Ein Leben ohne Hund ist möglich, aber sinnlos.
»Der Hund ist ein Phänomen. Etwas so Einzigartiges, dass man ihn nicht hätte erfinden können.« Hat er sich also selbst erfunden, als er sich vor Tausenden von Jahren als freier Wolf den sesshaft gewordenen Menschen genähert und angeschlossen, sich also gleichsam selbst domestiziert hat? Was war der Grund dafür, dass er bald als Begleiter bei der Jagd geschätzt und schließlich zu dem Haustier wurde, das uns heute näher ist als jedes andere Tier? Sein ausgeprägtes Sozialverhalten und seine hohe Bereitschaft zur Kooperation? Josef H. Reichholf widmet sich mit Wissen und Herzblut einer der ältesten Beziehungen der Evolution: der beispiellosen Freundschaft zwischen Hund und Mensch.
»Der Hund ist ein Phänomen. Etwas so Einzigartiges, dass man ihn nicht hätte erfinden können.« Hat er sich also selbst erfunden, als er sich vor Tausenden von Jahren als freier Wolf den sesshaft gewordenen Menschen genähert und angeschlossen, sich also gleichsam selbst domestiziert hat? Was war der Grund dafür, dass er bald als Begleiter bei der Jagd geschätzt und schließlich zu dem Haustier wurde, das uns heute näher ist als jedes andere Tier? Sein ausgeprägtes Sozialverhalten und seine hohe Bereitschaft zur Kooperation? Josef H. Reichholf widmet sich mit Wissen und Herzblut einer der ältesten Beziehungen der Evolution: der beispiellosen Freundschaft zwischen Hund und Mensch.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensent Kurt Kotrschal ist geteilter Ansicht über das Buch von Josef H. Reichholf über die Beziehung zwischen Mensch und Hund. Einerseits gefällt ihm die Aufteilung in einen persönlich empirischen Teil, in dem Reicholf von seinem eigenen Hund berichtet, und einen entwicklungsgeschichtlichen Teil. Andererseits fehlen ihm im ersten Teil harte Argumente und im zweiten eine klare Positionierung des Autors im wissenschaftlichen Disput um die Hundwerdung. Die Behandlung der Forschungsliteratur im Buch findet Kotrschal zudem etwas einseitig im Sinne des Autors. Den Ton des Buches nennt er "altbacken".
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.01.2021Als die Wölfe unsere Nähe suchten
Josef H. Reichholf fragt, wie sich der Hund an der Seite des Menschen entwickelte
In seinem Buch erläutert Josef Reichholf, wie vor gut dreißigtausend Jahren Wolf und Mensch zusammengekommen sein mögen und wie daraus Hunde entstanden. Ein bedeutendes Thema, denn Hunde wurden zu den wichtigsten Kumpantieren des Menschen. Die zwei Teile des Buchs handeln von persönlichen Erfahrungen mit dem Reichholf'schen Familienhund Branko und der skizzenhaft dargelegten Entwicklung des Hundes. Ersteres ist charmant zu lesen, wenn auch etwas breit ausgewalzt und argumentativ eher schwach gewürzt. Dies kann man von den umfassenden und oft überraschenden Szenarien der frühen Beziehung zwischen Mensch, Wolf und Hund nicht behaupten. Der Autor konsultiert wissenschaftliche Untersuchungen und formt daraus, flankiert von seinem biologischen Wissen, eine spannende Geschichte.
Reichholf prüft die gängigen Hypothesen zur Hundwerdung und vertritt eine starke Meinung. Er schließt Kooperation und gemeinsame Jagd - wie etwa von der amerikanischen Anthropologin Pat Shipman vertreten - als Grund für die frühe Wolf-Mensch-Allianz aus und entscheidet sich für das Konzept der "Selbstdomestikation". Die Wölfe hätten sich nach und nach den Menschen angeschlossen, weil diese interessante Ressourcen boten; schließlich habe die damit verbundene "Selektion auf Zahmheit" über viele Generationen zwangsläufig in Richtung Hund geführt. Heute ist aber klar, dass ohne Handaufzucht der Wölfe ein Zusammenleben nicht möglich gewesen wäre und dass die verschiedenen Hypothesen einander nicht ausschließen. Im wissenschaftlichen Lagerstreit reift die Einsicht, dass viele Aspekte in der Hundwerdung zusammengespielt haben mussten. Leider bleibt Reichholf beim Entweder-oder. Auch die Spiritualität als wichtiger Faktor der frühen Mensch-Wolf-Beziehung kommt bei ihm nicht vor.
