Albert, Student der Kunstgeschichte, lernt in Berlin die italienische Kellnerin Elena kennen, und glaubt, die Liebe seines Lebens gefunden zu haben. Als Elena in ihre Heimat zurückkehrt, um sich dort mit einem Kosmetiksalon selbständig zu machen, geht Albert mit. Dort aber, in einem tristen Bergarbeiterdorf, verändert sich Elena. Und Albert, der im Hinterzimmer des Salons ein eher eintöniges Dasein fristet, beginnt von Berlin zu träumen und von Klara, einer Kieler Geologiestudentin, die er am Strand kennengelernt hat...
Als Albert der schönen Elena begegnet, ist es um ihn geschehen. Ist sie die Frau seines Lebens, die er schon immer gesucht hat, und wird sie, nicht ganz frei und doch zu haben, seiner nach wochenlangem Zögern endlich vorgebrachten Einladung zu einem Spaziergang folgen?
Auf einer Parkbank im Berliner Tiergarten passiert es dann: Sie kommen sich näher, die Italienerin und der so norddeutsche Student der Kunstgeschichte, und sie werden ein Paar. Doch eines Tages bekennt Elena, zurück in ihre Heimat zu wollen, um dort den Traum von der Selbständigkeit zu realisieren. Ende des Glücks? Nein. Albert geht mit, man kann, denkt er, auch in sardischer Einsamkeit über Caravaggio forschen.
Dort aber, in Carbonia, einem tristen Bergarbeiterstädtchen, dreht sich der Wind, der die junge Liebe soeben noch entfacht hat. Aus der melancholischen Barkellnerin ist die nun beinahe lebensfrohe Besitzerin eines Kosmetikstudios geworden, und Albert, der im Hinterzimmer des Salons ein eher karges Dasein fristet, beginnt von Berlin und den blaugrünen Augen einer Kieler Geologiestudentin zu träumen, die ihm am Strand begegnet ist.
Nach einer letzten Nacht verabschieden sich Elena und Albert. Doch bevor er sie verläßt und sich auf den Weg zum Busbahnhof von Carbonia macht, versprechen sie sich ein baldiges Wiedersehen und wissen doch: Ihr beider Traum war wohl zu schön, um wahr zu werden.
Als Albert der schönen Elena begegnet, ist es um ihn geschehen. Ist sie die Frau seines Lebens, die er schon immer gesucht hat, und wird sie, nicht ganz frei und doch zu haben, seiner nach wochenlangem Zögern endlich vorgebrachten Einladung zu einem Spaziergang folgen?
Auf einer Parkbank im Berliner Tiergarten passiert es dann: Sie kommen sich näher, die Italienerin und der so norddeutsche Student der Kunstgeschichte, und sie werden ein Paar. Doch eines Tages bekennt Elena, zurück in ihre Heimat zu wollen, um dort den Traum von der Selbständigkeit zu realisieren. Ende des Glücks? Nein. Albert geht mit, man kann, denkt er, auch in sardischer Einsamkeit über Caravaggio forschen.
Dort aber, in Carbonia, einem tristen Bergarbeiterstädtchen, dreht sich der Wind, der die junge Liebe soeben noch entfacht hat. Aus der melancholischen Barkellnerin ist die nun beinahe lebensfrohe Besitzerin eines Kosmetikstudios geworden, und Albert, der im Hinterzimmer des Salons ein eher karges Dasein fristet, beginnt von Berlin und den blaugrünen Augen einer Kieler Geologiestudentin zu träumen, die ihm am Strand begegnet ist.
Nach einer letzten Nacht verabschieden sich Elena und Albert. Doch bevor er sie verläßt und sich auf den Weg zum Busbahnhof von Carbonia macht, versprechen sie sich ein baldiges Wiedersehen und wissen doch: Ihr beider Traum war wohl zu schön, um wahr zu werden.
"Ein wunderbares Buch über die Suche nach der idealen Liebe."
