hier dazusetzen und dich mit den Frauen unterhalten."
Nach drei Jahren Sekretärinnenarbeit kündigt Nelles, und beginnt ein Lehramtsstudium, bleibt dem "Spiegel" aber vertretungshalber verbunden. Ende Mai 1978 kommt es zu einer entscheidenden Begegnung, als sie von Augstein in dessen Villa an der Côte d'Azur eingeladen wird. Nachbarin: Brigitte Bardot. Hier trifft Nelles auf einen der wenigen Lebensfreunde Augsteins: Henri Regnier, den profilierten Unterhaltungschef des Norddeutschen Rundfunks, der wiederum mit Antonia Hilke verheiratet ist, der bekannten Fernseh-Modejournalistin.
Das Ehepaar Regnier macht sich Sorgen um den manisch-depressiven, sprunghaften und dem "Donjuanismus" verfallenen Publizisten und legt Nelles nahe, sich intensiver um Augstein zu kümmern. Daraus wird dann die mitunter bizarre, von zahlreichen Erregungszuständen und abrupten Trennungen gekennzeichnete Beziehung, die in diesem Buch angenehm lakonisch geschildert wird. Nelles schiebt zwischen die szenischen Beschreibungen immer wieder längere Passagen, in denen Augstein ihr bei Wanderungen und Spaziergängen die Geschichte des "Spiegels", seine Jugend in Hannover, Heidegger und Nietzsche erklärt.
Man kann daran zweifeln, ob sich das wirklich so abgespielt hat, aber immerhin entsteht so ein ziemlich stimmiges "Spiegel"-Bild, über das zunehmend erratische Augstein-Verhalten hinaus. Der "Spiegel"-Herausgeber lässt im Übrigen, trotz seiner zahlreichen Ehen und Amouren, nicht locker und bietet Nelles eine Art Vereinbarung über "zweimal in der Woche" an, was sie wiederum zurückweist.
Nelles, seit 1984 Leserbrief-Redakteurin in der Hamburger "Spiegel"-Zentrale, wohnt eine Zeitlang in Augsteins leerstehender Villa am Leinpfad, sie wird schließlich sein "Puffer", seine "Übersetzerin", sein "Katalysator". Wir erfahren einiges über die Entziehungskuren Augsteins, etwa in Kalifornien, über seine Geringschätzung von neuen deutschen Filmregisseuren wie Wim Wenders oder Volker Schlöndorff oder über die Berufung von Stefan Aust als "Spiegel"-Chefredakteur, die Augstein gegen die berüchtigte "Mitarbeiter KG" durchsetzt, indem er mit vollständigem persönlichen Rückzug nach Südfrankreich droht. Da fürchten die hochbezahlten Mitarbeiter dann doch, alleingelassen zu werden.
Die Grundthemen des Buchs sind Alkohol und die männerbündische, paramilitärische Atmosphäre in der "Spiegel"-Journalistik. "Er tycoonisierte", schreibt Nelles häufiger über den Habitus des Herausgebers, und: "Kollegen" waren "Kameraden", wie an der Ostfront vor 1945.
Wie wir heute wissen, verdankt der "Spiegel" seinen singulären publizistischen Erfolg in Deutschland vor allem drei Faktoren: der Formatvorgabe durch die deutsch-britisch-jüdischen Besatzungsoffiziere, die den Ur-"Spiegel" ("Diese Woche") zusammenklebten, Augsteins außergewöhnlicher politischer Konzeptionskraft - mit der eisern durchgehaltenen Idee eines neuen Deutschlands als Zentralmacht im Nachkriegs-Mitteleuropa -, und der Akquise von Spezialkräften aus den einstigen Propaganda-Kompanien der Wehrmacht (PK) oder dem "Sicherheitsdienst des Reichsführers SS" (SD). Letztere stellten wertvolle "Story"-Verbindungen zur Geheimdienst-Sphäre her, etwa zur "Organisation Gehlen".
Nelles systematisiert solche Erkenntnisse nicht, aber das ist auch nicht Sinn und Zweck ihres autobiographischen Versuchs. Die Bürochefin über die letzte Lebensphase Augsteins: "Wie von regelmäßig wiederkehrenden Schlagschatten getroffen, schien ihn sein Gehirn mit vergangener Qual zu erregen. Manchmal stieß er leise die Namen Hitler, Goebbels oder auch Himmler hervor." Das Schlimmste war für ihn der Gedanke an die "Vergeblichkeit" des eigenen publizistischen Willens zur Wirkung, aber er sei doch in diesen Monaten und Wochen "ein heiterer, in sich gekehrter scheuer Mann" gewesen.