Dafür suggeriert der Untertitel des Buches, dass sich das Zusammenleben mit Hunden auf die Natur des Menschen ausgewirkt hat. Es spricht tatsächlich einiges dafür, dass Menschen in den vergangenen Zehntausenden Jahren aufgrund einer immer intensiveren Kooperation sozial kompetenter wurden, also eine Art "Selbstdomestikation" durchmachten. Aber hat das mit Wölfen oder Hunden zu tun? Die Idee, dass es das Zusammenleben mit Hunden war, welches uns Menschen "domestiziert" habe, mag zwar herzerwärmend sein - belegbar ist sie nicht.
Man sollte also die Ausführungen des Autors zur Hundwerdung mit gebotener Skepsis lesen. Es scheint, als wäre seine Erfahrung mit einem einzigen "Wunderhund" doch etwas wenig, um die in der wissenschaftlichen Literatur umherschwirrenden Hypothesen zur frühen Beziehung zwischen Mensch, Wolf und Hund einzuordnen. Gleichwohl geht es Reichholf nicht bloß um eine akademische Übung, sondern um eine gut nachvollziehbare Darstellung der gemeinsamen Entwicklung von Menschen und Hunden. Immer wieder schimmert beispielsweise durch, dass der Autor Wölfe aufgrund ihrer großen Zähne für gefährlicher hält als Hunde. Nach neueren Erkenntnissen ist das falsch. Keine Marginalie, denn die Überzeugung Reichholfs, dass es Selbstdomestikation, nicht aber Kooperation bei der Jagd gewesen sein muss, beruht auf diesem alten Vorurteil der aggressiven Gefährlichkeit der Wölfe.
Neben Bernd Heinrich und wenigen anderen zählt vor allem Reichholf zu jenen Biologen, denen es gelingt, mit ihren Büchern breites Verständnis zu schaffen. Sein neues Werk ist diesbezüglich allerdings nicht sein stärkstes, was sicherlich auch der Komplexität der Materie geschuldet ist. Wie kaum ein anderes Thema wird die Hund- und Menschwerdung von einer Unzahl (oft widersprüchlicher) wissenschaftlicher Ergebnisse, Hypothesen, Ideen und Vorurteile begleitet. Forschungsliteratur wird im Buch verständlicherweise eklektisch behandelt, was aber den Eindruck hervorruft, es würden nur bestimmte Meinungen zugunsten einer gewissen Einseitigkeit zugelassen.
Dazu kommt ein altbackener Ton, etwa wenn der Autor davon schreibt, der Wolf sei in seiner Hundwerdung zum Haustier "erniedrigt" worden. Hinter dieser Formulierung lugt immer noch die längst ad acta gelegte Ansicht hervor, domestizierte Tiere seien die "degenerierte" Version einer "edlen Wildform". Heute sieht man Domestikation dagegen als Anpassung an ein Leben mit den Menschen.
Unzeitgemäß erscheint auch, dass der Autor im Zusammenhang mit der Kooperation zwischen Mensch und Hund von "Dressur" spricht. Das klingt nach barschem Umgangston und Gängelung des Hundepartners, wird aber durch die ausführlichen Schilderungen des Reichholf'schen Zusammenlebens mit dem eigenen Hund gemildert. Hunde sind aufgrund neuerer Erkenntnisse keine Reiz-Reaktions-Maschinen. Sie interagieren mit ihrer Umwelt genauso über komplexe mentale Repräsentationen, wie wir Menschen das tun. Dennoch sind unterschiedliche Ansichten zulässig und erwünscht, zumal man trotz aktueller Erkenntnisse über die frühen Ereignisse in der Hundwerdung noch lange trefflich streiten wird.
KURT KOTRSCHAL
Josef H. Reichholf:
"Der Hund und sein Mensch". Wie der Wolf sich und uns domestizierte.
