Über Freundschaft und Verrat, Heimat und Fremde
Wie ist das, wenn man sich in der Fremde eine neue Heimat aufbaut? In seinem neuen Roman erzählt Hugo Hamilton die Geschichte des Serben Vid Cosic, der nach Dublin geht und dort ein neues Leben, Arbeit, Freunde sucht. Der Blick des Fremden auf Irland, seine Menschen und seine Eigenheiten ist ebenso faszinierend wie die Geschichte der Freundschaft zwischen dem zurückhaltenden Vid und dem temperamentvollen Iren Kevin, einer Freundschaft, die auf Loyalität und Schuld gegründet ist und den Verrat schon in sich trägt.
Der Serbe Vid Cosic versucht in seiner neuen Heimat Dublin als Schreiner Fuß zu fassen. Er möchte alles wissen über Irland und seine Geschichte, seine Sprache und seine Menschen, möchte einer von ihnen sein. Als er durch einen Zufall auf Kevin Concannon trifft, einen jungen Anwalt, und schnell einen Freund in ihm findet, ist er unendlich dankbar. Aber von Anfang an liegt der Schatten der Gewalt über dieser Freundschaft, es ist eine Allianz aus Loyalität und Schuld. Als Vid von Kevin den Auftrag erhält, das Haus der Concannons von Grund auf zu renovieren, lernt er dabei auch Kevins Mutter kennen, seine jüngere Schwester, seine Freundin. Die Familie, die ihn so offen aufnimmt, fasziniert Vid zutiefst, aber erst spät, zu spät, begreift er, dass sein irischer Freund so viel Nähe gar nicht wollte ... "Der irische Freund" ist ein grandioser Roman über das heutige Irland, über Heimat und Fremde und über den schmalen Grat zwischen Liebe und Gewalt, zwischen Freundschaft und Verrat.
Wie ist das, wenn man sich in der Fremde eine neue Heimat aufbaut? In seinem neuen Roman erzählt Hugo Hamilton die Geschichte des Serben Vid Cosic, der nach Dublin geht und dort ein neues Leben, Arbeit, Freunde sucht. Der Blick des Fremden auf Irland, seine Menschen und seine Eigenheiten ist ebenso faszinierend wie die Geschichte der Freundschaft zwischen dem zurückhaltenden Vid und dem temperamentvollen Iren Kevin, einer Freundschaft, die auf Loyalität und Schuld gegründet ist und den Verrat schon in sich trägt.
Der Serbe Vid Cosic versucht in seiner neuen Heimat Dublin als Schreiner Fuß zu fassen. Er möchte alles wissen über Irland und seine Geschichte, seine Sprache und seine Menschen, möchte einer von ihnen sein. Als er durch einen Zufall auf Kevin Concannon trifft, einen jungen Anwalt, und schnell einen Freund in ihm findet, ist er unendlich dankbar. Aber von Anfang an liegt der Schatten der Gewalt über dieser Freundschaft, es ist eine Allianz aus Loyalität und Schuld. Als Vid von Kevin den Auftrag erhält, das Haus der Concannons von Grund auf zu renovieren, lernt er dabei auch Kevins Mutter kennen, seine jüngere Schwester, seine Freundin. Die Familie, die ihn so offen aufnimmt, fasziniert Vid zutiefst, aber erst spät, zu spät, begreift er, dass sein irischer Freund so viel Nähe gar nicht wollte ... "Der irische Freund" ist ein grandioser Roman über das heutige Irland, über Heimat und Fremde und über den schmalen Grat zwischen Liebe und Gewalt, zwischen Freundschaft und Verrat.
Wer braucht noch die "News of the World", wenn er solche Literatur hat? Hugo Hamilton hat sich mit seinem neuen Roman "Der irische Freund" noch einmal selbst übertroffen.
