Das aktuelle Finanzmarktdebakel und, als Folge dessen, die Krise der Realwirtschaft, beides hat die ökonomische Wissenschaft, zumindest in ihrem Mainstream, kalt erwischt. Wieder einmal wurde deutlich: Offensichtlich leben die Vertreter der Zunft tatsächlich in einer platonischen Welt, fernab jeglicher Realität, wie seinerzeit die aztekischen Hohepriester, und treiben dort, unbehelligt von allen Anfeindungen, ihre Glasperlenspiele. Unüberbrückbar scheint die Kluft zwischen der Reinheit und Brillanz ihrer akademischen Gespinste und der schmutzigen, ach so profanen Wirklichkeit. Zu Recht fragen sich Menschen mit einfach-einsichtiger Vernunft: Was machen die da eigentlich in ihrem Elfenbeinturm? Die Frage haben wir aufgegriffen. Dreißig namhafte Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler haben wir um Auskunft gebeten über den Zustand der Disziplin. Und siehe da: Die Antworten, im mündlichen Gespräch geäußert, waren gar nicht so weltfremd und straight wie die Lehrsätze in den einschlägigen Kompendien zunächst vermuten ließen. Nicht, dass Selbstzweifel und Endzeitstimmung überwogen, aber von einem überbordenden Selbstbewusstsein war nichts zu spüren. Die Gespräche fanden noch unter dem Eindruck des Falls der Berliner Mauer, dem Wiedererstarken (neo-) liberaler Politik und ihrer Legitimation durch die Mainstream-Ökonomie statt. Sie haben zwar noch keinen unmittelbaren Bezug zum gegenwärtigen Finanzmarktdebakel und seinen Folgen für die Realwirtschaft, doch finden sich bereits in ihnen Vorbehalte und Hinweise auf mögliche Fehlentwicklungen und absehbare Gefahren, die sich, im Nachhinein betrachtet, nur allzu dramatisch bewahrheitet haben. In der aus aktuellem Anlass neu formulierten Einleitung wird darauf Bezug genommen. Einige unserer Gesprächspartner sind zwischenzeitlich verstorben, etwa Ernest Mandel, Rudolf Bahro und André Gorz, so dass ihre Antworten zugleich ein Vermächtnis darstellen an die Nachwelt. Economic theory is moving in the direction of an evolutionary paradigmRobert Ayres (Pittsburgh) Sie überschätzen die intellektuelle Leistungsfähigkeit von ÖkonomenLeonhard Bauer (Wien) Der Finanzmarkt macht vernünftiges wirtschaftliches Handeln unmöglichJean-Pierre Dupuy (Paris) Dem Kapitalismus ist es höchst gleichgültig, was die Menschen einschließlich der Wissenschaftler von ihm denken. Deshalb ist er auch dann funktionsfähig, wenn die Einsichten der Wissenschaftler unzureichend oder gar falsch sind.Hajo Riese (Berlin) Diese Theorien sind perfekt, elegant und konsistent, aber sie sind zu platonischWolfgang Edelmüller (Wien) Der Markt wird dafür sorgen, dass die Menschen krepierenAndré Gorz (Paris) Fachidioten sind bequemer zu manipulierenHeinz-Dieter Haustein (Berlin) Academic economics is moving in the wrong directionWassily W. Leontief (New York) Denkmodelle klammern das Leben aus. Deswegen halten sich völlig abstruse wissenschaftliche Modelle der Ökonomie an den Universitäten und werden tradiert. Ihr Zweck ist gar nicht, ökonomisch-politische Entscheidungen inhaltlich zu bestimmenHerbert Pietschmann (Wien) Die Schulden werden mit Garantie nicht zurückbezahlt werdenMichael Pollak (Paris) Die akademische Ökonomie ist eine RiesenlobbyKurt Rothschild (Wien) Erst wenn die Katastrophe eingetreten ist, beginnt sich etwas zu ändernGerhard Schwarz (Wien) Den Mainstream kann man vergessenRolf Schwendter (Kassel) Die ökonomische Methode ist gut für die Analyse von ErdbeerpreisenHerbert Walther (Wien) Ich finde, diese Ökonomie gehört eigentlich abgeschafft und nicht bloß begrenztClaudia von Werlhof (Innsbruck) Krisen sind langfristig unvermeidlich. Das kann jeder Hochschüler schon zu Beginn seines Studiums verstehenErnest Mandel (Brüssel) Die Marktökonomie ist ein phantastischer ExternalisierungsmechanismusElmar Altvater (Berlin) Das ganze Gerede über den Markt ist pure Ideologie. Im Kapitalismus von heute wird effektiver geplant, als es im Osten je der Fall warRudolf Bahro (Berlin) Man redet nur von