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In seinem Roman "Der Kalligraph von Isfahan" erzählt Amir Hassan Cheheltan von Isfahan im Jahre 1722, von Überleben, verbotener Liebe und Flucht, von Krieg und Hunger und vom Zusammenprall verschiedener religiöser Kulturen, vom ewigen Kampf fundamentalistischer Asketen gegen Wein, Musik und Tanz, Poesie und deren Wahrheit. Ein Manuskriptfund führt den Erzähler der Rahmenhandlung zurück in die Vergangenheit: Es sind die letzten Monate der Herrschaft der persischen Safawiden, die ihre Hauptstadt Isfahan zur prächtigsten Stadt der Welt ausgebaut haben und Handelsbeziehungen in die ganze Welt…mehr

Produktbeschreibung
In seinem Roman "Der Kalligraph von Isfahan" erzählt Amir Hassan Cheheltan von Isfahan im Jahre 1722, von Überleben, verbotener Liebe und Flucht, von Krieg und Hunger und vom Zusammenprall verschiedener religiöser Kulturen, vom ewigen Kampf fundamentalistischer Asketen gegen Wein, Musik und Tanz, Poesie und deren Wahrheit.
Ein Manuskriptfund führt den Erzähler der Rahmenhandlung zurück in die Vergangenheit: Es sind die letzten Monate der Herrschaft der persischen Safawiden, die ihre Hauptstadt Isfahan zur prächtigsten Stadt der Welt ausgebaut haben und Handelsbeziehungen in die ganze Welt unterhalten. Aber vor den Toren der Stadt stehen afghanische Stammeskrieger und drohen sie zu erobern. Und es ist die Geschichte von Allahyâr, dem Enkel des berühmten Kalligraphen von Isfahan, eines alten Sufis und Wundertäters, der das einzige Exemplar von Rumis mystischem Hauptwerk besitzt. Für die strengen Mullahs, die bald allein herrschen werden, ebenso ketzerisch wie ein kleiner Teppich, in den das Bild einer nackten Europäerin eingeknüpft ist, der Französin Marie Petit. Sie ist Allahyârs Mutter...
Autorenporträt
Amir Hassan Cheheltan, geboren 1956 in Teheran, studierte in England Elektrotechnik, nahm am Irakkrieg teil und veröffentlichte in Teheran bislang Romane und Erzählbände. Zwei Jahre hielt er sich wegen der Bedrohung durch das Regime mit seiner Familie in Italien auf. Sein Roman Teheran Revolutionsstrasse erschien 2009 als Welt-Erstveröffentlichung auf Deutsch. Cheheltan veröffentlicht Essays und Feuilletons in der FAZ, der SZ, der ZEIT und anderswo. Er lebte zuletzt u. a. in Berlin und Los Angeles, inzwischen wieder in Teheran.

Kurt Scharf, geboren 1940, ist Übersetzer und Herausgeber von Literatur aus dem Persischen, Portugiesischen und Spanischen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.12.2015

Wenn die Afghanen kommen

Weltpremiere auf Deutsch für einen historischen Roman aus Iran: Amir Hassan Cheheltans "Kalligraph von Isfahan" ist eine unheimliche Krisenstudie.

Der 1956 geborene, in Teheran lebende Amir Hassan Cheheltan ist einer der anerkanntesten iranischen Autoren und auf dem deutschen Buchmarkt sehr präsent - so sehr, dass in diesem Herbst sogar zwei Bücher von ihm gleichzeitig erschienen sind: zum einen der 2005 von der iranischen Zensur gekürzte Roman "Iranische Dämmerung" über die Wirren der "islamischen" Revolution von 1979. Und zum anderen Cheheltans jüngster, erst vor wenigen Monaten fertiggestellter Roman "Der Kalligraph von Isfahan", der sogar seine Weltpremiere auf Deutsch hat.

Solche Romanflüchtlinge aufzunehmen ist ein Geschenk an die deutschen Leser und ein Vertrauensbeweis gegenüber den deutschen Verlagen und Übersetzern. Aber die damit einhergehende Entbettung der Literatur birgt auch Gefahren. Der Autor und sein Publikum haben keinen gemeinsamen Erfahrungshorizont mehr. Jedes neue Buch, das unter diesen Bedingungen erscheint, ist ein Schuss ins Blaue. Dieses vierte Buch von Cheheltan auf Deutsch ist ein Beispiel dafür. Der historische Roman - ein in der iranischen Literatur seltenes Genre - spielt im Jahr 1722. Es sind die letzten Monate der Herrschaft der Safawiden, die unter Schah Abbas ein Jahrhundert zuvor Isfahan zu ungekannter Blüte geführt hatten. Nun wird die Stadt von Afghanen belagert. Von den Isfahanern werden sie die "Barfüßigen" genannt: Sie erscheinen ihnen als Barbaren. Zugleich schafft der Autor damit eine Situation, die den heutigen iranischen Leser an die westliche Embargopolitik erinnert, die Iran bis zum Ende der Atomverhandlungen im Griff gehalten hat.

