Eine erotische Dreiecksbeziehung im Artistenmilieu: Amsterdam in den fünfziger Jahren. In einer Pension am Rembrandtplein haben einige Variete-Künstler Quartier bezogen: Pieter Newton, der Jongleur, Charles Pluut, der Zauberer, die junge polnische Tänzerin Mis Daisy und andere Überlebenskünstler. Charles Pluut bewundert die Kunststücke des Jongleurs und sucht dessen Freundschaft, aber der Kegelwerfer bleibt reserviert. Pluut ärgert sich maßlos, dass Pieter ihm die kalte Schulter zeigt. Der ist ganz offensichtlich in Mis Daisy verliebt, die ihrerseits aber nur Augen für den Zauberer hat. Als der raffinierte Pluut ein Verhältnis mit Daisy beginnt, ist dabei gewiss nicht nur Begehren im Spiel. Etwas Gefährliches und Bösartiges zieht herauf.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.04.2008Daisy und der Zauberer
Erotische Dreiecke: Margriet de Moor jongliert
Früher haben wir uns schon mal gefragt, wie es wohl ist mit der Liebe unter Artisten, Gauklern oder Zirkusleuten. Seitdem haben diese Berufsgruppen stark an Aura verloren, sie repräsentieren nicht mehr unbedingt das Randständige oder gar das ganz andere, das früher mit ihnen verbunden war. Vielleicht deshalb hat Margriet de Moor, die 1941 in Noordwijk geboren wurde, ihre Novelle, die sie ein Divertimento nennt, im Amsterdam der frühen 1950er Jahre angesiedelt, als Varieté noch ein Volksvergnügen war und außerdem noch etwas mit Glamour zu tun hatte. Aber - um dies gleich vorweg zu sagen - das rettet das Buch leider auch nicht.
Der Kristallisationspunkt der Novelle ist eine Pension am Rembrandtplein. Dort steigen immer wieder dieselben Artisten ab, wenn sie in Amsterdam arbeiten: der Zauberer Charles Pluut, der Jongleur Peter Newton, die polnische Tänzerin Mis (sic!) Daisy, der Antipodist Bruno mit seinen beiden Zwerginnen, die er allein mit den Füßen auf einem Sofa balanciert, und einige andere. Charles' Interesse wird durch den jungen Jongleur geweckt, der ihm aber die kalte Schulter zeigt, sich dafür jedoch in Mis Daisy verliebt, die jedoch ihrerseits nur Augen für Charles hat. Der wendet als geübter Zauberer schließlich einen Trick an und macht Mis Daisy auf diese Weise zu seiner Geliebten, bis er sie irgendwann generös an Peter "verschenkt". Am Ende stirbt ein Artist, und zwei junge Leute finden sich, so könnte man es als Paraphrase auf Theodor Fontane vielleicht kurz zusammenfassen, aber das täte diesem Übungsstück eindeutig zu viel Ehre an.
Denn alles bleibt merkwürdig dünn und blass, angefangen bei den Protagonisten. Ein bisschen Hintergrund und Vergangenheit (der Zweite Weltkrieg ist hier ja noch gar nicht lange vorbei), ein paar Spleens und Vorlieben, und schon ist die Figur eben nicht fertig. Am plastischsten wird in Margriet de Moors Schilderung noch das Amsterdam der fünfziger Jahre selbst, weit entfernt von dem Anziehungspunkt für Freaks aller Art, das es zwei Jahrzehnte später wurde. Auch über das Beruflich-Technische hat Margriet de Moor sich offenkundig sachkundig gemacht und breitet ihre Kenntnisse hier und da aus.
Von der Prägnanz und Spannung aber etwa von "Sturmflut" ist die Novelle weit entfernt. "Etwas Gefährliches und Bösartiges zieht herauf", heißt es im Klappentext. Ach Gott, wo denn? Selbst das Böse und das Unglück kommen hier so handzahm und beinahe niedlich daher, dass man wirklich Mühe hat, es zu erkennen. Warum uns die Dreiecksgeschichte von Charles, Peter und Daisy eigentlich interessieren soll, wird jedenfalls an keinem Punkt deutlich. Sagen wir es einfach mit den Worten einer der Figuren, des Balanceakrobaten Bruno Williams (für all die, die vorher kapitulieren: Das ist der arme Kerl, der am Ende stirbt): "Ja, ja. Tja, doch immer wieder seltsam, diese erotischen Dreiecke."
JOCHEN SCHIMMANG
Margriet de Moor: "Der Jongleur". Ein Divertimento. Aus dem Niederländischen übersetzt von Helga van Beuningen. Carl Hanser Verlag, München 2008. 159 S., geb., 16,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Erotische Dreiecke: Margriet de Moor jongliert
Früher haben wir uns schon mal gefragt, wie es wohl ist mit der Liebe unter Artisten, Gauklern oder Zirkusleuten. Seitdem haben diese Berufsgruppen stark an Aura verloren, sie repräsentieren nicht mehr unbedingt das Randständige oder gar das ganz andere, das früher mit ihnen verbunden war. Vielleicht deshalb hat Margriet de Moor, die 1941 in Noordwijk geboren wurde, ihre Novelle, die sie ein Divertimento nennt, im Amsterdam der frühen 1950er Jahre angesiedelt, als Varieté noch ein Volksvergnügen war und außerdem noch etwas mit Glamour zu tun hatte. Aber - um dies gleich vorweg zu sagen - das rettet das Buch leider auch nicht.
