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'Sexualität im Islam ist von Verboten, Ängsten und Gewalt geprägt. Die Folgen sind fatal, und das nicht nur für die Einzelnen, sondern für eine ganze Kultur. Seyran Ates, fordert eine sexuelle Revolution im Islam, denn eine freie Gesellschaft braucht eine freie Lebensgestaltung.
'Musliminnen, die selbst entscheiden wollen, wen sie lieben, werden mit dem Tode bedroht. Muslime, die sich gegen eine arrangierte Ehe wehren, werden von ihren Familien verstoßen. Wer sich im Islam offen zu seiner Homosexualität bekennt, begibt sich in Lebensgefahr. Dennoch behauptet die islamische Welt, die…mehr

Produktbeschreibung
'Sexualität im Islam ist von Verboten, Ängsten und Gewalt geprägt. Die Folgen sind fatal, und das nicht nur für die Einzelnen, sondern für eine ganze Kultur. Seyran Ates, fordert eine sexuelle Revolution im Islam, denn eine freie Gesellschaft braucht eine freie Lebensgestaltung.
'Musliminnen, die selbst entscheiden wollen, wen sie lieben, werden mit dem Tode bedroht. Muslime, die sich gegen eine arrangierte Ehe wehren, werden von ihren Familien verstoßen. Wer sich im Islam offen zu seiner Homosexualität bekennt, begibt sich in Lebensgefahr. Dennoch behauptet die islamische Welt, die bessere, die moralischere Religion zu haben. Einige religiöse Fanatiker bekämpfen den vermeintlich dekadenten Westen sogar mit Gewalt. Doch eine Gesellschaft, die freie Selbstbestimmung untersagt, ist in jeder Hinsicht rückschrittlich: In Bildung, Forschung und Wirtschaft sind muslimische Länder dem Westen deutlich unterlegen. Seyran Ates, plädiert für eine sexuelle Revolution im Islam. Genau wie die Frauen und Männer in westlichen Ländern, die in den 60er Jahren erfolgreich für ihre sexuelle Selbstbestimmung gekämpft haben, müssen sich auch die Musliminnen und Muslime ihre Rechte erstreiten. Nur so können Freiheit und Menschenwürde in der islamischen Welt wirklich gelebt werden.
Autorenporträt
Seyran Ates, 1963 in Istanbul geboren, lebt seit 1969 in Deutschland. Sie ist Autorin und arbeitete bis 2006 als Rechtsanwältin mit eigener Kanzlei. 2003 erschien ihre Autobiographie 'Große Reise ins Feuer'. Sie erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter den Berliner Frauenpreis des Berliner Senats für Wirtschaft, Arbeit und Frauen (2004), die Ehrung zur Frau des Jahres durch den Deutschen Staatsbürgerinnen-Verband (2005) und den Ossip-K.-Flechtheim-Preis des Humanistischen Verbands Deutschland (2006). Seyran Ates lebt in Berlin.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.01.2010

In der abgeschlossenen Tratschgesellschaft wird die Ehre schnell zum Problem

Müssen gleiche Rechte für muslimische Frauen in Deutschland mit Gewalt durchgesetzt werden? Seyran Ates möchte weniger Multikulturalismus und mehr Einsatz für universelle Werte sehen.

"Mein Mann macht mir das Leben zur Hölle." Wer mit offenen Augen und Ohren in einem von Türken, Arabern, Afghanen bewohnten Stadtteil lebt, wird bald Frauen mit blauen Flecken und Brandwunden zu sehen bekommen und Geschichten hören von rasend eifersüchtigen Männern, die jeden Blick ihrer Ehefrau, und Jungen, die jedes Gespräch ihrer Schwester kontrollieren. Naturgemäß seltener sind Berichte von Ehrenmorden. Auch Zwangsheiraten scheinen kaum noch vorzukommen. Im Gegenteil, oft sind es die Eltern, die sich einer zu frühen und dann wirklich unglücklichen Ehe zu widersetzen versuchen.