(KulturSPIEGEL)
Albert ist ein ungewöhnlicher Held: Das Leben des Kunstgeschichte-Studenten ist eine Ansammlung von Peinlichkeiten und Missgeschicken. So endet etwa sein Versuch, im Hörsaal einer Frau näher zu kommen, in einem hochnotpeinlichen Tumult. Überhaupt dreht sich bei Albert alles irgendwie um Frauen und das ist gleichermaßen sein Problem: Ob nun das Mädchen, dass nur Alberts Mitschüler küsst, ihn aber konsequent verschmäht, die Frau im Schwimmbad, die ihn demütigend abweist oder schließlich seine vermeintlich große Liebe, der italienischen Kellnerin Elena, der er überstürzt nach Sardinien folgt ? immer enden seine Versuche, Erlösung durch ein weibliches Wesen zu finden, in stiller Ernüchterung ... Einmal mehr beschreibt Hans-Ullrich Treichel nach seinem Erfolgsroman "Der Verlorene" mit eleganter Sprache und feiner Ironie die vergebliche Suche nach der perfekten Liebe. (www.parship.de)
(KulturSPIEGEL)
Albert ist ein ungewöhnlicher Held: Das Leben des Kunstgeschichte-Studenten ist eine Ansammlung von Peinlichkeiten und Missgeschicken. So endet etwa sein Versuch, im Hörsaal einer Frau näher zu kommen, in einem hochnotpeinlichen Tumult. Überhaupt dreht sich bei Albert alles irgendwie um Frauen und das ist gleichermaßen sein Problem: Ob nun das Mädchen, dass nur Alberts Mitschüler küsst, ihn aber konsequent verschmäht, die Frau im Schwimmbad, die ihn demütigend abweist oder schließlich seine vermeintlich große Liebe, der italienischen Kellnerin Elena, der er überstürzt nach Sardinien folgt ? immer enden seine Versuche, Erlösung durch ein weibliches Wesen zu finden, in stiller Ernüchterung ... Einmal mehr beschreibt Hans-Ullrich Treichel nach seinem Erfolgsroman "Der Verlorene" mit eleganter Sprache und feiner Ironie die vergebliche Suche nach der perfekten Liebe. (www.parship.de)
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.08.2002Anekdoten machen das Leben leichter
Und die Lektüre zur Freude: Hans-Ulrich Treichel läßt seine Figuren fröhlich scheitern
Wenn Albert einen Priester sieht, dann überkommt ihn ein nur schwer zu bändigendes Beichtbedürfnis. Er würde gerne auf die Knie fallen und alles beichten, wenn er nur wüßte, was das im einzelnen sein könnte. Er ist von Scham durchknirscht und von Versagensängsten gepeinigt, aber an handfesten Sünden hat er nichts zu bieten. Das bißchen Selbstbefriedigung im Hinterzimmer ist sogar für ihn, der die Pubertät durchlitt, ohne zu entdecken, wie man sich Linderung verschafft, nicht der Rede wert. Die Bilder der knapp bekleideten Models, an denen er einst seine frühe Neugier befriedigte, lösten sich unter seinen Fingern auf, als er verzweifelt an ihnen herumschabte, um sie zu entblößen.
Mit den Frauen, denen Albert in seinem Leben dann leibhaftig begegnet, geht es ihm ganz ähnlich: Je näher er ihnen zu kommen sucht, desto rascher verschwinden sie, und Albert bleibt, von Peinlichkeit überwältigt, immer wieder als der Depp zurück. "Cretino" nennt ihn die blitzschöne römische Polizistin, die ihn nach einer Hotelrazzia im Gefangenentransporter bewacht und seine Erektion unter der Schlafanzughose bemerkt.
Albert, Student der Kunstgeschichte in Berlin, ist die Hauptfigur in Hans-Ulrich Treichels neuem Roman "Der irdische Amor". Als Fachmann für Scham und Scheitern fügt er sich nahtlos in die Reihe Treichelscher Helden ein. Es könnte sich bei ihm durchaus um den etwas älter gewordenen Ich-Erzähler aus dem Erfolgsroman "Der Verlorene" handeln. Auch Albert stammt, wie der Autor selbst, aus kleinbürgerlichen Verhältnissen in Ostwestfalen, wo er als Sohn von Heimatvertriebenen aufwuchs. An der Leere der Fünfziger-Jahre-Kindheit, dem lastenden Familienschweigen und der emotionalen Armut aus "Der Verlorene" knüpft Treichel in "Der irdische Amor" an. Er verlängert den Beobachtungszeitraum über die westfälische Pubertät hinaus nach West-Berlin und nach Italien - Orte und Lebensabschnitte, die er bereits in seinen Erzählungsbänden "Heimatkunde" und "Von Leib und Seele" vorstellte. Das anekdotische Erzählen, bittere Selbstironie und Sinn für witzige Pointen, die bereits die Erzählungen auszeichnete, hat Treichel seither weiter perfektioniert und in die Romanform hinübergerettet.