Held und Erzähler der Geschichte ist der achtzehnjährige Allahyar, Enkel des berühmtesten Kalligraphen der Stadt, dessen Abschriften der Gedichte Rumis begehrte Sammlerobjekte sind und der die schöngeistige Tradition der Stadt verkörpert, den barmherzigen Islam. In Opposition dazu steht die machthabende schiitische Geistlichkeit. Sie ist korrupt, brutal und hält sogar die Gedichte Rumis für Ketzerei. Schon dieses Detail dürfte genügt haben, um eine Publikation in Iran, wo die Mullahs genau in dieser Tradition herrschen, unmöglich zu machen.

Den eigentlichen Reiz des Romans bilden jedoch Einblicke in die Abgründe der menschlichen Seele, die er gewährt. Die Belagerung und die dadurch ausgelöste Hungersnot zerstören die zivilisatorische Fassade der Isfahaner. Bei dieser Schilderung des moralischen Verfalls dringt Cheheltan zum Eigentlichen seines literarischen Schaffens vor, wie wir es aus seinen anderen, in der Gegenwart spielenden Romanen kennen. Hier wie dort ist der Autor ein Meister darin, seine Figuren in ein moralisches Niemandsland laufen zu lassen und sie mit ihrer Haltlosigkeit und nackten Fleischlichkeit zu konfrontieren.

Der Großvater, vordergründig die Lichtgestalt des Buchs, beschließt einfach zu sterben, als die Situation in Isfahan zu schwierig wird, und lässt so die Familie in der größten Not allein. Allahyar kann sich selbst in der ärgsten Hungersnot nicht zwischen der sexuellen Anziehung zur Christin Manush und seiner eigentlichen Geliebten Yasmin entscheiden, die ihn zappeln lässt. Und dann betrügt er beide mit einer Nachbarin, die sich ihm für einen Laib Brot anbietet. Er ahmt die Handschrift seines Großvaters nach und würdigt die alte kalligraphische Tradition seiner Familie auf den Kopistenstatus herab, um die Manuskripte gegen ein wenig Mehl zu tauschen. Währenddessen verzehren die Isfahaner die Kadaver ihrer Mitbürger oder sogar die eigenen Kinder.

Nicht die Afghanen, die im Buch gar nicht zu sehen (sondern nur, ganz am Ende, zu hören) sind, zeigen sich als Barbaren, sondern die eingebildeten Isfahaner selbst. Schließlich fallen Kapitulation und Einmarsch der Belagerer mit der Vereinigung mit der Geliebten zusammen: "Genau in dem Augenblick, als er kam, trat ein Soldat die Haustür ein" - ein plastisches und zugleich widersprüchliches Bild für die in der islamischen Mystik verbreitete These, dass die wahre Liebe nur um den Preis der Selbstaufgabe zu haben ist. Aber ist das wirklich so?

Cheheltans Roman ist eher eine Versuchsanordnung über Moral und Kultur in Krisenzeiten als ein historischer Roman. Mit Schmökern des Genres wie "Der Medicus" (der ja ebenfalls nach Isfahan führt) oder "Der Name der Rose" sollte man ihn nicht vergleichen. "Der Kalligraph von Isfahan" ist ambitionierter, dafür mangelt es an Action und für die Leser, die Isfahan nicht kennen, wohl auch an Kolorit. Diese seltsame Mischung führt dazu, dass der Roman so unheimlich ist wie ein bedrohlicher Traum, den man nicht zu deuten versteht. Man darf gespannt sein, ob die iranischen Leser dies genauso sehen, wenn das Buch in hoffentlich nicht allzu ferner Zeit statt in der schönen Übersetzung von Kurt Scharf auch im persischen Original erscheint.

STEFAN WEIDNER

Amir Hassan Cheheltan: "Der Kalligraph von Isfahan". Roman.

Aus dem Persischen von Kurt Scharf. Verlag C. H. Beck, München 2015. 347 S., geb., 22,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensentin Susan Vahabzadeh liest Amir Hassan Cheheltans historischen Roman als Landkarte, die der Leserin Iran zu verstehen helfen könnte. Weniger die historischen Schlachtendetails des nachgezeichneten Konflikts zwischen Sunniten und Schiiten sind es, die Vahabzadeh besonders in Bann ziehen, als die genaue Zeichnung von Menschen und ihren Lebensumständen im Iran des 18. Jahrhunderts. Über Essen, Gerüche, Geschmack und Kunst und Sinnlichkeit oder wie es im Badehaus zugeht, liest die Rezensentin. Die Geschichte des Überlebenskünstlers Allahyar, sein Leben bei den Großeltern und seine erotischen Fantasien schildert der Autor laut Vahabzadeh sinnenfroh und großzügig. An eine Veröffentlichung des Textes in Cheheltans Heimat glaubt sie eher nicht.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Der grandiose iranische Romancier Amir Hassan Cheheltan erinnert in seinem historischen Roman an eine ganz andere Seite des Verhältnisses von Muslimen im Nahen Osten zu Frankreich."
Anne-Catherine Simon, Die Presse, 26. November 2015