Fotografierende Pfarrer? Sind die was Besonderes? Bis kurz nach dem Zweiten Weltkrieg waren sie es auf jeden Fall!
Was "Der himmlische Blick" für die Nachwelt festhielt, ist jetzt im gleichnamigen Buch von Eberhard Neubronner zu bewundern. 30 Pfarrer, fast alle aus Württemberg, stehen
exemplarisch für eine Gruppe von Fotografen, die sich engagiert einer neuen Technik und vor allem den "gemeinen…mehrFotografierende Pfarrer? Sind die was Besonderes? Bis kurz nach dem Zweiten Weltkrieg waren sie es auf jeden Fall!
Was "Der himmlische Blick" für die Nachwelt festhielt, ist jetzt im gleichnamigen Buch von Eberhard Neubronner zu bewundern. 30 Pfarrer, fast alle aus Württemberg, stehen exemplarisch für eine Gruppe von Fotografen, die sich engagiert einer neuen Technik und vor allem den "gemeinen Leuten" widmete.
Zwischen 1890 und 1960 war Fotografieren exotisch, teuer und bei der Landbevölkerung nicht selten als lasterhafter Müßiggang verpönt. Doch weil die knipsenden Kirchenmänner nicht nur Authoritätspersonen sondern fast immer auch die einzigen im Dorf waren, die eine Kamera besaßen, duldeten die fleißigen Gemeindemitglieder ständige Beobachtungen durchs Objektiv und standen manchmal sogar lange Minuten regungslos Modell.
Obwohl die Kleriker den Fokus auf scheinbar banale alltägliche Ereignisse legten - die Heu- und Apfelernte zum Beispiel, Kinderbetreuung, Küchenarbeit oder Kaffeekränzle - leisteten sie einen wertvollen Beitrag für landesgeschichtliche Archive: "Gute Aufnahmen aus dem Arbeits- und aus dem Volksleben sind sehr selten", zitiert der Autor den damaligen Kurator des Landesamts für Denkmalpflege August Lämmle, ein waschechter Nationalsozialist, der gerne mit den fotografierenden Pfarrern zusammen arbeitete und den einen oder anderen nachweislich in schwere Gewissenskonflikte brachte.
Immerhin: "Volkskunde war eine Pseudowissenschaft, die vom Schreibtisch aus betrieben wurde. Ihre Protagonisten vergaben kleinere Aufträge für Dokumentationen, Feldrecherchen und fotografische Studien an Gewährsleute, also interessierte Laien, unter ihnen vorwiegend Pastoren, Lehrer und sonstige Honoratioren", weiß Eberhard Neubronner. Vor diesem Hintergrund kommt den anfänglich schwarz-weißen, später auch farbigen Fotografien eine herausragende Bedeutung zu - wer heute aufs Land fährt, kann innerhalb von Minuten hunderte von Aufnahmen auf Speicherkarte bannen, "damals" waren Fotoabzüge im Grunde reiner Luxus.
"Ohne die fotografierenden Pastoren wäre die Fotogeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts um viele Schätze aus der ländlichen Kultur und der bäuerlichen Lebensweise ärmer", so Ulrich Hägele im Vorwort. Es sind zudem reizvolle Zeugnisse aus Jahren des Kulturwandels: die viel zitierte gute alte Zeit wich immer mehr den Errungenschaften der Wirtschaftswunderjahre - statt Satgut mit der Hand auszubringen, wurden immer öfter Sämaschinen eingesetzt, Traktoren verdrängten langsam aber flächendeckend das Ochsengespann vor Pflug und Güllefass.
Lange Zeit vergessen, sind die Fotografien der Pfarrer heute wertvolles visuelles Erbe und deren Biografien geben zusätzlich spannende Einblicke in eine Vergangenheit, die Lichtjahre zurück zu liegen scheint. Trotzdem oder gerade deshalb steigt das Interesse an solchen Zeitzeugnissen.
"Der himmlische Blick" begeistert - mit heutzutage sehr außergewöhnlichen Aufnahmen, mit charmanten, humoristisch bis denkwürdigen Anekdoten und liebevoller Ausstattung