In seinem neuen Buch bedarf er der Ironie mit existentieller Dringlichkeit, denn das Thema ist heikel und recht intim: Es geht um die sexuelle Biographie, die sich aus einer ostwestfälischen Kindheit ergibt. Oder vielmehr: die sich daraus eben nicht ergibt oder die sich in einer Form ergibt, in der sie für alle Beteiligten ungenießbar wird.
Alberts Erwachsenwerdung geschieht zu einer Zeit, als man sich über die Funktion des Orgasmus noch bei Wilhelm Reich kundig machte. Sexuelle Libertinage war da mit wissenschaftlichem Vokabular derartig neutralisiert, daß auch dem Verklemmtesten die Lektüre ohne Erröten möglich war. Einzig Alberts Mutter schämt sich, als sie das Buch bei ihrem Sohn entdeckt. Und der Vater, der ansonsten eher selten spricht, bezeichnet es als "Dreck", der ihm nicht ins Haus komme. Für Albert aber ist der Wissenschaftsjargon, den der Germanist Treichel mit Lust und Laune parodiert, eine Möglichkeit, Unaussprechliches auszusprechen. Die Referate des Kunstgeschichtlers sind für ihn in erster Linie Abhärtungsübungen, in denen es darum geht, Worte wie "unerheblicher Penis" oder "Anus-Vulva-Achse" vor dem Auditorium zu erproben.
Auf die trostlose ostwestfälische Vergangenheit, in der es immer die Klassenkameraden waren, die bei Mädchen Erfolg hatten und niemals Albert, folgt eine West-Berliner Gegenwart mit verzweifelten sexuellen Bewährungsversuchen und schließlich Italien als Koordinate der Zukunft, der Hoffnung und der Utopie. Für den Kunstgeschichtler, der an seiner Examensarbeit über Caravaggio laboriert, ist Italien notwendige Arbeits- und Forschungsgrundlage. Für den Liebenden, der der schweigsamen Kellnerin Elena in ihre Heimat folgt, ist es das Sehnsuchtsland der Sexualität. Statt in Rom oder in Neapel landet er aber bloß auf der Insel Sardinien und dort in einem lausigen Kaff, in dem Elena einen Kosmetiksalon betreibt. Während die Geliebte die Brüste sardischer Frauen enthaart, versucht Albert, sich auf seine Studientexte zu konzentrieren. Die Diskrepanz zwischen Wunsch und Wirklichkeit könnte kaum größer sein als hier, wo das Drama einer unbegreiflichen Partnerschaft als Farce verklingt.
Treichel erzählt diese Geschichte in einer schnörkellosen, klaren Sprache, in der Alberts widersprüchliche Empfindungen hart aufeinanderprallen. Bewundernswert, mit welcher Eleganz Treichel die einzelnen Episoden verknüpft und dabei den großen Bogen einer bundesdeutschen Biographie entstehen läßt. Schreibend verwandelt er das Demütigungspotential eines Lebens in eine heitere, tragische Anekdotenfolge. Die Transformation von Sinn in Stil gibt Treichel denn auch als Beweggrund seines Schreibens an. Als "Entlastungsgeschenk" bezeichnet er diesen Prozeß, der dem Schreibenden erlaubt, sich von sich selbst zu befreien. In einer doppelten Bewegung von Selbstannäherung und Entfremdung transformiert er das provisorische Leben in gelungenen Text.