Aber die Konzentration der Diskussion auf Ehrenmorde und Zwangsheiraten ist unglücklich, weil sie hinter dem seltenen Extrem die alltägliche Gewalt gegen Frauen und Kinder verschwinden lässt. Gewiss darf man die Geschichten nicht alle glauben. Aufgeklärte oder arrivierte Migranten wollen sich von ihren hinterwäldlerischen Nachbarn abgegrenzt sehen. Und unglückliche Ehefrauen erzählen Sachen, die sich hinterher als Erfindung herausstellen. Trotzdem sind Häufigkeit und Härte von Gewalt in den Familien immer wieder bedrückend, und es wäre ganz falsch, das verschweigen zu wollen.

Verschwiegen werde es von Deutschen, so meint Seyran Ates auch in ihrem neuen Buch, weil ein schlechtes Gewissen über die nationalsozialistische Vergangenheit einen überzogenen Multikulturalismus stütze. Und verschwiegen werde es von Migranten, weil sie ihr Nest - ob nun die Ehre der Familie, der zumal türkischen Nation oder des Islams - nicht beschmutzen wollen. Deshalb fordert die Autorin die Deutschen auf, sich offensiver zu den universalistischen Grundlagen ihrer eigenen Kultur zu bekennen, und die Migranten, sich nicht aus Minderwertigkeitskomplexen diesen Universalismen zu verweigern. Und es stimmt, es gibt die Xenophilie, die im Migranten nur das Opfer sieht, es gibt die Abwehrhaltung, sich immer gleich als Kollektiv angegriffen zu fühlen. Aber stimmt es, dass in dem Buch, wie es auf seiner Rückseite groß heißt, ein Tabu gebrochen wird?

Vermutlich glaubt die Mehrheit der Deutschen, dass die Situation noch schlimmer als ohnehin ist. Die spektakulären Fälle, auf die auch Ates ihre Argumentation wesentlich stützt, wurden bis zum Überdruss diskutiert. Umgekehrt sind in den nationalen Filmproduktionen - Ates nennt Bollywood - Ehrenmord, Zwangsheirat, sogar Kindesmissbrauch geradezu Modethemen, wobei die Kurden für die Türken sind, was für uns die Türken. Nein, verschwiegen wird nicht, aber es gibt eine Verharmlosung durch Dramatisierung. Demgegenüber wäre es wichtig, die Phänomene zu zeigen und ihre Erklärung zu geben.

Einleitend erzählt die Autorin bis zu einem gewissen Punkt ihre sexuelle Lebensgeschichte. Da lernt man, wie in normalen türkischen Haushalten das Leben von Verboten umstellt ist, für die es keine andere Begründung als ein prügelbewehrtes "Das gehört sich nicht" gibt. Und man erfährt, welche abstrusen Vorstellungen zumal über die Promiskuität von Deutschen kursieren, vor der es dann natürlich Frauen und Kinder zu bewahren gilt. Das Buch wird schnell anschauungsarm. Stattdessen enthält es eine Blütenlese besonders frauenunfreundlicher Stellen vom Koran bis zu modernen islamischen Eheratgebern. Doch die vorherrschenden Lehren zu Jungfräulichkeit, ehelichen Pflichten, Ehebruch sind in der Ausrichtung so bekannt, dass Belegsammlungen rein gar nichts mehr erhellen.

Vor allem: Wieso Islam? "Ehrenmord ist die Konsequenz eines religiös motivierten Wertesystems." Und die Religion, wovon wäre sie motiviert? Läge nicht gerade für die Autorin viel näher zu sagen, dass die Religion ein ökonomisch motiviertes Wertesystem legitimiert? Den Ehrenmord, den fast alle islamischen Gelehrten verurteilen, hat es rund um das Mittelmeer gegeben. Die Anthropologen bringen ihn mit der Knappheit an guten Böden in Verbindung. "Religion, Kultur und Tradition kann man nicht streng trennen." Nun, man kann sie schon trennen. Sie stehen sogar oft genug im Widerspruch zueinander. Aber die Autorin wirft sie nicht nur ganz zusammen, sie führt vielmehr alles auf ein - männliches - Gesamtsubjekt Islam zurück.

