"Abate schreibt nicht, er bezaubert die Leser mit seinem Gesang." (Famiglia Cristiana)
Weithin leuchten die roten Matten des Rossarco, wenn im Frühling der Süßklee blüht und der Wind seinen Duft bis hinunter zum Meer trägt. Ein Paradies auf Erden, Schicksalsort der Bauernfamilie Arcuri, den sie mutig und stur verteidigen: Albertos Sohn Arturo gegen den Großgrundbesitzer Don Lico, der ihn später als faschistischer Podestà in die Verbannung schickt. Seine Frau Lina, die, allein mit zwei Kindern, das Land weiter bewirtschaftet und getreu dem Familienschwur keine Handbreit davon preisgibt. Ihr Sohn Michelangelo, schließlich, wird es mit der Mafia zu tun bekommen, bis er sich gezwungen sieht, sein Kind bei den Turiner Großeltern in Sicherheit zu bringen. Doch auch dieser jüngste Spross der Familie folgt immer wieder dem Ruf des Rossarco, bis er in einer stürmischen Gewitternacht, allein mit seinem Vater in der alten Steinhütte, das Geheimnis lüftet, das der Hügel seit Generationen bewacht.
Als einer der wichtigsten zeitgenössischen Autoren Italiens legt Abate hier sein preisgekröntes Meisterwerk vor: die Geschichte einer Familie und eines Jahrhunderts, die auch der Frage nachgeht, wie wir Vergangenheit und Zukunft miteinander versöhnen können.
"Man schlägt das Buch zu, doch in sich trägt man unauslöschlich seine Farben, seine Gerüche und Aromen, die ebenso intensiv sind wie die Leidenschaften, Kämpfe, Enttäuschungen und Hoffnungen derer, die dieses Land bewohnen und darin ihr Schicksal finden." (l'Adige)
Gewinner des Premio Campiello 2012
Weithin leuchten die roten Matten des Rossarco, wenn im Frühling der Süßklee blüht und der Wind seinen Duft bis hinunter zum Meer trägt. Ein Paradies auf Erden, Schicksalsort der Bauernfamilie Arcuri, den sie mutig und stur verteidigen: Albertos Sohn Arturo gegen den Großgrundbesitzer Don Lico, der ihn später als faschistischer Podestà in die Verbannung schickt. Seine Frau Lina, die, allein mit zwei Kindern, das Land weiter bewirtschaftet und getreu dem Familienschwur keine Handbreit davon preisgibt. Ihr Sohn Michelangelo, schließlich, wird es mit der Mafia zu tun bekommen, bis er sich gezwungen sieht, sein Kind bei den Turiner Großeltern in Sicherheit zu bringen. Doch auch dieser jüngste Spross der Familie folgt immer wieder dem Ruf des Rossarco, bis er in einer stürmischen Gewitternacht, allein mit seinem Vater in der alten Steinhütte, das Geheimnis lüftet, das der Hügel seit Generationen bewacht.
Als einer der wichtigsten zeitgenössischen Autoren Italiens legt Abate hier sein preisgekröntes Meisterwerk vor: die Geschichte einer Familie und eines Jahrhunderts, die auch der Frage nachgeht, wie wir Vergangenheit und Zukunft miteinander versöhnen können.
"Man schlägt das Buch zu, doch in sich trägt man unauslöschlich seine Farben, seine Gerüche und Aromen, die ebenso intensiv sind wie die Leidenschaften, Kämpfe, Enttäuschungen und Hoffnungen derer, die dieses Land bewohnen und darin ihr Schicksal finden." (l'Adige)
Gewinner des Premio Campiello 2012
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.09.2013Hart, aber unbedingt herzlich
Und ewig lockt der Süßklee: Carmine Abate erzählt in seinem neuen Roman "Der Hügel des Windes" vom Bauernschicksal in Kalabrien.
Süßklee ist eine Zier- und Futterpflanze, deren rote Blüten dem Hügel in Carmine Abates Roman den Namen geben: Rossarco. Windumtost, mit eher undankbarem Boden pressen die Arturis diesem Berg in Kalabrien über drei Generationen hinweg bestes Olivenöl, Wein, Obst und andere Früchte ab; in der vierten Generation, der des Ich-Erzählers Rino, ist dann zwar die Loslösung von Landwirtschaft und Süditalien vollzogen, von Abnabelung kann indes keine Rede sein: Wenn Rino, mittlerweile Lehrer im Trentino, das seinem Vater gegebene Versprechen einlöst, die Geschichte der Familie zu erzählen, baumelt er immer noch an der "Nabelschnur zur Welt von früher", die - im Gegensatz zu seiner Behauptung - nicht "durch die Zeit und die Distanz unwiederbringlich gekappt" war. Damit beginnen literarisch die Probleme, die noch dadurch verstärkt werden, dass Rino deutlich autobiographisch grundiert ist: Auch Abate kommt aus Kalabrien, lebt heute im Trentino - und hat seinem Vater ein diesbezügliches Versprechen gegeben.
