Der jüngste Sohn einer armen Bauernfamilie war klug, klein und zierlich und so gar nicht geschaffen für die Arbeit auf dem Hof. Seine Eltern geben ihn als Altardiener zum Priester in den Tempel. Er lernt viel, und er malt viel, aber immer nur Katzen und das überall. Das wird dem alten Priester zu viel. Er schickt ihn fort und gibt ihm einen einzigen, prophetischen Rat mit auf den Weg: "Vermeide größe Räume in der Nacht, halte dich an kleine."Auf sich selbst gestellt, erlebt er ein großes Abenteuer und wird zum Helden. In einem nächtlich beleuchteten, menschenleeren Tempel bemalt der Junge die staubigen Wände mit Katzen. Überwältigt von Müdigkeit verkriecht er sich in einen kleinen Wandschrank, so wie es sein Lehrmeister ihm riet. In der Nacht erwacht er von furchtbarem Lärm, traut sich aber erst nach Sonnenaufgang aus seinem sicheren Versteck. Was er erblickt, zeugt von einem erbitterten Kampf. Die Katzen, die er malte haben den rattenhaften Dämon besiegt. Der Fluch des Tempels ist gebrochen und der Junge wird ein berühmter Maler über Zeit- und Landesgrenzen hinweg.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Als Entdeckung feiert Rezensentin Lena Bopp Anita Kreituses Version des japanischen Märchens vom "Jungen, der gern Katzen malte". Die Fabel ist so zauber- wie rätselhaft und die lettische Zeichnerin (deren Stil Bopp schon vom Yogi-Tee aus dem Bioladen kennt) versieht sie passend dazu mit Bildern, die auf einen klaren Mittelpunkt sowie auf eine Perspektive verzichten, erklärt die Rezensentin, so dass die Katzen zu guten Geistern werden, die über den Jungen wachen. Besonders berührt die Rezensentin allerdings in der Geschichte, die Lafcadio Hearn erstmals vor hundert Jahren einem westlichen Publikum zugänglich machte, der Junge, der zwar recht folgsam sei, aber dennoch nur seiner Leidenschaft nachgehe.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.10.2021Folgsam und leidenschaftlich zugleich
Lafcadio Hearn erzählte das japanische Märchen nach, Anita Kreituse setzte es ins Bild: "Der Junge, der Katzen malte" ist eine Entdeckung.
Das Märchen vom Jungen, der Katzen malte, ist schnell erzählt: Der jüngste Sohn einer kinderreichen Familie in Japan malt gerne Katzen. Nicht nur abends, wenn die Arbeit auf dem Hof seiner Eltern getan ist, sondern den lieben langen Tag, während seine Brüder dem Vater auf dem Feld und seine Schwestern der Mutter im Haus zur Hand gehen. Der Bauer und seine Frau sind gute Menschen. Statt ihren jüngsten Sohn zu tadeln, schicken sie ihn in ein nahes Kloster, wo er lernen soll, dass man mit einem Tuschpinsel noch andere Dinge zeichnen und vor allem auch über andere Dinge schreiben kann. Doch der Priester bringt den Jungen von seinen Katzen nicht ab. Das Einzige, was er ihm mitgibt, als er ihn schließlich entlässt, ist der rätselhafte Rat: "Meide große Räume in der Nacht - halte dich an kleine!"
Das tut der Junge, als er auf der Suche nach einer neuen Herberge auf ein verlassenes Kloster stößt, wo er als Erstes die herrlich weißen Wandschirme im großen Saal bemalt, bevor er sich, den Rat des Priesters im Ohr, in einem kleinen Schrank zur Ruhe legt. In der Nacht hört er schrecklichen Lärm aus dem Saal. Am Morgen findet er dort einen toten Goblin, eine Riesenratte. Und er sieht, wie seinen Katzen auf dem Wandschirm das Blut aus den Mäulern läuft. Und nun? In der Version des Märchens, die vor weit mehr als hundert Jahren der nach Japan emigrierte Lafcadio Hearn erstmals ins Englische übersetzte und damit an westliche Leser brachte, wird der Junge ein berühmter Künstler. "Einige der Katzen, die er gemalt hat, werden bis heute Reisenden in Japan gezeigt", heißt es in seiner Übersetzung, deren Richtigkeit allerdings bezweifelt worden ist.
Im japanischen Original soll der Junge nur zum Vorsteher des Klosters geworden sein, was etwas weniger pathetisch ist, den Erfolg des Märchens aber wohl kaum geschmälert hätte. Seit es 1898 unter dem Titel "Japanese fairy tales: The boy who drew cats" erschien, sind viele Ausgaben der Geschichte in allen möglichen Ländern der Welt veröffentlicht worden. Zuletzt auch in Lettland, wo Anita Kreituse Illustrationen beisteuerte, deren Stil auch jenen vertraut sein dürfte, die den Namen der Künstlerin noch nie gehört haben. Vor ein paar Jahren hat Anita Kreituse die Illustrationen auf den Packungen von "Yogi Tee" gemalt, die in jedem deutschen Bio-Supermarkt ganze Regalreihen füllen.