Hanser Verlag, München 2020. 224 S., geb., 22,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Josef H. Reichholf fragt, wie sich der Hund an der Seite des Menschen entwickelte
In seinem Buch erläutert Josef Reichholf, wie vor gut dreißigtausend Jahren Wolf und Mensch zusammengekommen sein mögen und wie daraus Hunde entstanden. Ein bedeutendes Thema, denn Hunde wurden zu den wichtigsten Kumpantieren des Menschen. Die zwei Teile des Buchs handeln von persönlichen Erfahrungen mit dem Reichholf'schen Familienhund Branko und der skizzenhaft dargelegten Entwicklung des Hundes. Ersteres ist charmant zu lesen, wenn auch etwas breit ausgewalzt und argumentativ eher schwach gewürzt. Dies kann man von den umfassenden und oft überraschenden Szenarien der frühen Beziehung zwischen Mensch, Wolf und Hund nicht behaupten. Der Autor konsultiert wissenschaftliche Untersuchungen und formt daraus, flankiert von seinem biologischen Wissen, eine spannende Geschichte.
Reichholf prüft die gängigen Hypothesen zur Hundwerdung und vertritt eine starke Meinung. Er schließt Kooperation und gemeinsame Jagd - wie etwa von der amerikanischen Anthropologin Pat Shipman vertreten - als Grund für die frühe Wolf-Mensch-Allianz aus und entscheidet sich für das Konzept der "Selbstdomestikation". Die Wölfe hätten sich nach und nach den Menschen angeschlossen, weil diese interessante Ressourcen boten; schließlich habe die damit verbundene "Selektion auf Zahmheit" über viele Generationen zwangsläufig in Richtung Hund geführt. Heute ist aber klar, dass ohne Handaufzucht der Wölfe ein Zusammenleben nicht möglich gewesen wäre und dass die verschiedenen Hypothesen einander nicht ausschließen. Im wissenschaftlichen Lagerstreit reift die Einsicht, dass viele Aspekte in der Hundwerdung zusammengespielt haben mussten. Leider bleibt Reichholf beim Entweder-oder. Auch die Spiritualität als wichtiger Faktor der frühen Mensch-Wolf-Beziehung kommt bei ihm nicht vor.
Dafür suggeriert der Untertitel des Buches, dass sich das Zusammenleben mit Hunden auf die Natur des Menschen ausgewirkt hat. Es spricht tatsächlich einiges dafür, dass Menschen in den vergangenen Zehntausenden Jahren aufgrund einer immer intensiveren Kooperation sozial kompetenter wurden, also eine Art "Selbstdomestikation" durchmachten. Aber hat das mit Wölfen oder Hunden zu tun? Die Idee, dass es das Zusammenleben mit Hunden war, welches uns Menschen "domestiziert" habe, mag zwar herzerwärmend sein - belegbar ist sie nicht.
Man sollte also die Ausführungen des Autors zur Hundwerdung mit gebotener Skepsis lesen. Es scheint, als wäre seine Erfahrung mit einem einzigen "Wunderhund" doch etwas wenig, um die in der wissenschaftlichen Literatur umherschwirrenden Hypothesen zur frühen Beziehung zwischen Mensch, Wolf und Hund einzuordnen. Gleichwohl geht es Reichholf nicht bloß um eine akademische Übung, sondern um eine gut nachvollziehbare Darstellung der gemeinsamen Entwicklung von Menschen und Hunden. Immer wieder schimmert beispielsweise durch, dass der Autor Wölfe aufgrund ihrer großen Zähne für gefährlicher hält als Hunde. Nach neueren Erkenntnissen ist das falsch. Keine Marginalie, denn die Überzeugung Reichholfs, dass es Selbstdomestikation, nicht aber Kooperation bei der Jagd gewesen sein muss, beruht auf diesem alten Vorurteil der aggressiven Gefährlichkeit der Wölfe.
Neben Bernd Heinrich und wenigen anderen zählt vor allem Reichholf zu jenen Biologen, denen es gelingt, mit ihren Büchern breites Verständnis zu schaffen. Sein neues Werk ist diesbezüglich allerdings nicht sein stärkstes, was sicherlich auch der Komplexität der Materie geschuldet ist. Wie kaum ein anderes Thema wird die Hund- und Menschwerdung von einer Unzahl (oft widersprüchlicher) wissenschaftlicher Ergebnisse, Hypothesen, Ideen und Vorurteile begleitet. Forschungsliteratur wird im Buch verständlicherweise eklektisch behandelt, was aber den Eindruck hervorruft, es würden nur bestimmte Meinungen zugunsten einer gewissen Einseitigkeit zugelassen.