Von Thomas Leuchtenmüller
Seit je bringt die Begegnung mit der Fremde große Dichtkunst hervor. Schon viele Reisende, Exilanten und Migranten haben die nötige Distanz, die gute Beobachtungsgabe und das schreiberische Talent gehabt, um das Besondere, das die Einheimischen nicht (mehr) sehen, zu erkennen und zu benennen. Ganze Genres sind so entstanden, ganze Generationen haben sich so zu Erkundungen animieren lassen, ganze Nationen sind so zusammengerückt. Den jüngsten Spross, der dem etwa von Homers "Odyssee" geprägten Stamm entwachsen ist, bildet hierzulande die humorvolle interkulturelle Erlebnissammlung.
Im Gefolge von Jan Weilers Bestseller "Maria, ihm schmeckt's nicht!" (2003), der eine deutsch-italienische Sippe auf die Schippe nimmt, sind mittlerweile etliche europäische und manche außereuropäische Länder ins Visier geraten. Bücher wie "Fish and Fritz", "Finnen von Sinnen", "Elchtest", "Problem Piefke", "Mordsgouda", "Tokio total" oder "Allein unter Doppelwhoppern" täuschen indes nicht darüber hinweg: Die meisten, in der Regel sofort als Taschenbuch gedruckten Bände summieren Erfahrungen von Fremdgängern in Deutschland - ob aus türkischer, polnischer, britischer, italienischer, französischer oder äthiopischer Sicht. Von Vorurteilen ausgehend, menschelt es arg, und das immer locker-leicht formuliert. Haben die Verlage da noch Raum für ernsthafte Werke?
Durchaus. Zumal wenn eine klassische Auswanderernation wie Irland - wenigstens zeitweise - selbst zum Sehnsuchtsort geworden ist. Neben dem irischen Schriftsteller Roddy Doyle ist es vor allem dessen Kollege Hugo Hamilton, der aus dieser Situation versiert Funken schlägt. Hamilton, 1953 als Sohn eines irischen Vaters und einer deutschen Mutter in Dublin geboren, bestach bereits durch seine Memoiren "Gescheckte Menschen" (deutsch 2004) und "Der Matrose im Schrank" (2006). Die Bände reflektieren Lust und Leid eines Daseins zwischen Irland und Deutschland, zwischen Kulturen und Sprachen genauso pointiert wie "Die redselige Insel" aus dem Jahr 2007, ein Tagebuch auf den Spuren Heinrich Bölls, und der Künstlerroman "Legenden" (2008). Der jüngste Roman nun verlässt das Geburtsland des Literaten nicht - gleichwohl betritt er Neuland.
Den entscheidenden Kunstgriff in "Der irische Freund" (der Originaltitel lautet "Hand in the Fire") stellt die Erzählperspektive dar: Es ist der serbische Schreiner Vid Cosic, der Wahrnehmungen und Ereignisse auf der Grünen Insel schildert. Im Zentrum steht die aufreibende Beziehung Vids zum Anwalt Kevin Concannon und dessen Familie in Dublin. Um an fremden Gestaden Fuß zu fassen, toleriert es der Emigrant, dass aus baldiger Freundschaft einseitige emotionale, finanzielle und soziale Abhängigkeit wird. Der durch einen Autounfall und Kriegswirren in der Heimat traumatisierte Serbe kommt vom Regen in die Traufe: Kevin entpuppt sich als gewaltbereiter Lügner und Betrüger. Und doch gibt es ein Happy End.
In der Zwischenzeit setzt der geschickte Handwerker Vid sein Irland-Bild zusammen: Iren sagten ständig an, "wie viel sie noch saufen und wie viel Spaß sie haben würden", seien bigott und ignorant, sie benutzten "Komplimente wie bewusstseinsverändernde Drogen", zwängen zum Gedankenlesen, seien "immer unschuldige Leute gewesen, denen man in der Vergangenheit großes Leid zugefügt hatte". Zudem hätten sie weder Zahlungsmoral noch Respekt vor Gemeineigentum. In Irland machten sich überdies Neuigkeiten selbständig, lebte man "nur noch von Sandwichs und Essen aus dem Take-away", müsse man dafür sorgen, "dass man gesehen wurde und in Erinnerung blieb".
