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Der Stauferkaiser Friedrich II. ist eine der zentralen Persönlichkeiten der europäischen Geschichte. Seit Kantorowicz' Biographie aus den 20er Jahren aber steht eine Gesamtschau dieses größten Staufers aus. Mit dem zweiten Teil seiner bravourösen Friedrich-Biographie, die die 30 Jahre währende Kaiserherrschaft darstellt, schließt Wolfgang Stürner diese Lücke.

Produktbeschreibung
Der Stauferkaiser Friedrich II. ist eine der zentralen Persönlichkeiten der europäischen Geschichte. Seit Kantorowicz' Biographie aus den 20er Jahren aber steht eine Gesamtschau dieses größten Staufers aus. Mit dem zweiten Teil seiner bravourösen Friedrich-Biographie, die die 30 Jahre währende Kaiserherrschaft darstellt, schließt Wolfgang Stürner diese Lücke.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.10.2000

Das Falkenvaterl vom Castel del Monte
Alleskönner: Friedrich II. als Prüfstein historischer Biographik / Von Michael Borgolte

Kann man eigentlich eine Biographie Friedrichs II. schreiben, des letzten großen Kaisers im Mittelalter (1194 bis 1250)? Läßt sich aus seiner Persönlichkeit ein Leben entwickeln, dem nach staatsmännischem Format, weltpolitischer Wirkung, forschendem Wissensdrang und künstlerischem Geschmack nur Karl der Große gleichgekommen war? Einer, der die Aufgabe gewagt und genial gelöst hat, Ernst H. Kantorowicz, gab auf diese Fragen schon vor siebzig Jahren in einer Selbstrezension bedenkenswerte Auskünfte. Nach Kantorowicz werde es sich nämlich niemals ermitteln lassen, wie Karl oder Otto der Große, die Salier namens Heinrich oder eben Friedrich der Staufer "wirklich gewesen sind"; ethische und religiöse Verhaltensnormen, denen sie sich unterwarfen, und der Wille zur herrscherlichen Selbstdarstellung haben, neben anderem, das persönliche Denken und Wollen der Kaiser verschüttet. Das Höchste, was der Geschichtsschreiber bei seiner Annäherung an die Herrschergestalten erreichen könne, sei es, zu sagen: "So haben sie sich gegeben, und so hat ihre Zeit sie gesehen."

Kantorowicz hatte deshalb in einem kühnen Zugriff auf Friedrichs Person aus den Reaktionen der Zeitgenossen und sogar der Nachwelt geschlossen - zumal er unterstellte, daß der Kaiser an der geistigen Welt des dreizehnten Jahrhunderts ebenso Anteil hatte, wie er sie selbst formte. Mit diesem Ansatz hat der Autor viele seiner Fachkollegen bis heute verstört. Unangefochten davon bleibt jedoch Kantorowicz' Erkenntnis, daß Geschichtsschreibung ohne schöpferisches Moment nicht gelingen kann, das sich immer auf zwei Wirklichkeiten zugleich beziehen muß, diejenige der historischen Zeit wie diejenige des Autors selbst. Mit seiner Einsicht in die Plastizität der Vergangenheit, deren Wahrnehmung und Darstellung eben stets durch das Subjekt des Historikers geformt werden, zog Kantorowicz seinerzeit die Konsequenzen aus den Einwänden gegen die Faktensammler um die Jahrhundertwende. Demnach war nämlich die Hoffnung vergeblich, je alle Tatsachen ermitteln, zum historischen Ganzen fügen und so zur Wahrheit vorstoßen zu können - zumal die Tatsachen selbst eindeutig gar nicht erkennbar sind, sondern je nach Fragestellung und Kontexten ganz unterschiedlich in Erscheinung treten.

Angesichts dieser schwierigen Lage der Wissenschaft durfte man gespannt sein auf eine neue Monographie über Friedrich II., die der Stuttgarter Mediävist Wolfgang Stürner angekündigt hatte. Zwar war ein erster Band des Werkes über die frühen Jahre des Staufers als König in Sizilien und Deutschland bereits 1992 erschienen (F.A.Z. vom 17. November 1992), aber der in jeder Hinsicht gewichtigere Teil zwei blieb bis jetzt aufgespart: zum 750. Todestag des Kaisers (13. Dezember). Konzipiert wurde sie für eine neue Reihe über "Gestalten des Mittelalters und der Renaissance", die sich als Reaktion auf die quantifizierende Sozialhistorie der letzten Jahrzehnte einer "Humanisierung" der Geschichtswissenschaft verschrieben hat.