In Wahrheit wird zwar in der traditionellen Familie das Individuum wenig geachtet, aber die bösen Fälle von Gewalt finden zumeist dort statt, wo diese Familie sich auflöst. Die Männer schlagen ihre Frauen nicht, weil sie Muslime sind, sondern weil sie nicht damit zu Rande kommen, dass oft genug ihre Frauen das Geld verdienen, besser ausgebildet sind, bessere Kontakte haben, geschmeidiger sind. Wenigstens zu Hause wollen sie noch Herr der Lage sein. Und sie schlagen ihre Frauen, weil sie die Nachrede der Gemeinschaft fürchten. Die Gemeinschaft aber, die keine des Glaubens ist, diese Gemeinschaft ist notgedrungen erneut zu Bedeutung gekommen, weil nur sie Arbeit und Aufträge vermittelt. Was sich von außen als Getto ausnimmt, ist nach innen eine Tratschgemeinschaft. Diesen Tratsch zu fürchten hat existentielle Notwendigkeit. Seyran Ates möchte den Universalismus gleicher Rechte mit Gewalt durchgesetzt sehen. Wenn Konflikte mit muslimischen Eltern einvernehmlich gelöst werden, wenn sich Gynäkologen für Hymenreparaturen hergeben, werde das Problem nur auf den nächsten verschoben. Man solle nicht allzu viele Zugeständnisse machen. Aber wird der Einzelne dann nicht zum Opfer für die gute Sache? Und nicht selten unschuldiges Opfer? Zahlreich sind die Fälle, in denen ganz und gar nicht so multikulturalistische Lehrer mit Hilfe ebenso wenig multikulturalistischer Jugendamtsmitarbeiter Kinder auskunftslos ihren Eltern entziehen wegen roter Flecken, die sich dann als Folgen einer Metallallergie herausstellen.

Vielleicht ist es gut für die innertürkische Debatte, dass Seyran Ates eine klare Position markiert. Aber am Ende wird sich das Problem dadurch lösen, dass die Frauen den Männern weglaufen. Wohin auch immer. Die kluge Studentin, die in den Ferien an der Kasse aushilft, trug plötzlich - anders als der Rest der Familie - ein strenges Kopftuch. "Oh, hast du geheiratet?" "Nein. Ich hasse Männer." Und die vielen Alleinerziehenden in den moderneren türkischen Cafés sagen ziemlich einhellig: "Nie wieder einen türkischen Mann!"

GUSTAV FALKE

Seyran Ates: "Der Islam braucht eine sexuelle Revolution". Eine Streitschrift. Ullstein Verlag, Berlin 2009. 219 S., geb., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Ja, Seyran Ates polemisiert in ihrem neuen Buch, bemerkt Rezensentin Karin Steinberger und findet daran auch nichts auszusetzen. Mit Ehrenmorden, Jungfrauenkult und Männlichkeitswahn berichtet Ates über problematische Ausprägungen des Islams, die sich wohl nicht anders bekämpfen lassen. Dabei zitiert die Rezensentin die Autorin mit deren eigener Begründung: "Wer zu viel differenziert, differenziert Probleme weg." Im Westen hat man die sexuelle Revolution auch mit viel Wut vorangetrieben, weiß Steinberger, und Ates habe jetzt ein gleiches Recht darauf. Das Thema ist, wie Steinberger bemerkt, bis jetzt kaum diskutiert worden. Ates' direkter Ton könnte darum eine ausgezeichnete Anregung zur Diskussion sein. Keine neutrale Analyse, sondern eine Kampfansage, urteilt Steinberger.

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