Für die nun ins Deutsche übersetzte und großzügig gestaltete lettische Ausgabe des Märchens hat Kreituse Doppelseiten gezeichnet, von denen mehrere aufeinanderfolgen, bevor dann jeweils eine Seite ausschließlich dem Text gewidmet ist. Dieser Wechsel von Lesen und Schauen ermuntert dazu, genau hinzusehen. Häufig spielen die Bilder von Anita Kreituse mit Proportionen, verzichten auf einen klaren Mittelpunkt und auf perspektivische Darstellung. Stattdessen setzen sie groß in Szene, was den Kern der Geschichte ausmacht: die Katzen, die oft in knallbunten Farben und Überlebensgröße die Bilder dominieren, als wären sie gute Geister, die den Jungen auf seinem Weg begleiten. Der ist fast immer traumverloren mit seinem Pinsel beschäftigt. Er trotzt Wind und Wetter, übersteht gefährliche Reisen, blickt seine Eltern und den Priester, der ihn auf einen rechten Pfad bringen soll, stets folgsam an - und scheint doch nur wahrzunehmen, was seine Leidenschaft zulässt.
Eine Leidenschaft, die ihn nicht ver-, sondern anleitet und märchenhaft beschützt. Ob als Künstler oder Priester ist da ganz egal. LENA BOPP
Lafcadio Hearn, Anita Kreituse: "Der Junge, der Katzen malte".
Aus dem Englischen von Gabriela Bracklo. Edition Bracklo, Birkenwerder 2021. 52 S., geb., 24,80 Euro. Ab 5 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Lafcadio Hearn erzählte das japanische Märchen nach, Anita Kreituse setzte es ins Bild: "Der Junge, der Katzen malte" ist eine Entdeckung.
Das Märchen vom Jungen, der Katzen malte, ist schnell erzählt: Der jüngste Sohn einer kinderreichen Familie in Japan malt gerne Katzen. Nicht nur abends, wenn die Arbeit auf dem Hof seiner Eltern getan ist, sondern den lieben langen Tag, während seine Brüder dem Vater auf dem Feld und seine Schwestern der Mutter im Haus zur Hand gehen. Der Bauer und seine Frau sind gute Menschen. Statt ihren jüngsten Sohn zu tadeln, schicken sie ihn in ein nahes Kloster, wo er lernen soll, dass man mit einem Tuschpinsel noch andere Dinge zeichnen und vor allem auch über andere Dinge schreiben kann. Doch der Priester bringt den Jungen von seinen Katzen nicht ab. Das Einzige, was er ihm mitgibt, als er ihn schließlich entlässt, ist der rätselhafte Rat: "Meide große Räume in der Nacht - halte dich an kleine!"
Das tut der Junge, als er auf der Suche nach einer neuen Herberge auf ein verlassenes Kloster stößt, wo er als Erstes die herrlich weißen Wandschirme im großen Saal bemalt, bevor er sich, den Rat des Priesters im Ohr, in einem kleinen Schrank zur Ruhe legt. In der Nacht hört er schrecklichen Lärm aus dem Saal. Am Morgen findet er dort einen toten Goblin, eine Riesenratte. Und er sieht, wie seinen Katzen auf dem Wandschirm das Blut aus den Mäulern läuft. Und nun? In der Version des Märchens, die vor weit mehr als hundert Jahren der nach Japan emigrierte Lafcadio Hearn erstmals ins Englische übersetzte und damit an westliche Leser brachte, wird der Junge ein berühmter Künstler. "Einige der Katzen, die er gemalt hat, werden bis heute Reisenden in Japan gezeigt", heißt es in seiner Übersetzung, deren Richtigkeit allerdings bezweifelt worden ist.
Im japanischen Original soll der Junge nur zum Vorsteher des Klosters geworden sein, was etwas weniger pathetisch ist, den Erfolg des Märchens aber wohl kaum geschmälert hätte. Seit es 1898 unter dem Titel "Japanese fairy tales: The boy who drew cats" erschien, sind viele Ausgaben der Geschichte in allen möglichen Ländern der Welt veröffentlicht worden. Zuletzt auch in Lettland, wo Anita Kreituse Illustrationen beisteuerte, deren Stil auch jenen vertraut sein dürfte, die den Namen der Künstlerin noch nie gehört haben. Vor ein paar Jahren hat Anita Kreituse die Illustrationen auf den Packungen von "Yogi Tee" gemalt, die in jedem deutschen Bio-Supermarkt ganze Regalreihen füllen.
Für die nun ins Deutsche übersetzte und großzügig gestaltete lettische Ausgabe des Märchens hat Kreituse Doppelseiten gezeichnet, von denen mehrere aufeinanderfolgen, bevor dann jeweils eine Seite ausschließlich dem Text gewidmet ist. Dieser Wechsel von Lesen und Schauen ermuntert dazu, genau hinzusehen. Häufig spielen die Bilder von Anita Kreituse mit Proportionen, verzichten auf einen klaren Mittelpunkt und auf perspektivische Darstellung. Stattdessen setzen sie groß in Szene, was den Kern der Geschichte ausmacht: die Katzen, die oft in knallbunten Farben und Überlebensgröße die Bilder dominieren, als wären sie gute Geister, die den Jungen auf seinem Weg begleiten. Der ist fast immer traumverloren mit seinem Pinsel beschäftigt. Er trotzt Wind und Wetter, übersteht gefährliche Reisen, blickt seine Eltern und den Priester, der ihn auf einen rechten Pfad bringen soll, stets folgsam an - und scheint doch nur wahrzunehmen, was seine Leidenschaft zulässt.
Eine Leidenschaft, die ihn nicht ver-, sondern anleitet und märchenhaft beschützt. Ob als Künstler oder Priester ist da ganz egal. LENA BOPP
Lafcadio Hearn, Anita Kreituse: "Der Junge, der Katzen malte".
Aus dem Englischen von Gabriela Bracklo. Edition Bracklo, Birkenwerder 2021. 52 S., geb., 24,80 Euro. Ab 5 J.
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