Abate selbst hat in einer kurzen Notiz zur Entstehung des Romans auf seinen vorurteilsfreien Blick hingewiesen, der es ihm ermögliche, aus der beschworenen Distanz heraus nicht nur die negativen, sondern auch die positiven Seiten einer Gegend zu erfassen. An dieser Stelle sei zu dem in Italien bestehenden Konflikt zwischen Norden und Süden angemerkt, dass der Begriff "Terrone" ("Erdfresser") in der Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts pejorativ für Menschen aus dem Süden angewendet wurde; der im Jahr 1954 geborene Abate dürfte in seiner Kindheit alle Facetten dieser Diskriminierung kennengelernt haben. Wenn er also eine Lanze für den Süden brechen will, ist das - gerade auch vor dem Hintergrund immer wieder zu hörender kruder Ansichten insbesondere der Lega Nord - ein mehr als verdienstvolles Anliegen. Allein, die gute Absicht ist kein Garant für gute Literatur.
Der berühmte erste Satz in Tolstois "Anna Karenina" hält nicht von ungefähr die Einsicht fest, das Leben glücklicher Familien gleiche sich, erst durch ihr Unglück unterschieden sie sich. Wenn Abate nun den Alltag der Familie Arturi beschreibt, die auf ihrem Hügel abseits vom Dorf und gleichsam aus der Geschichte ausgeklinkt die Felder bestellt, zeichnet er ein durch und durch harmonisches Bild, selbst wenn der Großgrundbesitzer Don Lico, Archäologen, die Touristikbranche und Windradbetreiber immer wieder begehrlich ihre Hände nach dem Hügel ausstrecken. Dass die Kinder in der dritten Generation studieren, ist kein Problem, nicht einmal bei der Tochter. Und wenn Rinos Mutter, eine Archäologin, über lange Zeit des Jahres abwesend ist, hält der Sohn fest: "Vielleicht aus einem Selbsterhaltungstrieb heraus ließ ich nur die schönen Bilder an mich heran und rahmte sie mir ein, um sie nicht zu vergessen."
Im Ersten Weltkrieg fallen zwei Söhne, unter Mussolini wird einer in die Verbannung geschickt - trotzdem baut Abate unverdrossen eine La-Paloma-Sonnenschein-Welt auf, die beispielsweise den Nord-Süd-Konflikt nicht kennt. Hart, aber herzlich ist die Devise. Ob jemandem ein solch glattgeschliffenes Leben zu wünschen ist, bleibt fraglich. Nach diesem Prinzip konzipierte Literatur ist es wohl nicht. Schon gar nicht, wenn noch nicht einmal der leitmotivisch beschworene "Duft des Hügels" sprachlich und sinnlich erzeugt wird, was im Übrigen kein Problem der Übersetzung ist.
Richtig ärgerlich wird es jedoch, wenn am Ende mit einer Volte behauptet wird, "Familiengeheimnisse" hätten ihre Schatten auf die Geschichte geworfen. Bei diesem "Geheimnis" handelt es sich um zwei Tote in der Urgroßelterngeneration. Rino erfährt von ihnen erst ganz am Ende der Geschichte von seinem Vater, bis dahin wusste er rein gar nichts davon - meint aber, er habe "unterbewusst alles in meinem Innern bewahrt". Offenbar gibt es ein bislang unentdecktes Erinnerungsgen ... So erzählt er gleichsam gesprächstherapeutisch die rückwirkend geradezu fluchtartige Geschichte vom "Hügel des Windes", denn: "Die Wahrheit ist, dass Orte absolute Treue fordern", und "Wenn du sie verrätst, übergeben sie die Geschichte dem Wind, in dem sicheren Wissen, dass sie dich überall erreichen wird, selbst am Ende der Welt".
Damit geht die Enthistorisierung vollends mit individueller Entmündigung einher - auch wenn Abate für den Roman 2012 den Premio Campiello gewonnen hat.
CHRISTIANE PÖHLMANN
Carmine Abate: "Der Hügel des Windes". Roman.
Aus dem Italienischen von Esther Hansen. Aufbau Verlag, Berlin 2013. 314 S., geb., 19,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Und ewig lockt der Süßklee: Carmine Abate erzählt in seinem neuen Roman "Der Hügel des Windes" vom Bauernschicksal in Kalabrien.
Süßklee ist eine Zier- und Futterpflanze, deren rote Blüten dem Hügel in Carmine Abates Roman den Namen geben: Rossarco. Windumtost, mit eher undankbarem Boden pressen die Arturis diesem Berg in Kalabrien über drei Generationen hinweg bestes Olivenöl, Wein, Obst und andere Früchte ab; in der vierten Generation, der des Ich-Erzählers Rino, ist dann zwar die Loslösung von Landwirtschaft und Süditalien vollzogen, von Abnabelung kann indes keine Rede sein: Wenn Rino, mittlerweile Lehrer im Trentino, das seinem Vater gegebene Versprechen einlöst, die Geschichte der Familie zu erzählen, baumelt er immer noch an der "Nabelschnur zur Welt von früher", die - im Gegensatz zu seiner Behauptung - nicht "durch die Zeit und die Distanz unwiederbringlich gekappt" war. Damit beginnen literarisch die Probleme, die noch dadurch verstärkt werden, dass Rino deutlich autobiographisch grundiert ist: Auch Abate kommt aus Kalabrien, lebt heute im Trentino - und hat seinem Vater ein diesbezügliches Versprechen gegeben.
