Produktdetails
  • Verlag: Oesterheld&CO.
  • ISBN-13: 9783825702540
  • ISBN-10: 3825702545
  • Artikelnr.: 21179064
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 07.05.2004

Nagel ohne Wand
„Der Judenhaß und die Juden” neu aufgelegt
Constantin Brunner, der eigentlich Arjeh Yehuda Wertheimer hieß, war eine ebenso faszinierende wie merkwürdige Persönlichkeit. Der aus einer alten Rabbinerfamilie stammende Philosoph, Psychologe, Literat und politische Publizist, wurde 1862 in Altona geboren und starb im holländischen Exil an seinem 75. Geburtstag. Obwohl er die meist Zeit seines Lebens mit seiner Familie zurückgezogen in Berlin lebte, hatte der charismatische Autodidakt viele Anhänger. Im fernen Czernowitz etwa gründeten sie zu seinen Ehren ein „Ethisches Seminar”. Freundschaften verbanden Brunner unter anderem mit Gustav Landauer, Detlef von Liliencron und Walter Rathenau. Seine Bücher und Aufsätze, darunter ein herrlicher Text gegen Spenglers „Untergang des Abendlandes” sorgten immer wieder für Aufsehen. Alles, was im deutschen Judentum gut und teuer war, von Kant bis zum Zionismus, wurde Gegenstand beißender Kritik. Buber sah Brunner darum mit einer Mischung aus Distanz und Respekt.
Unter den Philosophen war Spinoza Brunners Favorit, zu dem er interessante Arbeiten vorlegte, wie Jürgen Stenzel vor zwei Jahren in einen schönen Buch zeigen konnte. Politisch sah Brunner im Kampf gegen die Judenfeindlichkeit sein wichtigstes Anliegen. Es ist daher sehr begrüßenswert, dass der Philo Verlag Brunners eigentliches Hauptwerk „Der Judenhaß und die Juden” von 1919 wieder zugänglich macht.
„Judenhaß ist Menschenhaß”, heißt es unmissverständlich. Die Vokabel „Antisemitismus” war ihm bereits eine Verdeckung des ebenso schlichten wie gefährlichen Tatbestandes „Judenhaß”. Den Zionismus bewertete er als eine völlig falsche und fatale Antwort auf den Judenhaß: „Aber wären die Juden tausendmal eine Nation – ließe sich darum diese Nation in Palästina wieder einsetzen? Ein Nagel haftet in der Wand, ist er aber einmal herausgerissen, dann nützt kein ihn wieder in das Loch Stecken; er hält da nicht mehr.”
Brunners Buch, das viele noch heute gültige Überlegungen zum Verhältnis von Staat und Nation enthält, rät den deutschen Juden zur Selbstemanzipation. Wer sich über jüdische Reaktionen auf den Antisemitismus im Kaiserreich und in der Weimarer Republik informieren will, kommt an Brunners Großessay nicht vorbei.
THOMAS MEYER
CONSTANTIN BRUNNER: Der Judenhaß und die Juden. Philo Verlag, Berlin 2004. 423 Seiten, 34 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Sehr begrüßenswert findet Thomas Meyer die Neuauflage von "Der Judenhass und die Juden", dem Hauptwerk des Philosophen, Psychologen, Literaten und politischen Publizisten Constantin Brunner von 1919. Meyer beschreibt Brunner als "ebenso faszinierende wie merkwürdige Persönlichkeit". "Judenhass ist Menschenhass", heiße es darin unmissverständlich, die Vokabel "Antisemitismus" sei Brunner bereits eine Verdeckung des Tatbestandes "Judenhass", berichtet Meyer. Brunner rate den deutschen Juden zur Selbstemanzipation. Den Zionismus habe er dabei als "völlig falsche und fatale Antwort" auf den Judenhass bewertet. Insgesamt findet Meyer in dem Buch viele auch heute noch "gültige Überlegungen" zum Thema. Wer sich über jüdische Reaktionen auf den Antisemitismus im Kaiserreich und in der Weimarer Republik informieren wolle, so der Rezensent, "kommt an Brunners Großessay nicht vorbei".

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