Honoré de Balzacs Erzählung Sarrasine erlangte in Frankreich in den siebziger und achtziger Jahren eine unerwartete Prominenz. Sie resultiert daraus, daß dieser Text wegen seiner spielerisch-intrikaten Komposition viele Literaturtheoretiker dazu veranlaßte, ihr Interpretationsmodell an dem Balzacschen Werk zu erproben. Bekanntestes Beispiel: Roland Barthes, der seine »analyse textuelle« in dem 1976 auf deutsch im Suhrkamp Verlag erschienenen Buch S/Z an dem erwähnten Balzac-Text entfaltet. Als Reaktion auf Balzacs Novelle und Barthes´ Überlegungen ist das neue Buch des französischen…mehr
Honoré de Balzacs Erzählung Sarrasine erlangte in Frankreich in den siebziger und achtziger Jahren eine unerwartete Prominenz. Sie resultiert daraus, daß dieser Text wegen seiner spielerisch-intrikaten Komposition viele Literaturtheoretiker dazu veranlaßte, ihr Interpretationsmodell an dem Balzacschen Werk zu erproben. Bekanntestes Beispiel: Roland Barthes, der seine »analyse textuelle« in dem 1976 auf deutsch im Suhrkamp Verlag erschienenen Buch S/Z an dem erwähnten Balzac-Text entfaltet. Als Reaktion auf Balzacs Novelle und Barthes´ Überlegungen ist das neue Buch des französischen Philosophen Michel Serres zu verstehen. Obwohl die Überlegungen dieses Erzähler- Philosophen nicht thetisch zu benennen sind, sei eine der Serresschen Annäherungen, die zugleich den Titel des Buches »erklärt«, angeführt: »Der Text (Balzacs »Sarrasine«) entwickelt sich zwischen zwei Zweifeln oder zwei Waagschalen und bewegt sich wie ein Buch innerhalb von Treibhausbüchern: zwei geteilte Körper. Die Vereinigung der Körper vollzieht sich, vollständig, als ob sie unendlich mehr als die Liebe verbinden würde: sie sind durch die Novelle am Ende selbst Hermaphrodit geworden.«
Michel Serres, geboren am 1. September 1930 in Agen, war ein französischer Mathematiker und Philosoph. Er absolvierte die École navale, um eine Laufbahn als Marineoffizier zu beginnen. Ab 1952 besuchte er die École normale supérieure, an der er 1955 seine Agrégation in Philosophie erhielt. Im folgenden Jahr trat er erneut in die Marine ein und fuhr jahrelang zur See. Serres war ab 1969 Professor für Wissenschaftsgeschichte an der Sorbonne und wurde 1984 parallel zum Professor an der Stanford University ernannt. Ab 1990 war er außerdem einer der vierzig »Unsterblichen« der Académie française. 2012 erhielt Serres den »Meister-Eckhart-Preis« der Identity Foundation und der Universität zu Köln. Serres starb am 1. Juni 2019 in Vincennes.
Reinhard Kaiser, geboren 1950 in Viersen, studierte Germanistik, Romanistik, Philosophie und Sozialwissenschaften in Berlin, Köln, Paris und Frankfurt am Main. Er arbeitete viele Jahre als Lektor, heute ist er als Übersetzer und Autor tätig.
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