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Produktdetails
  • Verlag: Knaus
  • Seitenzahl: 414
  • Abmessung: 195mm
  • Gewicht: 528g
  • ISBN-13: 9783813501346
  • ISBN-10: 3813501345
  • Artikelnr.: 25025155
  • Herstellerkennzeichnung
  • Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.11.2000

Ende einer Zugfahrt
Peter K. Wehrli macht unterbelichtete Schnappschüsse

Diesem Buch liegt eine durchaus eigenwillige Idee zugrunde: Auf einer Eisenbahnreise, die den Autor 1968 von Zürich nach Beirut brachte, stellte er schon bei der Ausfahrt aus dem Bahnhof von Zürich fest, daß er seine Kamera zu Hause vergessen hatte. "So beschloß er", heißt es in der Editorischen Notiz, "die Erinnerungsbilder dieser Reise statt mit der Kamera nun mit den Mitteln der Sprache anzufertigen." Von da an nimmt das Unheil seinen Lauf. Wehrli wird über 31 Jahre und vierhundert Seiten lang das Gedankenknipsen betreiben.

Er dokumentiert die Reise mit knappen Einstellungen, wobei ihm nicht selten in überraschender Perspektive kleine, feine Bilder von Beiläufigem gelingen. Es ist die scharfe Fokussierung mit pointierter Bildaussage, die den kurzen Nummern gelegentlich eine besondere atmosphärische Plastizität verleiht. Diese Schnappschüsse fangen Reisealltag ein, halten schnelle Momente des zufälligen Zusammentreffens von Menschen unterschiedlichster Herkunft im engen Raum eines Eisenbahnabteils fest. Kleine Geschichten blitzen bisweilen in einem Satz auf. So reiht sich Bild an Bild, Ereignisse an Erinnerungen, Anekdotisches an Erhabenes.

Da stellen sich kurze Lehrstücke über verschmitzte Schlitzohrigkeit, über Ehre und Großzügigkeit listig neben die Kleinlichkeiten des bürokratischen Gehabes von Staatsbeamten. Im Vorbeifahren werden Blicke auf Dörfer geworfen, die, ohne die blitzschnelle Betätigung des "Sprachauslösers", im Nu wieder entschwunden wären. Dort aber, wo der simple Prozeß des Einstellens und Knipsens durch sprachliche Untermalungen aufgewertet werden soll, kommt es leicht zu Verwacklungen, die bisweilen nicht ohne unfreiwillige Komik sind.

Hinter Beirut und der Nummer 149, da ist man schon auf Seite 46, wird es ermüdend, geht aber noch fast dreihundert Seiten und 31 Jahre lang weiter. Es folgen das Filmfestival von Cannes, wiederholt Brasilien, immer wieder Zürich als Lebensmittelpunkt des Autors mit allen ehemaligen Einrichtungen wie das Restaurant "Eckstein", das alte, "echte" Café "Odeon" und ihr ganzes Inventar mehr oder weniger origineller Figuren - alles in allem eine matte Reminiszenz an eine entschwundene Epoche.

Der weitere Verlauf ist von lähmender Eintönigkeit. Die strenge Beschränkung auf die Grundidee wird zwar zusehends aufgeweicht, das Experiment gibt letzten Endes nicht mehr her als irgendein beliebiges Tagebuch. Diesem Tagebuch aber fehlt, um es zu einer literarischen Gattung zu machen, ganz Entscheidendes: etwas, das über das Private mit seinen idiosynkratischen Ablegern hinaus von Interesse sein könnte. Statt dessen versinkt der Text durch eine vermeintliche Erweiterung der Einstellungen, die sich dem Film verdanken sollen - Schwenk, Groß- und Nahaufnahme, Narration und Inszenierung -, immer mehr im moralisierenden Exotismus des weitgereisten Intellektuellen von altachtundsechziger Prägung. Das gibt sich weltläufig und bleibt in Ton und Haltung doch immer daheim in Zürich bei der ehemals gehabten Grundidee, die sich als unzureichend herausstellt: "Der Katalog von Allem als Postversandroman" trägt als literarische Gattung nicht. Die Nummer 1111, bis zu der er fortgeführt wurde, entpuppt sich zu guter Letzt als Schnapszahl einer echten Schnapsidee.

Dialektfärbungen können die Würze eines Textes ausmachen; hier werden sie zum ridikülen Manierismus, Welten entfernt von der sprachlichen Kraft eines Robert Walser - von Keller und Gotthelf natürlich ganz zu schweigen. Die stilistischen Gespreiztheiten nehmen überhand. Man stolpert aber auch über besonders herausragende Nummern wie etwa Nummer 835, die Bricole-Technik: "Die Bricole-Technik, von der mir Helmut Eisendle im Restaurant ,Zum grünen Anker' des herrlichen Wirtes Herrn Glück, nach meiner Lesung in Wien, erklärt, daß sie Konstellationen auf dem Billardtisch durch den Abprallwinkel von den Banden zu sprengen vermöge, und mein anfängliches Verwirrtsein darob, daß es ihm gelingt, mir klarzumachen, daß der Katalog von Allem möglicherweise ein Beitrag sein könnte zum Erarbeiten einer literarischen Bricole-Technik und daß da der im Titel eingestellte Fokus beim Beobachteten - statt durch den gewichtenden sprachlichen Effekt - erst durch das festgelegt wird, was an den Banden passiert (835a) und mein Einverständnis mit Helmuts Übertragung der Bricole-Technik auf meine Katalogarbeit, das ich dann geben müßte, falls es mir gelänge, die Wirklichkeit allein dadurch zu verändern, daß ich sie beobachte."

Das liest sich nun beim besten Willen eher wie eine schlechte Übersetzung als wie der Originaltext eines "Sprachkünstlers", was im Klappentext behauptet wird. Daß es sich dabei auch noch um ein Buch handeln soll, das einen fremdsprachigen Leser wieder zum Deutschen zurückbringen könnte, wie von einem anglophonen Rezensenten auf dem Umschlag euphorisch verkündet, läßt sich dann in der Tat nur noch mit mangelnden deutschen Sprachkenntnissen erklären.

GENNARO GHIRARDELLI

Peter K. Wehrli: "Katalog von Allem". 1111 Nummern aus 31 Jahren. Albrecht Knaus Verlag, München 1999. 415 S., geb., 44,90 DM.

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Der Journalist vergisst seinen Fotoapparat; statt Bilder zu knipsen beschreibt er, was er sonst fotografiert hätte und numeriert seine Notizen wie Fotos; daraus sind Wehrlis "1111 Nummern aus 31 Jahren" entstanden, die Hermann Wallmann staunend zu einem der "wunderlichsten Bücher der letzten Jahre" erklärt. Mit Rückgriff auf Dittberner und Handke reflektiert Wallmann, was dem Autor vielleicht durch den Sinnn gegangen ist, als er aus seinen Notizen solche numerierten Miniaturen machte. Die geschärfte Aufmerksamkeit, die sonst dem Auge der Kamera überantwortet ist, hat zu vielerlei Beschriebenem geführt, das sich aneinanderreiht, auswächst, in einen Dialog miteinander tritt - Regentropfen auf Baumblätter prasselnd, ein Kneipengast, Handke als Interviewpartner - und den Rezensenten angenehm unterhalten.

© Perlentaucher Medien GmbH