Nach den Vorgaben des Herausgebers mußte Stürner seine Aufgabe darin sehen, die Forschungsliteratur seit Kantorowicz und die gesamte, auch die inzwischen entdeckte Überlieferung aufzuarbeiten und zu einer neuen Synthese zu fügen; im Ergebnis, dem Umfang von zirka eintausend Seiten nach, entspricht sie dem Werk des großen Vorgängers. Was Stürner freilich gar nicht erst versucht hat, war eine historische Gesamtwürdigung von Friedrichs Persönlichkeit und Wirken; die überragende Breite der kaiserlichen Aktivitäten hat er statt dessen zum Anlaß genommen, auch die Gesellschaft der Zeit "mit ihren wesentlichen Eigenheiten in ihrer ganzen Fülle und Buntheit vor Augen" zu führen. Stürners Buch ist deshalb auch keine Biographie, sondern besteht vor allem aus Analyse und Darstellung historischer Sachverhalte in der additiven Reihung von 136 Kleinkapiteln.

Die Enttäuschung über einen Autor, der so angestrengt an den gegenwärtigen Debatten über Chancen und Perspektiven der Geschichtsschreibung vorbeigesehen hat, wird freilich aufgewogen durch die Bewunderung für den immensen Fleiß und die Liebe zum einzelnen des positivistisch arbeitenden Gelehrten. Stürner hat wirklich ein Werk vorgelegt, das über Friedrich II. in seiner Zeit umfassend und auf der Höhe der Detailforschung informiert. Die "Laien" unter seinen Lesern wird er erfreuen durch eine klare Darstellung, den Fachleuten wird aber sein Werk auf lange Sicht als Kompendium dienlich sein. Natürlich geht es mit seinen Themen kaum über Kantorowicz hinaus. Aber die Akzente sind doch vielfach anders gesetzt.

So widmet Stürner der schon früher nicht unbeachteten Umwelt- und Gesundheitspolitik des Königs von Sizilien besondere Aufmerksamkeit, er kann aus neuen Studien zur Landesgeschichte in Deutschland ebenso schöpfen wie aus Prosopographien des Episkopats in Unteritalien. Vor allem aber wird bei ihm Friedrich als Gesetzgeber lebendig, ein Aktionsfeld, das der Autor als Forscher und Editor selbst verdienstvoll bearbeitet hat. Er behandelt auch ausführlich die erst 1954 entdeckte Lobrede auf Friedrich, den Befreier des Heiligen Grabes, die nach dessen Rückkehr aus Jerusalem ein Nikolaus im apulischen Bari (oder Bitonto) gehalten hat. Der Staufer wird dabei mit dem alttestamentlichen König David identifiziert, ja mit seinem ganzen Geschlecht ins Heilsgeschehen selbst einbezogen. An Blasphemie grenzt des Verfassers Abwandlung des englischen Grußes: "Wohlan denn, Geliebteste, lasset uns ihn grüßen mit dem Engel Gabriel: Gegrüßest seist du, Herr Kaiser, voller Gnade Gottes, der Herr sei mit dir; vernimm: er war, ist und wird sein . . ."

Glücklicherweise konnte Stürner auch noch die aktuellsten Forschungen berücksichtigen, die Johannes Fried erst in den neunziger Jahren über das berühmte "Falkenbuch" Friedrichs angestellt hat. Dreißig Jahre hatte sich der Staufer nach eigenen Worten vor der Niederschrift mit der Beizjagd beschäftigt, Experten aus aller Welt befragt, Ägypter und Engländer, Nordländer, Armenier und Spanier, dazu alle erreichbare Literatur studiert und gar durch seinen Hofphilosophen ein einschlägiges arabisches Werk ins Lateinische übersetzen lassen. Friedrich hatte die Vögel selbst beobachtet in ihrem Bewegungsverhalten, dazu Anatomie wie Physiologie untersucht, das Experiment als Methode eingeschlossen. Denn als "Erforscher und Liebhaber der Weisheit", als den er sich verstand, liebte er die Jagd zwar zur Erholung, nicht aber des Wildes, sondern der Erkenntnis wegen.