Schreiben ist damit ein therapeutisches Verfahren. Als Bewältigungsmittel dient ein sublimer Humor, der es erlaubt, Leiderfahrungen ins Komische zu mildern und die Tragik des Geschehens durch Sarkasmus und Ironie zu brechen. Aus dieser distanzierten Erzählhaltung heraus gewinnen Treichels scheiternde Helden mit ihren neurotischen Deformationen in all ihrer hilflosen Verklemmtheit schließlich doch noch Stärke und Souveränität. Es ist das Erzählen selbst, das sie über die Niederungen des bloßen Erduldens hinaushebt. In dem in der Ich-Form erzählten Roman "Der Verlorene" war das noch stärker zu spüren. Für den "irdischen Amor" hat Treichel die Perspektive eines allwissenden Erzählers gewählt, als müsse er die Figur des Albert noch ein bißchen weiter von sich weghalten, weil sie ihm sonst zu nahe käme. Das bringt die Gefahr mit sich, daß der Erzähler allzu souverän agiert. Der Humor legt sich gelegentlich etwas zu versöhnlich über die Abgründe der Psyche, so daß Alberts erotische Mißgeschicke irgendwann bloß noch lustig sind. Im Kontext einer deutschen Gegenwartsliteratur, in der Humor immer noch eine Seltenheit ist, sollte man dem Autor daraus allerdings keinen Vorwurf machen.
Hans-Ulrich Treichel: "Der irdische Amor". Roman. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2002. 256 S., geb., 19,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Und die Lektüre zur Freude: Hans-Ulrich Treichel läßt seine Figuren fröhlich scheitern
Wenn Albert einen Priester sieht, dann überkommt ihn ein nur schwer zu bändigendes Beichtbedürfnis. Er würde gerne auf die Knie fallen und alles beichten, wenn er nur wüßte, was das im einzelnen sein könnte. Er ist von Scham durchknirscht und von Versagensängsten gepeinigt, aber an handfesten Sünden hat er nichts zu bieten. Das bißchen Selbstbefriedigung im Hinterzimmer ist sogar für ihn, der die Pubertät durchlitt, ohne zu entdecken, wie man sich Linderung verschafft, nicht der Rede wert. Die Bilder der knapp bekleideten Models, an denen er einst seine frühe Neugier befriedigte, lösten sich unter seinen Fingern auf, als er verzweifelt an ihnen herumschabte, um sie zu entblößen.
Mit den Frauen, denen Albert in seinem Leben dann leibhaftig begegnet, geht es ihm ganz ähnlich: Je näher er ihnen zu kommen sucht, desto rascher verschwinden sie, und Albert bleibt, von Peinlichkeit überwältigt, immer wieder als der Depp zurück. "Cretino" nennt ihn die blitzschöne römische Polizistin, die ihn nach einer Hotelrazzia im Gefangenentransporter bewacht und seine Erektion unter der Schlafanzughose bemerkt.
Albert, Student der Kunstgeschichte in Berlin, ist die Hauptfigur in Hans-Ulrich Treichels neuem Roman "Der irdische Amor". Als Fachmann für Scham und Scheitern fügt er sich nahtlos in die Reihe Treichelscher Helden ein. Es könnte sich bei ihm durchaus um den etwas älter gewordenen Ich-Erzähler aus dem Erfolgsroman "Der Verlorene" handeln. Auch Albert stammt, wie der Autor selbst, aus kleinbürgerlichen Verhältnissen in Ostwestfalen, wo er als Sohn von Heimatvertriebenen aufwuchs. An der Leere der Fünfziger-Jahre-Kindheit, dem lastenden Familienschweigen und der emotionalen Armut aus "Der Verlorene" knüpft Treichel in "Der irdische Amor" an. Er verlängert den Beobachtungszeitraum über die westfälische Pubertät hinaus nach West-Berlin und nach Italien - Orte und Lebensabschnitte, die er bereits in seinen Erzählungsbänden "Heimatkunde" und "Von Leib und Seele" vorstellte. Das anekdotische Erzählen, bittere Selbstironie und Sinn für witzige Pointen, die bereits die Erzählungen auszeichnete, hat Treichel seither weiter perfektioniert und in die Romanform hinübergerettet.
In seinem neuen Buch bedarf er der Ironie mit existentieller Dringlichkeit, denn das Thema ist heikel und recht intim: Es geht um die sexuelle Biographie, die sich aus einer ostwestfälischen Kindheit ergibt. Oder vielmehr: die sich daraus eben nicht ergibt oder die sich in einer Form ergibt, in der sie für alle Beteiligten ungenießbar wird.