Es ist Hamiltons Leistung, all dies nicht als Klischees einem ignoranten Ausländer in den Mund zu legen, sondern als zugespitzte Notizen eines Außenseiters, der Begebenheiten am Ort und Äußerungen der Gastgeber oft missinterpretiert. Indem der Autor seinen Helden dessen Analyseschwächen bewusst macht und erörtern lässt, entzieht er sich dem möglichen Vorwurf der Nestbeschmutzung, um zugleich manch gezielten Seitenhieb zu plazieren. Hamilton, der als Kind kein englisches Wort verwenden durfte und Deutsch oder Irisch sprechen musste, weiß gut, was es heißt, wenn "die eigenen Wörter wie eine Übersetzung klangen". Mit Vid führt er auch einen Menschen vor, der seine kulturell bedingte Andersartigkeit zu häufig als Makel begreift, der auszumerzen ist.
Dabei scheint stets durch, wie einfühlsam, verständnis- und einsichtsvoll der Schreiner aus Belgrad nicht zuletzt durch seine Lebensumstände geworden ist. Über Kevins Vater, der nach England ging, bemerkt er: "Jeder seiner Freunde war wie eine Falltür unter den Füßen gewesen, die sich mit der Auswanderung irgendwann geöffnet hatte." Als Vid mit Kevin und dessen Freundin Helen auf einer Klippe sitzt und die Vertrautheit des Paares spürt, hat er "das Gefühl, in ihr Schlafzimmer geplatzt zu sein". Und als er Helen später näherkommt, wird ihm klar, dass Erklärungen überhaupt oft unnötig sind: "Im Grunde war der Kuss das bedeutsamste Wort, das je den Mund eines Menschen verlassen hatte; man konnte es weder aussprechen noch aufschreiben."
Was der schon durch einige Preise geehrte Hugo Hamilton mit "Der irische Freund" verfasst hat, wird Bestand haben. Denn wie Vid aus der Asche seiner Hoffnung phönixartig aufsteigt; wie Mythen des neuen Zuhause erhellend mit der Geschichte des alten vermengt sind; wie ewigen Themen - Identitätssuche, Liebe oder Tod - Frisches, Überraschendes, Sattes abgerungen sind: Das wirkt nach. Da all das überdies mit dem selbstironischen Witz der Insel garniert ist, kommt man gelegentlich aus dem Lachen nicht heraus. Kevin erzählt eines Tages zum Beispiel, dass Che Guevara irischer Abstammung gewesen sei. Der Argentinier habe Irland einmal besucht, "und als er nach der Landung auf dem Shannon Airport einen Blick in die Runde warf, sagte er auf Spanisch: ,Bringt mich hier weg'". In einem Land, in dem es vor Revolutionären nur so wimmelte, habe er nämlich keine Chance.
Hugo Hamilton: "Der irische Freund". Roman.
Aus dem Englischen von Henning Ahrens. Luchterhand Literatur Verlag, München 2011. 285 S., geb., 19,99 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Großes Vergnügen haben Franziska Sperr die Geschichte und die deutsche Übersetzung dieses Romans von Hugo Hamilton bereitet. Hamiltons Thema ist ihr schon vertraut, es geht um Irland und die Schwierigkeiten, sich als Einwanderer in diesem eher schroffen Land zu behaupten, um Männerfreundschaft und Familienprobleme, schließlich um Gewalt und Schuld und Verrat. Große Themen also, die der Autor laut Sperr mit einem Gespür für die Entwicklung seiner Figuren und autobiografischem Hintergrundwissen anpackt. Der Schluss scheint ihr allerdings erzwungen zu sein. Ein offenes Ende, meint sie, hätte dieser differenzierten und poetischen Prosa besser gestanden.
© Perlentaucher Medien GmbH
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