Der Kristallisationspunkt der Novelle ist eine Pension am Rembrandtplein. Dort steigen immer wieder dieselben Artisten ab, wenn sie in Amsterdam arbeiten: der Zauberer Charles Pluut, der Jongleur Peter Newton, die polnische Tänzerin Mis (sic!) Daisy, der Antipodist Bruno mit seinen beiden Zwerginnen, die er allein mit den Füßen auf einem Sofa balanciert, und einige andere. Charles' Interesse wird durch den jungen Jongleur geweckt, der ihm aber die kalte Schulter zeigt, sich dafür jedoch in Mis Daisy verliebt, die jedoch ihrerseits nur Augen für Charles hat. Der wendet als geübter Zauberer schließlich einen Trick an und macht Mis Daisy auf diese Weise zu seiner Geliebten, bis er sie irgendwann generös an Peter "verschenkt". Am Ende stirbt ein Artist, und zwei junge Leute finden sich, so könnte man es als Paraphrase auf Theodor Fontane vielleicht kurz zusammenfassen, aber das täte diesem Übungsstück eindeutig zu viel Ehre an.
Denn alles bleibt merkwürdig dünn und blass, angefangen bei den Protagonisten. Ein bisschen Hintergrund und Vergangenheit (der Zweite Weltkrieg ist hier ja noch gar nicht lange vorbei), ein paar Spleens und Vorlieben, und schon ist die Figur eben nicht fertig. Am plastischsten wird in Margriet de Moors Schilderung noch das Amsterdam der fünfziger Jahre selbst, weit entfernt von dem Anziehungspunkt für Freaks aller Art, das es zwei Jahrzehnte später wurde. Auch über das Beruflich-Technische hat Margriet de Moor sich offenkundig sachkundig gemacht und breitet ihre Kenntnisse hier und da aus.
Von der Prägnanz und Spannung aber etwa von "Sturmflut" ist die Novelle weit entfernt. "Etwas Gefährliches und Bösartiges zieht herauf", heißt es im Klappentext. Ach Gott, wo denn? Selbst das Böse und das Unglück kommen hier so handzahm und beinahe niedlich daher, dass man wirklich Mühe hat, es zu erkennen. Warum uns die Dreiecksgeschichte von Charles, Peter und Daisy eigentlich interessieren soll, wird jedenfalls an keinem Punkt deutlich. Sagen wir es einfach mit den Worten einer der Figuren, des Balanceakrobaten Bruno Williams (für all die, die vorher kapitulieren: Das ist der arme Kerl, der am Ende stirbt): "Ja, ja. Tja, doch immer wieder seltsam, diese erotischen Dreiecke."
JOCHEN SCHIMMANG
Margriet de Moor: "Der Jongleur". Ein Divertimento. Aus dem Niederländischen übersetzt von Helga van Beuningen. Carl Hanser Verlag, München 2008. 159 S., geb., 16,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Enttäuscht zeigt sich Rezensent Jochen Schimmang von Margriet de Moors Novelle "Der Jongleur". Die im Amsterdam der 1950er Jahre angesiedelte, im Variete-Milieu spielende Dreicksgeschichte scheint ihm herzlich uninteressant. Handlung und Figuren - eine Tänzerin, ein Zauberer, ein Jongleur - bleiben in seinen Augen "dünn und blass". Die Ankündigung des Klappentexts -"etwas Gefährliches und Bösartiges zieht herauf" - hält er für reichlich übertrieben, so "handzahm und beinahe niedlich" wie das Böse im Buch daherkomme. Am ehesten gefallen hat ihm noch die Schilderung Amsterdams. An die Qualität von de Moors aktuellen Roman "Sturmflut" jedenfalls reicht vorliegendes Buch seines Erachtens nicht im entferntesten heran.
© Perlentaucher Medien GmbH
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"Margriet de Moor ist eine Spezialistin für verdeckte erotische Motive. Eine Geschichte voll tiefer Menschenkenntnis und Humor." Martin Krumbholz, Neue Zürcher Zeitung, 26.03.08
"De Moors kunstfertiges Melodram ... zeigt am Beispiel besonders begabter Menschen die Tragödie ganz besonderer Verhältnisse, und doch wirkt die Geschichte ... alltäglich, menschlich, also lebensecht." Oliver Ruf, Der Tagesspiegel, 30.03.08
""Der Jongleur" ist ein dämonisches kleines Buch unter dem Deckmantel der Harmlosigkeit. Es zeigt, wie dünn das Seil ist, auf dem wir täglich balancieren." Meike Feßmann, Süddeutsche Zeitung, 28.04.08
"(Es) ist wie ein leichtfüßiges, luftiges und kunstvolles Musikstück, ein Stück Literatur, gewidmet der Kunst. Nicht zuletzt der Lebenskunst." Silvia Hess, Aargauer Zeitung, 07.04.08
"De Moors kunstfertiges Melodram ... zeigt am Beispiel besonders begabter Menschen die Tragödie ganz besonderer Verhältnisse, und doch wirkt die Geschichte ... alltäglich, menschlich, also lebensecht." Oliver Ruf, Der Tagesspiegel, 30.03.08
""Der Jongleur" ist ein dämonisches kleines Buch unter dem Deckmantel der Harmlosigkeit. Es zeigt, wie dünn das Seil ist, auf dem wir täglich balancieren." Meike Feßmann, Süddeutsche Zeitung, 28.04.08
"(Es) ist wie ein leichtfüßiges, luftiges und kunstvolles Musikstück, ein Stück Literatur, gewidmet der Kunst. Nicht zuletzt der Lebenskunst." Silvia Hess, Aargauer Zeitung, 07.04.08