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"Nun, da er den Finken singen hörte, verstand er auf einmal, dass es tatsächlich eine Ode auf die Liebe war. Kein Lebewesen würde von einer derartigen Inbrunst erfüllt sein, wenn es um etwas anderes ginge als die Liebe."Zwei Brüder, die einander alles bedeuten: Der ältere kümmert sich um die Vögel in einer großen Voliere, und er spricht eine Sprache, die allein sein Bruder versteht. Doch als er eines Tages stirbt, bleibt der jüngere einsam zurück. Schließlich übernimmt er die Obhut der Vögel, und es gelingt einer jungen Frau und einem alten Mann, sein Vertrauen zu gewinnen. Bis ein Unglück…mehr

Produktbeschreibung
"Nun, da er den Finken singen hörte, verstand er auf einmal, dass es tatsächlich eine Ode auf die Liebe war. Kein Lebewesen würde von einer derartigen Inbrunst erfüllt sein, wenn es um etwas anderes ginge als die Liebe."Zwei Brüder, die einander alles bedeuten: Der ältere kümmert sich um die Vögel in einer großen Voliere, und er spricht eine Sprache, die allein sein Bruder versteht. Doch als er eines Tages stirbt, bleibt der jüngere einsam zurück. Schließlich übernimmt er die Obhut der Vögel, und es gelingt einer jungen Frau und einem alten Mann, sein Vertrauen zu gewinnen. Bis ein Unglück geschieht und der alte Mann spurlos verschwindet."Phantastisch, poetisch, skurril." Vogue Auf dem Gelände eines ehemaligen Waisenhauses steht eine Voliere voller Vögel - Kanarienvögel, Haussperlinge und Prachtfinken, auch Papageien. Tagein, tagaus kümmert sich ein Mann um die Tiere, lauscht ihren Melodien, spricht mit ihnen. Und allein sein jüngerer Bruder ist in der Lage, seine Sprache zu verstehen. Als der Ältere stirbt, übernimmt der Jüngere die Obhut der Voliere und wird von den Kindern der Stadt fortan der »Herr der kleinen Vögel« genannt. Er lebt einsam und zurückgezogen, bis es zwei Menschen gelingt, sein Vertrauen zu gewinnen. Einer jungen Bibliothekarin, die er aus seiner Suche nach Vogelbüchern kennenlernt. Und einem alten Mann, der stets eine kleine Holzschachtel mit einer Grille bei sich trägt, um sich an ihrem Gesang zu erfreuen ... Doch dann verschwindet ein Kind, und auch von dem alten Mann fehlt jede Spur, so dass der Herr der kleinen Vögel Rechenschaft über seinen Freund mit der Grille ablegen muss.Ein zauberhaft schöner Roman, der den Leser auf eine wundersame Reise durch eine Welt voller Geheimnisse und Magie führt."Es ist das Beiläufige, Unaufgeregte, Unprätentiöse, das die Romane von Yoko Ogawa so großartig macht." Deutschlandradio"Kunstvoll und zugleich unaufdringlich ... Der Herr der kleinen Vögel handelt von der tiefen Einsamkeit einer zunehmend anonymisierten Gesellschaft." FAZ
Autorenporträt
Yoko Ogawa gilt als eine der wichtigsten japanischen Autorinnen der Gegenwart. Für ihr umfangreiches Werk wurde sie mit zahlreichen namhaften Literaturpreisen ausgezeichnet, zuletzt war sie für den ¿National Book Award¿ nominiert und auf der Shortlist des ¿International Man Booker Prize¿ vertreten. Im Aufbau Taschenbuch liegen ihre Romane »Das Geheimnis der Eulerschen Formel«, »Das Museum der Stille«, »Schwimmen mit Elefanten«, »Liebe am Papierrand«, »Hotel Iris«, »Der Herr der kleinen Vögel«, »Zärtliche Klagen«, »Augenblicke in Bernstein« und »Insel der verlorenen Erinnerung« vor.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.05.2016

Frei in der Voliere
Federleichte Gegenwelt: Yoko Ogawas Roman "Der Herr der kleinen Vögel"

Tiere spielen schon immer eine wichtige Rolle im Werk von Yoko Ogawa. Die 1962 geborene, mehrfach ausgezeichnete japanische Schriftstellerin hat einen Erzählstil entwickelt, der eingängig ist, aber nie seicht. Und so folgt man ihr gerne auch in ihren neuen Roman, in dem Vögel die eigentliche Hauptrolle spielen. Zitronensittiche. Oder Harzvögel. Oder der "Zosteropidae", der im Käfig eines aufgefundenen Toten sitzt und gar nicht mehr aufhört zu singen, "kristallklar wie ein rauschender Bach". Die Polizisten sind derart gebannt von seinem Gesang, dass sie den Brillenvogel, wie er auch heißt, aus Versehen freilassen.

Vorhang für Vorhang zieht die japanische Schriftstellerin nach dieser Eingangsszene beiseite, um uns vom Leben eines Sonderlings zu berichten, der zwanzig Jahre lang hingebungsvoll eine Vogelvoliere auf dem Gelände eines Kindergartens pflegte. Mit jedem Kapitel ändert sich der Blick auf ihn, wie bei einem japanischen Garten, der so angelegt ist, dass man immer nur Teile zu sehen bekommt, nie das Ganze. Der Tote hatte einen sieben Jahre älteren Bruder, der vor ihm die Voliere reinigte - auch er eine Art Autist, in noch stärkerem Ausmaß. Dieser Bruder war der eigentliche Ornithomane. Und wenn es von ihm heißt, er redete ausschließlich in einer Phantasiesprache, die niemand außer dem jüngeren Bruder verstand, dann ist dies auch als Gleichnis zu verstehen: Die Innenwelt wucherte so mächtig, dass sie jeden Kontakt zu anderen Menschen unterband. Nur die Vögel, so wird suggeriert, teilten diese Sprache.