Alberts Erwachsenwerdung geschieht zu einer Zeit, als man sich über die Funktion des Orgasmus noch bei Wilhelm Reich kundig machte. Sexuelle Libertinage war da mit wissenschaftlichem Vokabular derartig neutralisiert, daß auch dem Verklemmtesten die Lektüre ohne Erröten möglich war. Einzig Alberts Mutter schämt sich, als sie das Buch bei ihrem Sohn entdeckt. Und der Vater, der ansonsten eher selten spricht, bezeichnet es als "Dreck", der ihm nicht ins Haus komme. Für Albert aber ist der Wissenschaftsjargon, den der Germanist Treichel mit Lust und Laune parodiert, eine Möglichkeit, Unaussprechliches auszusprechen. Die Referate des Kunstgeschichtlers sind für ihn in erster Linie Abhärtungsübungen, in denen es darum geht, Worte wie "unerheblicher Penis" oder "Anus-Vulva-Achse" vor dem Auditorium zu erproben.
Auf die trostlose ostwestfälische Vergangenheit, in der es immer die Klassenkameraden waren, die bei Mädchen Erfolg hatten und niemals Albert, folgt eine West-Berliner Gegenwart mit verzweifelten sexuellen Bewährungsversuchen und schließlich Italien als Koordinate der Zukunft, der Hoffnung und der Utopie. Für den Kunstgeschichtler, der an seiner Examensarbeit über Caravaggio laboriert, ist Italien notwendige Arbeits- und Forschungsgrundlage. Für den Liebenden, der der schweigsamen Kellnerin Elena in ihre Heimat folgt, ist es das Sehnsuchtsland der Sexualität. Statt in Rom oder in Neapel landet er aber bloß auf der Insel Sardinien und dort in einem lausigen Kaff, in dem Elena einen Kosmetiksalon betreibt. Während die Geliebte die Brüste sardischer Frauen enthaart, versucht Albert, sich auf seine Studientexte zu konzentrieren. Die Diskrepanz zwischen Wunsch und Wirklichkeit könnte kaum größer sein als hier, wo das Drama einer unbegreiflichen Partnerschaft als Farce verklingt.
Treichel erzählt diese Geschichte in einer schnörkellosen, klaren Sprache, in der Alberts widersprüchliche Empfindungen hart aufeinanderprallen. Bewundernswert, mit welcher Eleganz Treichel die einzelnen Episoden verknüpft und dabei den großen Bogen einer bundesdeutschen Biographie entstehen läßt. Schreibend verwandelt er das Demütigungspotential eines Lebens in eine heitere, tragische Anekdotenfolge. Die Transformation von Sinn in Stil gibt Treichel denn auch als Beweggrund seines Schreibens an. Als "Entlastungsgeschenk" bezeichnet er diesen Prozeß, der dem Schreibenden erlaubt, sich von sich selbst zu befreien. In einer doppelten Bewegung von Selbstannäherung und Entfremdung transformiert er das provisorische Leben in gelungenen Text.
Schreiben ist damit ein therapeutisches Verfahren. Als Bewältigungsmittel dient ein sublimer Humor, der es erlaubt, Leiderfahrungen ins Komische zu mildern und die Tragik des Geschehens durch Sarkasmus und Ironie zu brechen. Aus dieser distanzierten Erzählhaltung heraus gewinnen Treichels scheiternde Helden mit ihren neurotischen Deformationen in all ihrer hilflosen Verklemmtheit schließlich doch noch Stärke und Souveränität. Es ist das Erzählen selbst, das sie über die Niederungen des bloßen Erduldens hinaushebt. In dem in der Ich-Form erzählten Roman "Der Verlorene" war das noch stärker zu spüren. Für den "irdischen Amor" hat Treichel die Perspektive eines allwissenden Erzählers gewählt, als müsse er die Figur des Albert noch ein bißchen weiter von sich weghalten, weil sie ihm sonst zu nahe käme. Das bringt die Gefahr mit sich, daß der Erzähler allzu souverän agiert. Der Humor legt sich gelegentlich etwas zu versöhnlich über die Abgründe der Psyche, so daß Alberts erotische Mißgeschicke irgendwann bloß noch lustig sind. Im Kontext einer deutschen Gegenwartsliteratur, in der Humor immer noch eine Seltenheit ist, sollte man dem Autor daraus allerdings keinen Vorwurf machen.