Noch 1959 hatte mit Horst Mahnke ein ehemaliger SS-Stratege Augsteins Büroleiter werden sollen, durchaus mit dessen Zustimmung. Es kam dann anders, und Irma Nelles war später die erste Frau in diesem Amt. Mit ihr hat der "Spiegel" Glück gehabt, Und Rudolf Augstein sicherlich auch.
LUTZ HACHMEISTER.
Irma Nelles: "Der Herausgeber".
Erinnerungen an Rudolf Augstein.
Aufbau Verlag, Berlin 2016. 320 S., geb., 22,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Alkohol, Männerbünde, Propagandaexperten: Irma Nelles erinnert sich an den "Spiegel"-Herausgeber Rudolf Augstein
In ihrer eigenwilligen Hommage an den "Spiegel"-Herausgeber Rudolf Augstein (1923 bis 2002) erspart Irma Nelles dem Leser wenig: "Er sei so entsetzlich einsam, murmelte er wieder und etwas wie, wir sollten jetzt endlich fieken." Das war 1982 im geschichtsträchtigen Rheinhotel Dreesen, Augstein hatte etwas Haschisch geraucht und sich unvermittelt nackt ins Bett gelegt, und Irma Nelles wunderte sich, warum er "fieken" statt "ficken" gesagt hatte. Sie wehrte das Ansinnen ihres Chefs mit der Entgegnung ab, sie habe einen festen Freund in Bonn.
Irma Nelles war über lange Jahre die Büroleiterin Augsteins, und sie begleitete den alkoholkranken Über-Publizisten bis in den Tod. Ihre Monographie ist nicht, wie man befürchten könnte, eine Eloge auf den national-libertären Starjournalisten, aber auch keine privatistische Ansammlung von saumseligen Anekdoten. Vielmehr schreibt Nelles das Protokoll einer mitunter sehr duldsamen Betreuungsarbeit und auch ein Stück weit ihre eigene Autobiographie.
Geboren kurz nach dem Zweiten Weltkrieg als Tochter eines katholischen Pfarrers in Nordfriesland, heiratet sie im Alter von zweiundzwanzig Jahren und zieht mit ihrem konservativen Ehemann nach Bonn. Schon im Elternhaus zirkuliert der damals verruchte "Spiegel", der Vater meint: "Dieser Augstein ist der intelligenteste Kopf, den ich kenne"; der Tochter, die den frühen "Spiegel" zu Recht "kompliziert und schwer zu verstehen" findet, scheint der junge Augstein "eine Art Meisterdetektiv Kalle Blomquist zu sein".
Nach 1968 hat Nelles, inzwischen Mutter von zwei Kindern, das Gefühl, in ihrem "verblassenden Familienidyll" etwas verpasst zu haben; sie bewirbt sich auf eine Anzeige im Bonner "General-Anzeiger" - der "Spiegel" sucht eine "junge Nachwuchssekretärin". Sie fremdelt in ihrer Ehe - die Scheidung folgt bald -, aber die Welt des Bonner "Spiegels", wo whiskeytrinkende Männer in ihren "Zellen" an Stilsorten wie Aufgalopp, Erzähle, Schlussapotheke oder bahnbrechender Enthülle arbeiten, kommt ihr auch zunehmend komisch vor.
Augstein selbst hatte sie 1973 kennengelernt, als der mit gechartertem Lear-Jet zur Stippvisite in die hauptstädtische Dependance kam. Bis dahin hatte sie die "Spiegel"-Redakteure als "ganz und gar nicht autoritätshörig erlebt", im Angesichts des mythischen Chefs war es anders: "Jetzt schien der liebe Gott persönlich vor der Tür zu stehen. Angst machte sich breit." Nelles wunderte sich auch, wie Augstein seine damalige Ehefrau Gisela Stelly, die aussah wie ein Filmstar, brüsk in die Frauenecke verwies: "Du kannst dich ja hier dazusetzen und dich mit den Frauen unterhalten."
Nach drei Jahren Sekretärinnenarbeit kündigt Nelles, und beginnt ein Lehramtsstudium, bleibt dem "Spiegel" aber vertretungshalber verbunden. Ende Mai 1978 kommt es zu einer entscheidenden Begegnung, als sie von Augstein in dessen Villa an der Côte d'Azur eingeladen wird. Nachbarin: Brigitte Bardot. Hier trifft Nelles auf einen der wenigen Lebensfreunde Augsteins: Henri Regnier, den profilierten Unterhaltungschef des Norddeutschen Rundfunks, der wiederum mit Antonia Hilke verheiratet ist, der bekannten Fernseh-Modejournalistin.
