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Der junge Ford wird von seinem Vater ausgesandt, seine Mutter heimzuholen, die ihren selbstherrlichen Mann verlassen hat. Der Autor erzählt die Geschichte seines Helden wie einen Ritterroman. Die Abenteuer und Verwicklungen des jungen Ford decken nach und nach die verstrickten Geheimnisse seiner Familie auf. Warum ließ der Großvater seine erste Frau in der DDR verschwinden und heiratete ihre Schwester? Wozu wurde einem Stasispitzel heimlich der Fuß ampotiert? Und wer betrog wen im Kreuz und Quer der Seitensprünge? Der Weg nach Italien wird für den jungen Dord zu einem Trip in die eigenen Erinnerungen.…mehr

Produktbeschreibung
Der junge Ford wird von seinem Vater ausgesandt, seine Mutter heimzuholen, die ihren selbstherrlichen Mann verlassen hat. Der Autor erzählt die Geschichte seines Helden wie einen Ritterroman. Die Abenteuer und Verwicklungen des jungen Ford decken nach und nach die verstrickten Geheimnisse seiner Familie auf. Warum ließ der Großvater seine erste Frau in der DDR verschwinden und heiratete ihre Schwester? Wozu wurde einem Stasispitzel heimlich der Fuß ampotiert? Und wer betrog wen im Kreuz und Quer der Seitensprünge? Der Weg nach Italien wird für den jungen Dord zu einem Trip in die eigenen Erinnerungen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.11.1999

Wo ein Hausboot ist, ist auch ein Steg
Mehr und weniger als ein Bildungsroman: Das Debüt von Mirko Bonné bringt sich um Kopf und Kragen / Von Thomas Wirtz

Irgendwann endet das Nachdenken über den Bildungsroman beim Bild der morgendlichen Harnverhaltung. Denn der Austritt aus dem Schlaf des Bewusstseins lässt sich hinauszögern und lustvoll verschieben - verhindern lässt er sich nicht. Die Vertreibung aus dem kindlichen Paradies des Bettes in den weißgekachelten Funktionsraum der Erwachsenen ist das täglich wiederholte Modell einer Sozialisation, die vor allem den deutschen Roman umgetrieben hat. Das Ende der Bewusstseinstrübung lässt sich fintenreich verschleppen, doch verlangen Körper und Sitte schließlich ihr Recht: Das Unvermeidliche - Kompromiss oder Scheitern - setzt allem Kampf eine zeitliche Frist. Der endlos verlängerte Widerstand gegen die Realität brächte nicht nur Allmachtsträume zum Platzen.

Dass Mirko Bonné seinen Debütroman "Der junge Fordt" mit solcher Verhaltung beginnt und seinen Helden in einen "persönlichen Rekord" von achtzehnstündigem Tiefschlaf hineintreibt, offenbart seine Ambitionen in dieser Wilhelm-Meister-Gattung. Der "Augenblick der Erleichterung" ist auch ein Friedensschluss mit der ordnungsstiftenden Vaterwelt: "Meist dachte ich dabei an meinen Vater." Sogar der anfangs vornamenlose Name des Helden fügt sich in dieses alte Erzählprogramm ein: Kaum zufällig drängt sich die kalauernde Fordt-Bildung auf. Mirko Bonné kalkuliert solche Verweise und Wortspiele ein, sein Ehrgeiz zielt auf den sofortigen Sprung in die Königsklasse des Romans. Mit Bildung wird nicht gegeizt, wo Bildung beschrieben werden soll; Reflexion ist das Rüstzeug dieser literarischen Literaturbeobachtung.

Und doch bleibt die Freude auf Leserseite trotz allen Wiedererkennens verhalten; um im Bild zu bleiben: Bonnés Debüt leidet unter einer Inkontinenz des Gedankens, einem Drang der Ideen. Was so traditionsverspielt und andeutungszwinkernd daherkommt, verliert nicht den in jedem Satz lesbaren Zwang zur Höchstleistung. Um die Klippe der erzählerischen Leichtigkeit, die sein Held mit Flapsigkeit beweisen will, schifft der Roman selbst nicht herum.

Interessant ist nur der Beginn des dreiteilig gebauten Romans, weil er sich für sein Spiel noch Zeit nimmt. Fordt senior, ruheständlerischer Erfinder einer Schiffsschraube und gewalttätiger Alleinerzieher, lebt mit dem Arzt Seeler - der Namenswitz bleibt nicht ausgespart - als "symbiotisches Doppelgespann" auf einem Hausboot. Seitdem seine Frau erst die Scheidung und dann die Flucht nach Italien gesucht hat, kann er am Sohn allein seine Schlagkraft erproben. Der junge Fordt verdöst untätig sein Leben zwischen diesem Altherrendoppel, dessen Beziehung ebenso stabil wie in seinen Abgründen ungeklärt bleibt. Eines Tages wird er auf die Muttersuche nach Italien geschickt, wo kindliche Vereinigungsträume blühen und die Familienwunde wieder heilen soll. Der Aufbruch in ein Leben jenseits des Hausboots ist natürlich eine Selbsterfindung, eine Bildung an den Unbilden der Reise. In dem Maße, wie der junge Fordt in Abenteuern seinen Besitz verliert, gewinnt er die Unabhängigkeit vom Vater. Doch die Lebensreise quer durch die Familiengeschichte ist ein Desaster, das schon in Innsbruck endet. Der väterliche Auftrag bleibt unerfüllt, die Mutter verloren.