Hans-Ulrich Treichel: "Der irdische Amor". Roman. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2002. 256 S., geb., 19,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 06.08.2002Wenn du bedürftig bist, sinken deine Chancen
In „Der irdische Amor” lässt Hans-Ulrich Treichel seinen Antihelden ein kratzfreies Körpergefühl suchen
Im akademischen Betrieb gelten Kunsthistoriker als harmlos, ein wenig weltfremd und in hohem Maße beneidenswert, weil sie jederzeit einen Vorwand finden können, um ihr Studieren oder Forschen für eine Weile nach Italien zu verlegen. Hans-Ulrich Treichel weiß noch einiges mehr über die Spezies und ihre Neigungen. In seinem Roman „Der irdische Amor” befassen sich Kunsthistoriker vorzugsweise mit wandernden Vaginen, dem erigierten Penis des Jesuskindes oder der sogenannten Vulvaverschiebung, dem ikonographischen Zusammenhang zwischen der Seitenwunde des Gekreuzigten und der weiblichen Scham. „Der Mensch muss einen Körper haben”, sagt ein gewisser Professor Delbrück mehr als einmal in entschiedenem Ton. Kein Wunder, dass in diesen Kreisen Caravaggio als Forschungsgegenstand so beliebt ist.
Auch Albert, ein von spätpubertärem Ganzkörperjuckreiz geplagter Berliner Student, plant eine Magisterarbeit über die leibfreundliche Malerei des Michelangelo Merisio, genauer gesagt über dessen „Amore vincitore”, dem er in der Gemäldegalerie Dahlem schon so manchen Besuch abgestattet hat: „Das, was ihn an dem Knaben von Anfang an vor allem fasziniert hatte, war dessen körperliche Unbefangenheit. Der Amor machte ihm vor, wie man sich in seiner nackten Knabenhaut auch fühlen konnte: beneidenswert unbekümmert und selbstsicher.”
Ansonsten gilt Alberts Interesse nicht etwa Jünglingen, sondern Frauen, die er wegen seines befangenen, ja verklemmten Auftretens freilich nur selten für sich gewinnen kann. Gescheitert ist auch sein Projekt, das Studium in Rom fortzusetzen: Vom Wohnungsmangel abgeschreckt und von der italienischen Polizei nach einem Missverständnis mit Ausweisung bedroht, kehrt der Schüchterne nach Schöneberg zurück, im Seelengepäck das Trauma, von einer Claudia-Cardinale-Doppelgängerin in Uniform als „Cretino” beschimpft worden zu sein. Doch seine unglückliche Liebe zu Italien einerseits und den Frauen andererseits findet bald ein neues Ziel. Diesmal ist es Elena, die glutäugige Sardin, die in einer getarnten Spielhölle als Kellnerin jobbt und mit einem persischen Geschäftsmann liiert ist, was sie nicht daran hindert, sich dem armen Albert zärtlich zuzuwenden. Schließlich nimmt sie ihn sogar mit in ihre Heimat, in die öde Bergarbeitersiedlung Carbonia, wo er im Hinterzimmer ihres neu eröffneten Kosmetiksalons versucht, sich dem nunmehr geänderten Magisterthema zu widmen, „San Tommaso” samt Vulvaverschiebung, während seine Geliebte die Damen des Dorfes von oben bis unten enthaart. Indes, die Leidenschaft ist nicht von Dauer, Albert verguckt sich am Strand in eine Kieler Geologiestudentin, und Elena hat plötzlich einfach keine Lust mehr. Amor, so unberechenbar wie siegessicher, schießt seine Pfeile, wohin er will.
Poveretto
Hans-Ulrich Treichel, dessen Erfolgsroman „Der Verlorene” jetzt verfilmt werden soll, porträtiert einen Verlierer, den das Leben mit der Weisheit beschenkt hat: „Wenn du bedürftig bist, sinken deine Chancen.” Albert, der Vertriebenensohn aus dem Weserbergland, der vom Internat geflogen ist, weil er im Mädchentrakt erwischt wurde, der die Schinkenbrote seiner Mutter nicht zurückzuweisen wagt, sondern lieber unterwegs heimlich entsorgt, der beim Bordellbesuch von einem Hermaphroditen genarrt und dann auch noch ausgeraubt wird – dieser Antiheld mit seinem allzeit wachen Geschlechtstrieb und seiner Sehnsucht nach einem kratzfreien Körpergefühl bleibt im Roman so blass, wie er vermutlich von Natur aus ist, und doch wird manch einer sich in ihm wiedererkennen. Wer nach Höherem trachtet, darf dabei sogar an Kafkas Gregor Samsa denken, dem die schöne Elena nach gemeinsamer Lektüre denselben mitleidigen Kosenamen gibt wie ihrem Albert: „Poveretto!”