Das Ehepaar Regnier macht sich Sorgen um den manisch-depressiven, sprunghaften und dem "Donjuanismus" verfallenen Publizisten und legt Nelles nahe, sich intensiver um Augstein zu kümmern. Daraus wird dann die mitunter bizarre, von zahlreichen Erregungszuständen und abrupten Trennungen gekennzeichnete Beziehung, die in diesem Buch angenehm lakonisch geschildert wird. Nelles schiebt zwischen die szenischen Beschreibungen immer wieder längere Passagen, in denen Augstein ihr bei Wanderungen und Spaziergängen die Geschichte des "Spiegels", seine Jugend in Hannover, Heidegger und Nietzsche erklärt.
Man kann daran zweifeln, ob sich das wirklich so abgespielt hat, aber immerhin entsteht so ein ziemlich stimmiges "Spiegel"-Bild, über das zunehmend erratische Augstein-Verhalten hinaus. Der "Spiegel"-Herausgeber lässt im Übrigen, trotz seiner zahlreichen Ehen und Amouren, nicht locker und bietet Nelles eine Art Vereinbarung über "zweimal in der Woche" an, was sie wiederum zurückweist.
Nelles, seit 1984 Leserbrief-Redakteurin in der Hamburger "Spiegel"-Zentrale, wohnt eine Zeitlang in Augsteins leerstehender Villa am Leinpfad, sie wird schließlich sein "Puffer", seine "Übersetzerin", sein "Katalysator". Wir erfahren einiges über die Entziehungskuren Augsteins, etwa in Kalifornien, über seine Geringschätzung von neuen deutschen Filmregisseuren wie Wim Wenders oder Volker Schlöndorff oder über die Berufung von Stefan Aust als "Spiegel"-Chefredakteur, die Augstein gegen die berüchtigte "Mitarbeiter KG" durchsetzt, indem er mit vollständigem persönlichen Rückzug nach Südfrankreich droht. Da fürchten die hochbezahlten Mitarbeiter dann doch, alleingelassen zu werden.
Die Grundthemen des Buchs sind Alkohol und die männerbündische, paramilitärische Atmosphäre in der "Spiegel"-Journalistik. "Er tycoonisierte", schreibt Nelles häufiger über den Habitus des Herausgebers, und: "Kollegen" waren "Kameraden", wie an der Ostfront vor 1945.
Wie wir heute wissen, verdankt der "Spiegel" seinen singulären publizistischen Erfolg in Deutschland vor allem drei Faktoren: der Formatvorgabe durch die deutsch-britisch-jüdischen Besatzungsoffiziere, die den Ur-"Spiegel" ("Diese Woche") zusammenklebten, Augsteins außergewöhnlicher politischer Konzeptionskraft - mit der eisern durchgehaltenen Idee eines neuen Deutschlands als Zentralmacht im Nachkriegs-Mitteleuropa -, und der Akquise von Spezialkräften aus den einstigen Propaganda-Kompanien der Wehrmacht (PK) oder dem "Sicherheitsdienst des Reichsführers SS" (SD). Letztere stellten wertvolle "Story"-Verbindungen zur Geheimdienst-Sphäre her, etwa zur "Organisation Gehlen".
Nelles systematisiert solche Erkenntnisse nicht, aber das ist auch nicht Sinn und Zweck ihres autobiographischen Versuchs. Die Bürochefin über die letzte Lebensphase Augsteins: "Wie von regelmäßig wiederkehrenden Schlagschatten getroffen, schien ihn sein Gehirn mit vergangener Qual zu erregen. Manchmal stieß er leise die Namen Hitler, Goebbels oder auch Himmler hervor." Das Schlimmste war für ihn der Gedanke an die "Vergeblichkeit" des eigenen publizistischen Willens zur Wirkung, aber er sei doch in diesen Monaten und Wochen "ein heiterer, in sich gekehrter scheuer Mann" gewesen.
Noch 1959 hatte mit Horst Mahnke ein ehemaliger SS-Stratege Augsteins Büroleiter werden sollen, durchaus mit dessen Zustimmung. Es kam dann anders, und Irma Nelles war später die erste Frau in diesem Amt. Mit ihr hat der "Spiegel" Glück gehabt, Und Rudolf Augstein sicherlich auch.
LUTZ HACHMEISTER.
Irma Nelles: "Der Herausgeber".
Erinnerungen an Rudolf Augstein.
Aufbau Verlag, Berlin 2016. 320 S., geb., 22,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
" Eine faszinierend zerrupfte Persönlichkeit. Ein unverblümtes Buch. " Das Magazin 20161001