Aber wer weiß, ob das nicht nur eine Wunschvorstellung des Bruders war? Als "Herr der kleinen Vögel" folgt er nach dem Tod des Älteren diesem eher absichtslos ins Ehrenamt der Fürsorge, findet dann aber in der "asketischen Übung" viel Gefallen am Füllen der Futternäpfe und dem Gesang. Hier ist er eins mit dem Bruder, den er sehr vermisst. Nur vor den Kindern des Horts, die manchmal auftauchen, fürchtet er sich. Und es ist dann eben doch sehr modern, wie Yoko Ogawa das klassische Motiv kontemplativer Arbeit mit den Problemen und Ängsten der heutigen Zeit verknüpft.

Dieser zweite, bedrohliche Erzählfaden entspinnt sich geradezu schicksalsträchtig und unaufhaltsam wie in einer Tragödie. Es beginnt harmlos auf einer Parkbank mit der Bekanntschaft eines alten, leicht verwahrlosten Mannes. Er führt stets eine Schachtel mit einer Zikade bei sich. Doch immer, wenn der "Herr der kleinen Vögel" Vertrauen zu einem Menschen fasst, reißt der zarte Beziehungsfaden abrupt ab. Der Bekannte kommt eines Tages nicht mehr. Stattdessen wird in der Nähe ein fünfjähriges Mädchen missbraucht. Der Verdacht trifft den Vogelmann, dessen Namen Yoko Ogawa uns nie verrät.

Kunstvoll und zugleich unaufdringlich beschreibt die Autorin ihre Figuren. So heißt es etwa über den Vater der Brüder, der sich dem Sprachproblem einfach durch Schweigen entzieht: "Ein abgewetztes Sitzkissen lag auf dem Lehnstuhl. Der Abdruck war jedoch so schwach, dass der Junge sich verwundert fragte, ob sein Vater schwerelos sei." Ohne ihre Protagonisten zu bewerten, schildert Ogawa das jahrelange, streng ritualisierte Zusammenleben der beiden Brüder als organisches Modell, das gut funktioniert und viele Rücksichten verlangt. Da ist zum Beispiel der Versuch, eine Reise zu unternehmen. Nach den ersten Anzeichen von Panik - ein solches psychologisches Wort fällt allerdings nie - wird der Versuch sofort abgebrochen. Stattdessen "spielen" sie fortan das Reisen in den eigenen Wänden nach, in fest verteilten Rollen.

Das Anderssein der Brüder wird durch solche Schilderungen ebenso respektvoll wie poetisch erfasst. Schön auch die Passagen, in denen die Vögel beschrieben werden: aus realen Bausteinen wird eine federleichte Gegenwelt gezeichnet. Und so folgt man dem Buch auch ins Unglaubwürdige, Märchenhafte.

Und doch handelt "Der Herr der kleinen Vögel", der mit dem Phantastischen turtelt, von der tiefen Einsamkeit einer zunehmend anonymisierten Gesellschaft. Der Sonderling als literarische Figur, der eher Tieren als Menschen traut, hat eine lange Tradition nicht nur in der japanischen Literatur. Sie brachte mit dem "Hikikomori", der sein Zimmer nicht mehr verlässt, eine spezifische Variante hervor, herausgegriffen aus der Realität des hypermodernen Leistungsdogmas. Yoko Ogawa geht einen Schritt weiter. Auch sie erfasst zwar die Symptome. Ihr Schwerpunkt liegt aber auf dem in dieser Welt verankerten Zauberhaften. In Sabine Mangolds klangvoller deutscher Übersetzung scheint es auf.

ANJA HIRSCH

Yoko Ogawa: "Der Herr der kleinen Vögel". Roman.

Aus dem Japanischen von Sabine Mangold. Liebeskind Verlag, München 2015. 272 S., geb., 18,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Yoko Ogawa ist ein traurig-schönes Buch gelungen, das auch Nicht-Schachspieler begeistert." -- Angela Wittmann, BRIGITTE

"Es ist das Beiläufige, Unaufgeregte, Unprätentiöse, das die Romane von Yoko Ogawa so großartig macht." -- Simone Hamm, DEUTSCHLANDFUNK

"Yoko Ogawa vermag innere Zustände in oft erschreckend intensiver Weise in literarische Bilder zu übersetzen." -- Katharina Granzin, FRANKFURTER RUNDSCHAU

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Anja Hirsch ist ganz verzaubert von Yoko Ogawas "Herr der kleinen Vögel". Poesie und Märchenhaftigkeit attestiert sie diesem Buch ebenso wie einen scharfen Blick auf die Einsamkeit des modernen Menschen in der anonymisierten und leistungsorientierten Gesellschaft. Erzählt wird die Geschichte eines Mannes, der aus Liebe und Sehnsucht zu seinem verstorbenen älteren Bruder hingebungsvoll dessen Brillenvogel pflegt bis auch er stirbt. Die Kritikerin taucht tief ein in die Innenwelten von zwei zurückgezogen lebenden Sonderlingen, bewundert wie respektvoll Ogawa die Eigensinnigkeiten ihrer Helden schildert und lässt sich gebannt von den kontemplativen Betrachtungen mitreißen. Auch mit Sabine Mangolds Übersetzung ist sie sehr zufrieden.

© Perlentaucher Medien GmbH