In Treichels Prosa wiederum erkennen wir das Bestreben, einer stilistischen Arte povera kleine Glanzlichter des Komischen und Rührenden abzuringen. Dabei kommt ihm sein westfälischer Humor zugute, dem Abgründe, Schnörkel und Bizarrerien fremd sind. Schön, wie die gleichsam ausgenüchterte Darstellung des Alltags auf Sardinien mit sämtlichen Mittelmeer-Klischees aufräumt. Im übrigen hat Treichel eher eine Erzählung als einen Roman geschrieben, eine Anleitung zum Unglücklichsein für Studierende und ewig Pubertierende – und eine Kunsthistoriker-Satire, auf die insbesondere Caravaggisten und ihre Feinde schon lange gewartet haben dürften.
KRISTINA
MAIDT-ZINKE
HANS-ULRICH TREICHEL: Der irdische Amor. Roman. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2002. 256 Seiten, 19,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
In „Der irdische Amor” lässt Hans-Ulrich Treichel seinen Antihelden ein kratzfreies Körpergefühl suchen
Im akademischen Betrieb gelten Kunsthistoriker als harmlos, ein wenig weltfremd und in hohem Maße beneidenswert, weil sie jederzeit einen Vorwand finden können, um ihr Studieren oder Forschen für eine Weile nach Italien zu verlegen. Hans-Ulrich Treichel weiß noch einiges mehr über die Spezies und ihre Neigungen. In seinem Roman „Der irdische Amor” befassen sich Kunsthistoriker vorzugsweise mit wandernden Vaginen, dem erigierten Penis des Jesuskindes oder der sogenannten Vulvaverschiebung, dem ikonographischen Zusammenhang zwischen der Seitenwunde des Gekreuzigten und der weiblichen Scham. „Der Mensch muss einen Körper haben”, sagt ein gewisser Professor Delbrück mehr als einmal in entschiedenem Ton. Kein Wunder, dass in diesen Kreisen Caravaggio als Forschungsgegenstand so beliebt ist.
Auch Albert, ein von spätpubertärem Ganzkörperjuckreiz geplagter Berliner Student, plant eine Magisterarbeit über die leibfreundliche Malerei des Michelangelo Merisio, genauer gesagt über dessen „Amore vincitore”, dem er in der Gemäldegalerie Dahlem schon so manchen Besuch abgestattet hat: „Das, was ihn an dem Knaben von Anfang an vor allem fasziniert hatte, war dessen körperliche Unbefangenheit. Der Amor machte ihm vor, wie man sich in seiner nackten Knabenhaut auch fühlen konnte: beneidenswert unbekümmert und selbstsicher.”
Ansonsten gilt Alberts Interesse nicht etwa Jünglingen, sondern Frauen, die er wegen seines befangenen, ja verklemmten Auftretens freilich nur selten für sich gewinnen kann. Gescheitert ist auch sein Projekt, das Studium in Rom fortzusetzen: Vom Wohnungsmangel abgeschreckt und von der italienischen Polizei nach einem Missverständnis mit Ausweisung bedroht, kehrt der Schüchterne nach Schöneberg zurück, im Seelengepäck das Trauma, von einer Claudia-Cardinale-Doppelgängerin in Uniform als „Cretino” beschimpft worden zu sein. Doch seine unglückliche Liebe zu Italien einerseits und den Frauen andererseits findet bald ein neues Ziel. Diesmal ist es Elena, die glutäugige Sardin, die in einer getarnten Spielhölle als Kellnerin jobbt und mit einem persischen Geschäftsmann liiert ist, was sie nicht daran hindert, sich dem armen Albert zärtlich zuzuwenden. Schließlich nimmt sie ihn sogar mit in ihre Heimat, in die öde Bergarbeitersiedlung Carbonia, wo er im Hinterzimmer ihres neu eröffneten Kosmetiksalons versucht, sich dem nunmehr geänderten Magisterthema zu widmen, „San Tommaso” samt Vulvaverschiebung, während seine Geliebte die Damen des Dorfes von oben bis unten enthaart. Indes, die Leidenschaft ist nicht von Dauer, Albert verguckt sich am Strand in eine Kieler Geologiestudentin, und Elena hat plötzlich einfach keine Lust mehr. Amor, so unberechenbar wie siegessicher, schießt seine Pfeile, wohin er will.