Abate selbst hat in einer kurzen Notiz zur Entstehung des Romans auf seinen vorurteilsfreien Blick hingewiesen, der es ihm ermögliche, aus der beschworenen Distanz heraus nicht nur die negativen, sondern auch die positiven Seiten einer Gegend zu erfassen. An dieser Stelle sei zu dem in Italien bestehenden Konflikt zwischen Norden und Süden angemerkt, dass der Begriff "Terrone" ("Erdfresser") in der Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts pejorativ für Menschen aus dem Süden angewendet wurde; der im Jahr 1954 geborene Abate dürfte in seiner Kindheit alle Facetten dieser Diskriminierung kennengelernt haben. Wenn er also eine Lanze für den Süden brechen will, ist das - gerade auch vor dem Hintergrund immer wieder zu hörender kruder Ansichten insbesondere der Lega Nord - ein mehr als verdienstvolles Anliegen. Allein, die gute Absicht ist kein Garant für gute Literatur.
Der berühmte erste Satz in Tolstois "Anna Karenina" hält nicht von ungefähr die Einsicht fest, das Leben glücklicher Familien gleiche sich, erst durch ihr Unglück unterschieden sie sich. Wenn Abate nun den Alltag der Familie Arturi beschreibt, die auf ihrem Hügel abseits vom Dorf und gleichsam aus der Geschichte ausgeklinkt die Felder bestellt, zeichnet er ein durch und durch harmonisches Bild, selbst wenn der Großgrundbesitzer Don Lico, Archäologen, die Touristikbranche und Windradbetreiber immer wieder begehrlich ihre Hände nach dem Hügel ausstrecken. Dass die Kinder in der dritten Generation studieren, ist kein Problem, nicht einmal bei der Tochter. Und wenn Rinos Mutter, eine Archäologin, über lange Zeit des Jahres abwesend ist, hält der Sohn fest: "Vielleicht aus einem Selbsterhaltungstrieb heraus ließ ich nur die schönen Bilder an mich heran und rahmte sie mir ein, um sie nicht zu vergessen."
Im Ersten Weltkrieg fallen zwei Söhne, unter Mussolini wird einer in die Verbannung geschickt - trotzdem baut Abate unverdrossen eine La-Paloma-Sonnenschein-Welt auf, die beispielsweise den Nord-Süd-Konflikt nicht kennt. Hart, aber herzlich ist die Devise. Ob jemandem ein solch glattgeschliffenes Leben zu wünschen ist, bleibt fraglich. Nach diesem Prinzip konzipierte Literatur ist es wohl nicht. Schon gar nicht, wenn noch nicht einmal der leitmotivisch beschworene "Duft des Hügels" sprachlich und sinnlich erzeugt wird, was im Übrigen kein Problem der Übersetzung ist.
Richtig ärgerlich wird es jedoch, wenn am Ende mit einer Volte behauptet wird, "Familiengeheimnisse" hätten ihre Schatten auf die Geschichte geworfen. Bei diesem "Geheimnis" handelt es sich um zwei Tote in der Urgroßelterngeneration. Rino erfährt von ihnen erst ganz am Ende der Geschichte von seinem Vater, bis dahin wusste er rein gar nichts davon - meint aber, er habe "unterbewusst alles in meinem Innern bewahrt". Offenbar gibt es ein bislang unentdecktes Erinnerungsgen ... So erzählt er gleichsam gesprächstherapeutisch die rückwirkend geradezu fluchtartige Geschichte vom "Hügel des Windes", denn: "Die Wahrheit ist, dass Orte absolute Treue fordern", und "Wenn du sie verrätst, übergeben sie die Geschichte dem Wind, in dem sicheren Wissen, dass sie dich überall erreichen wird, selbst am Ende der Welt".
Damit geht die Enthistorisierung vollends mit individueller Entmündigung einher - auch wenn Abate für den Roman 2012 den Premio Campiello gewonnen hat.
CHRISTIANE PÖHLMANN
Carmine Abate: "Der Hügel des Windes". Roman.
Aus dem Italienischen von Esther Hansen. Aufbau Verlag, Berlin 2013. 314 S., geb., 19,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Christiane Pöhlmann erkennt das Verdienst des Autors, mit diesem autobiografischen Roman eine Lanze für seine Heimat, den seit jeher benachteiligten italienischen Süden, zu brechen, durchaus an. Gute Literatur ergibt das noch nicht. Pöhlmann kritisiert das allzu harmonische, den Nord-Süd-Konflikt komplett ausblendende ahistorische Bild des Landlebens, das Carmine Abate hier zeichnet. Dass der Autor seine "Sonnenschein-Welt" sprachlich und sinnlich noch nicht einmal befriedigend abzubilden versteht, ist für sie ein weiterer Mangel.
© Perlentaucher Medien GmbH
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