Dazu kommt ein altbackener Ton, etwa wenn der Autor davon schreibt, der Wolf sei in seiner Hundwerdung zum Haustier "erniedrigt" worden. Hinter dieser Formulierung lugt immer noch die längst ad acta gelegte Ansicht hervor, domestizierte Tiere seien die "degenerierte" Version einer "edlen Wildform". Heute sieht man Domestikation dagegen als Anpassung an ein Leben mit den Menschen.
Unzeitgemäß erscheint auch, dass der Autor im Zusammenhang mit der Kooperation zwischen Mensch und Hund von "Dressur" spricht. Das klingt nach barschem Umgangston und Gängelung des Hundepartners, wird aber durch die ausführlichen Schilderungen des Reichholf'schen Zusammenlebens mit dem eigenen Hund gemildert. Hunde sind aufgrund neuerer Erkenntnisse keine Reiz-Reaktions-Maschinen. Sie interagieren mit ihrer Umwelt genauso über komplexe mentale Repräsentationen, wie wir Menschen das tun. Dennoch sind unterschiedliche Ansichten zulässig und erwünscht, zumal man trotz aktueller Erkenntnisse über die frühen Ereignisse in der Hundwerdung noch lange trefflich streiten wird.
KURT KOTRSCHAL
Josef H. Reichholf:
"Der Hund und sein Mensch". Wie der Wolf sich und uns domestizierte.
Hanser Verlag, München 2020. 224 S., geb., 22,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Eine grandiose Evolutionsgeschichte. ... Reichholf spekuliert mit Akribie und Wonne und souverän argumentierend aus einem verehrungswürdigen Wissensfundus. ... Dass Reichholf komplexe naturwissenschaftliche Zusammenhänge behutsam und verständlich darzulegen vermag wie wenige andere Naturwissenschaftler, muss nur für Leser angemerkt werden, die diesen Schriftsteller noch nicht kennen. ... Reichholf hat ein untrügliches Gespür für Details, mit denen er Leser fassen kann. Er erzählt und argumentiert sie so plastisch aus, dass jeder sie versteht und gleichzeitig die Fachwelt kaum an ihnen vorbeikommen wird." Rudolf Neumaier, Süddeutsche Zeitung, 13.10.20
"Bereitet Vergnügen ... Nicht weil man einem belesenen Naturwissenschaftler, der seine Gedanken zu formulieren versteht, gern folgt, sondern auch wegen vieler sehr persönlicher Passagen." Günther Haller, Die Presse, 27.09.20
"Die Besonderheit des Buchs liegt in dem objektiven und doch liebevollen Blick auf die Tiere und ihrem arttypischen Verhalten. Reichholf zeigt neue Wege auf, wie der Haushund entstanden sein könnte, vor allem aber auch, was diesen ausmacht. Und - das ist dem Autor besonders wichtig - wie Hund und Mensch zum gegenseitigen Nutzen zusammenleben können." Larissa Tetsch, Spektrum der Wissenschaft, 23.09.20
"Ein Standardwerk für alle, deren Neugier auf den Hund über Hundnase und Schwanzhund hinausreicht." Denis Scheck
"Bereitet Vergnügen ... Nicht weil man einem belesenen Naturwissenschaftler, der seine Gedanken zu formulieren versteht, gern folgt, sondern auch wegen vieler sehr persönlicher Passagen." Günther Haller, Die Presse, 27.09.20
"Die Besonderheit des Buchs liegt in dem objektiven und doch liebevollen Blick auf die Tiere und ihrem arttypischen Verhalten. Reichholf zeigt neue Wege auf, wie der Haushund entstanden sein könnte, vor allem aber auch, was diesen ausmacht. Und - das ist dem Autor besonders wichtig - wie Hund und Mensch zum gegenseitigen Nutzen zusammenleben können." Larissa Tetsch, Spektrum der Wissenschaft, 23.09.20
"Ein Standardwerk für alle, deren Neugier auf den Hund über Hundnase und Schwanzhund hinausreicht." Denis Scheck