Poveretto
Hans-Ulrich Treichel, dessen Erfolgsroman „Der Verlorene” jetzt verfilmt werden soll, porträtiert einen Verlierer, den das Leben mit der Weisheit beschenkt hat: „Wenn du bedürftig bist, sinken deine Chancen.” Albert, der Vertriebenensohn aus dem Weserbergland, der vom Internat geflogen ist, weil er im Mädchentrakt erwischt wurde, der die Schinkenbrote seiner Mutter nicht zurückzuweisen wagt, sondern lieber unterwegs heimlich entsorgt, der beim Bordellbesuch von einem Hermaphroditen genarrt und dann auch noch ausgeraubt wird – dieser Antiheld mit seinem allzeit wachen Geschlechtstrieb und seiner Sehnsucht nach einem kratzfreien Körpergefühl bleibt im Roman so blass, wie er vermutlich von Natur aus ist, und doch wird manch einer sich in ihm wiedererkennen. Wer nach Höherem trachtet, darf dabei sogar an Kafkas Gregor Samsa denken, dem die schöne Elena nach gemeinsamer Lektüre denselben mitleidigen Kosenamen gibt wie ihrem Albert: „Poveretto!”
In Treichels Prosa wiederum erkennen wir das Bestreben, einer stilistischen Arte povera kleine Glanzlichter des Komischen und Rührenden abzuringen. Dabei kommt ihm sein westfälischer Humor zugute, dem Abgründe, Schnörkel und Bizarrerien fremd sind. Schön, wie die gleichsam ausgenüchterte Darstellung des Alltags auf Sardinien mit sämtlichen Mittelmeer-Klischees aufräumt. Im übrigen hat Treichel eher eine Erzählung als einen Roman geschrieben, eine Anleitung zum Unglücklichsein für Studierende und ewig Pubertierende – und eine Kunsthistoriker-Satire, auf die insbesondere Caravaggisten und ihre Feinde schon lange gewartet haben dürften.
KRISTINA
MAIDT-ZINKE
HANS-ULRICH TREICHEL: Der irdische Amor. Roman. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2002. 256 Seiten, 19,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensent Jörg Magenau findet besonders die Eleganz bewundernswert, mit der Autor Ulrich Treichel in seinem neuen Buch den "großen Bogen einer bundesrepublikanischen Biografie" entstehen lässt. Seinen Informationen zufolge geht es um die sexuelle Biografie eines jungen Mannes, der als Sohn von Heimatvertriebenen in Ostwestfalen aufgewachsen ist. Protagonist Albert, Student der Kunstgeschichte in Berlin, fügt sich für den Rezensenten als "Fachmann für Scham und Scheitern" nahtlos in die Reihe Treichelscher Helden ein, der hier an die schon im Roman "Der Verlorene" beschriebene Leere einer Kindheit in den fünfziger Jahren mit ihrem lastenden Familienschweigen und der emotionalen Armut anknüpfe. Im vorliegenden Fall spielt der Roman auch in West-Berlin und Italien, wo der Held an einer Examensarbeit über Caravaggio laboriert, wie Magenau uns wissen lässt. Dem Rezensenten zufolge hat die Kunstgeschichte für den verklemmten Helden in erster Linie eine Abhärtungsfunktion, bei der es darum geht, "Worte wie 'unerheblicher Penis' oder "Anus-Vulva-Achse' vor dem Auditorium zu erproben". Mit Lust und Laune parodiere der "Germanist Treichel" den Wissenschaftsjargon, erzähle ansonsten seine Geschichte in einer schnörkellosen und klaren Sprache. Allerdings legt sich der Humor für den Geschmack des Rezensenten manchmal etwas zu versöhnlich über die Abgründe der Psyche.
© Perlentaucher Medien GmbH
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