In seinen autobiografischen Schriften („Die Ursache“, „Der Keller“, „Der Atem“, „Die Kälte“ und „Ein Kind“) verarbeitete der österreichische Schriftsteller Thomas Bernhard seine Kindheit und Jugend. Diese Erinnerungen spiegeln seine furchtbaren Erlebnisse im nationalsozialistisch und katholisch
geprägten Österreich wider.
Erschütternd und polemisch schildert er die frühen Verletzungen und das…mehrIn seinen autobiografischen Schriften („Die Ursache“, „Der Keller“, „Der Atem“, „Die Kälte“ und „Ein Kind“) verarbeitete der österreichische Schriftsteller Thomas Bernhard seine Kindheit und Jugend. Diese Erinnerungen spiegeln seine furchtbaren Erlebnisse im nationalsozialistisch und katholisch geprägten Österreich wider.
Erschütternd und polemisch schildert er die frühen Verletzungen und das Eingesperrtsein in den verschiedenen Institutionen wie Schule, Internat, Erziehungslager, Krankenhaus und Sanatorium. Wer die Welt von Thomas Bernhard verstehen will, findet hier den Schlüssel. Kaum ein Text ist intimer und berührender als diese Erinnerungen. Alle fünf Bände erschienen Ende der 70er bzw. Anfang der 80er Jahre im Residenz Verlag Pölten und liegen nun aus Anlass des 90. Geburtstags von Thomas Bernhard als Taschenbuchausgaben im Deutschen Taschenbuch Verlag vor.
„Der Keller - Eine Entziehung“ (1976) ist der zweite Band dieser fünfteiligen Autobiografie. Die unmittelbare Fortsetzung des ersten Bandes „Die Ursache“ beginnt mit dem Morgen, als der 16jährige Gymnasiast Bernhard spontan beschließt, sich seinem verhassten Schulleben zu entziehen. Gegen alle Vernunft verschafft er sich eine Lehrstelle im Lebensmittelgeschäft von Karl Podlaha.
Der Kolonialwarenladen befindet sich in einem Keller der Scherzhausersiedlung, einem elenden Wohnghetto am Rande von Salzburg. Der Keller ist der Mittelpunkt dieser übelverleumdeten Siedlung, täglich geben sich hier die Hungernden und halb Verhungerten die Klinke in die Hand. In diesem Umfeld begegnen Bernhard Menschen, die wie er von der bürgerlichen Gesellschaft ausgestoßen sind: Besitzlose, Asoziale und Kleinkriminelle, für die der junge Lehrling aber Besitz ergreift. „An manchen Tagen atmete ich nichts als den Geruch all derer ein, die in der Scherzhausersiedlung bei lebendigem Leibe verfaulten.“ Doch in dem Salzburger „Schreckensviertel“ findet er die ersehnte Anerkennung.
Nach der befreienden Abkehr von dem als feindlich empfundenen Gymnasium besucht Bernhard nun einmal wöchentlich eine kaufmännische Berufsschule. Trotzdem reagiert die Familie ablehnend, er wird als Störenfried diffamiert. Nur sein Großvater unterstützt ihn, sucht sogar einen Gesangslehrer für ihn. Neben dem Kellerbesitzer Podlaha, von dem er den Umgang mit Menschen gelernt hat, ist der Großvater die prägende Figur in seiner Jugend.
Im Herbst 1948, mit 17 Jahren, bekommt Bernhard nach Wochen der Überanstrengung eine Erkältung mit hohem Fiber, woraus sich eine Lungentuberkulose entwickelt. In den anschließenden Aufenthalten in verschiedenen Sanatorien und Lungenheilstätten wird der Kranke schließlich die Welt der Literatur entdecken.
Manfred Orlick