Wie Fried unlängst zeigen konnte, gab es gar zwei Falkenbücher, an denen sich Friedrichs Arbeitsweise studieren ließ. Demnach bestand die größte Leistung des kaiserlichen Autors darin, dem gesammelten Wissensstoff eine Ordnung zu geben, einen Deutungsrahmen, in dem alle Einzelheiten erst ihre spezifische Relevanz erhalten. Leider hat Stürner gerade diesen Aspekt der neuen Forschungen unerwähnt gelassen. Ähnlich wie in der Moderne Wissenschaft als Forschung, als unendliches Fortschreiten der Erkenntnis, verstanden wird, bewertete auch Friedrich am Schluß sein Bemühen, als er sah, daß sein Werk Fragment bleiben würde. Er hoffte nämlich, daß "Leute von Adel, die weniger beschäftigt sind als Wir, sondern die sich einige Mühe mit der Jagdkunst geben, mit Hilfe dieses Buches ein besseres verfassen können. Denn ständig tauchen neue und schwierige Probleme im Hinblick auf diese Wissenschaft auf."

Einer der bedeutendsten Gelehrten am Hof Friedrichs hat seine Übertragung der aristotelischen Tierkunde aus dem Arabischen mit einer vielsprachigen Widmungszeile abgeschlossen. Mit lateinischen, arabischen, slowakischen und deutschen Worten heißt es da: "Felix elmelic dober Friderich salemelich - Glücklicher Herrscher, erhabener Friedrich, Friede sei mit Dir!" Diese kosmopolitisch anmutende Zeile scheint unendlich weit entfernt zu sein von der Auffassung des Staufers durch Ernst H. Kantorowicz, der sein Werk einer der "großen deutschen Herrschergestalten" widmete "in unkaiserlicher Zeit", der dem "Weltenkönig" huldigte - bestimmt, Ost und West zu einen in dem "universalen römischen Erdrund der Deutschen"; der - obgleich selbst Jude und später zu bitterem Exil gezwungen - den "Tyrannen von Sizilien" pries, welcher die "Glaubens-, ja auch die Rasseneinheit" seines Staates herzustellen verstand durch Vertreibung oder Umsiedlung der Muslime; der freilich auch wieder und wieder betonte, daß Friedrich, der "Römer schwäbischen Bluts", ein erträumtes europäisches und zugleich deutsches Menschenbild verkörpert habe, das Europas dreifache Bildungswelt in sich schloß: Antike, Orient und Kirche.

Von derartigen hochgemuten und auch anstößigen Deutungsabsichten wußte Wolfgang Stürner sich fernzuhalten; die einzige Konzession an die Erfahrungswelt seiner Zeit erlaubt er sich mit dem Hinweis, Friedrich habe nicht nur in seinen Königreichen Jerusalem und Arelat, sondern selbst in der deutschen und sizilischen Kernzone seines Wirkens erstaunlich viel regionale Sonderungen zugelassen, ja gefördert. Stürners vorsichtige Erwägung, daß wir vielleicht "bei unseren aktuellen Bemühungen um die Einigung Europas gerade hier noch etwas von ihm lernen" könnten, verkehrt die Bewertungen von Kantorowicz geradezu in ihr Gegenteil. Denn dieser hatte in Friedrich den Pionier uniformierender Staatsbildung zu sehen gelehrt. Solange aber die eine oder andere oder noch eine dritte Interpretation erwägenswert bleiben - so lange mag sich auch die Auseinandersetzung mit Friedrich dem Staufer für die jeweilige Gegenwart lohnen.

Wolfgang Stürner: "Friedrich II." Teil 2: Der Kaiser 1220 bis 1250. Primus Verlag, Darmstadt 2000. XIV, 661 S., 12 Abb., geb., 98,- DM.

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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Valentin Groebner preist dieses Buch als "Standardwerk von hohem Gebrauchswert", das auch für Laien interessant sein dürfte. Allerdings hat er auch einige Einwände. So hätte er doch gerne mehr über "kulturhistorische Hintergründe" erfahren, ein Aspekt, der seiner Ansicht nach zu kurz kommt. Zwar merkt der Rezensent anerkennend an, welch enorme Menge an Quellenmaterial Stürner bearbeitet hat. Doch die Konzentration auf politische und Aspekte liest sich seiner Meinung nach bisweilen etwas "spröde". Bedauerlich findet Groebner außerdem, dass man wenig über den "methodischen Horizont" erfährt.

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