Die Stärke dieses ersten Teils ist seine Beschränkung. Die fühlbare Nähe des Vaters nötigt dem jungen Fordt eine Feind-Fixierung auf, die dem Roman als Beschneidung seines Gedankenwucherns zugute kommt: Der Vater ist der ungeliebte Gravitationspunkt dieses schwerelos verpennten Lebens, ein Pflock auf der Schäfchenwiese des verschlafenen Traums. Immer wieder kehrt der Ich-Monolog von seinen abschweifenden Ausflügen zur Hausboot-Besatzung zurück, Fordts Schiffsjungendienste reinigen auch manches Gedankengespinst und vertäuen Assoziationsgerümpel auf dem Alltagsdeck. Längst schon hat die ungebliebte Bindung an den Vater eine gemeinsame Familiensprache hervorgebracht. Das "Instantmatra" des Erfinders: achtmalkluge Lebensweisheiten, mit denen Trivialität und Tiefsinn sich zum Aphorismus verbinden, wiederholt der Sohn als schnoddrig tönende Philosophie. "Man wird nicht erfüllt, sondern beherrscht von Sehnsucht." Solche Nachdenklichkeiten durchlöchern die freischwebende Banalität, Pediküre trifft auf Plato, Notwehr auf Baudelaire. In seinen geglückten Momenten strudelt der Monolog voran und unterspült den Deich zwischen Genialität und Schwachsinn. Das scheinbar Traumgängerische des Sohnes grundiert dann ein Unterton der Beschädigung, im Mahlwerk der ununterbrochenen Sprache wird die Familienvergangenheit zu Nichtigkeiten zerkleinert.

Die Suche nach der italienflüchtigen Mutter gerät zur Grabungsarbeit am Stammbaum; im jungen Fordt kreuzen sich die verlorenen Biografien seiner weitverzweigten Sippe. Seine Bildung durchkreuzen pikareske Geheimnisse: Einfüßige Frauen lauern ihm im Zugabteil auf, ein Prothesenerfinder trachtet ihm nach dem Leben, seine Rosenheimer Großmutter findet er zwischen Turnmatten und Ganoven wieder. Schieberbanden, Stasispitzel, ein Attentat auf Willy Brandt am Tegernsee: Ohne die Fixierung auf den Vater und seinen eingeschläferten Körper überstürzen sich die Ereignisse. Der zielstrebige Weg zur Mutter verliert sich im Dickicht der Begegnungen, das literarische Spiel hat am Bildungsroman nicht genug und lädt zusätzlich Geheimbundmotive und Don Quixoterien hinzu. Das Personal fächert ins Unendliche auf, und noch die letzte Nebencharge wird mit einer Bedeutung beladen, als entscheide sich an ihr Schicksal von Held und Roman. Das Erzählen verliert sich dabei im Einerlei der Skurrilitäten.

Irgendwann, nach eingeschobenen Briefen und einer unerzählten Lücke von zwei Jahren, geht der Roman in der Er-Perspektive weiter und damit seine Form endgültig den Bach runter. "Der junge Fordt" erinnert auf diesen letzten hundert Seiten an den Rubik's Cube, diesen Drehwürfel der siebziger Jahre, dessen kleine Farbflächen sich mit Konzentration und Ausdauer zur monochromen Ordnung bringen ließen. Mirko Bonné hat diesen Würfel manipuliert und damit die Lust des Lesespielers zerstört: Ins Unendliche dreht er die dunklen Verwicklungen seiner Personen, ohne eine Lösung bereitzuhalten. Wo Namen und Charaktermerkmale am Anfang die Wirklichkeit anreicherten, steht am Ende in ihrer wahllosen Häufung der Ausverkauf. Die Bereitschaft des Lesers, den Verzweigungen des Stammbaums hinterherzusteigen und dem Autor auch auf den dünnsten Ast zu folgen, bleibt ohne Aufklärung. Nicht aber die kunstvolle Enttäuschung der Erwartung, sondern gehetzte Lieblosigkeit bestimmt zunehmend diesen leeren Ausgang. Jeder neue Dreh am Erzählwürfel erhöht nur die Gleichgültigkeit. Buch und Würfel kann man aus der Hand legen, wenn sie ohne Sinn bleiben.

Am Ende des Romans steht ein kunsthandwerklich gesuchtes Bild. Mit einem Degen geht der junge Fordt auf einen Schwan los, der jedem Stoß mit bewusstloser Sicherheit ausweicht: "Der Schwan schwankte kurz, und mein Stoß ging ins Leere." Schon in Kleists "Marionettentheater" hat diese naive Überlegenheit der gedankenlosen Natur den Menschen verzweifeln lassen. Mirko Bonnés Finten aber gehen ins Leere, weil ihm zwischendurch der mitkämpfende Leser abhanden gekommen ist. Irgendwo hat er einen Erzähler verlassen, dessen Spiegelfechtereien keinen weiteren Zuschauer brauchen.

Mirko Bonné: "Der junge Fordt". Roman. DuMont Buchverlag, Köln 1999. 277 S., geb., 39,80 DM.

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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Äusserst angetan zeigt sich Dorothea Dieckmann von diesem "(t)rotzig-lakonischen und grimmig charmanten Abenteurerbericht" Bonnés. Dabei weiss sie nicht nur der Geschichte selbst etwas abzugewinnen, sondern vor allem auch Bonnés kompliziert gesponnenem Netz von Wortanalogien und Querverweisen. Namen, deren Buchstabenkombinationen eine tiefere Bedeutung haben, Farben, Gesten: All dies scheine in Bonnés Verweisstruktur eine orakelnde Rolle zu spielen bei der Suche nach einer Antwort auf die ewige Frage "Wer bin ich?". Allerdings meint die Rezensentin, dass sich dem Leser manches in diesem Roman erst nach und nach erschliesst, so dass "Der junge Fordt" ein Buch ist, das man gut ein zweites Mal lesen könne, ja das es geradezu dazu herausfordere.

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