Am 13. März 1991 begannen die 90er Jahre. Nur wenige Meter vom ehemaligen Todesstreifen entfernt eröffnete in einer massiven unterirdischen Stahlkammer der Club »Tresor«. Von hier aus breitete sich mit 180 BPM die Jugendkultur aus, die Ost und West vereinte: Techno. Nach dem Sturz der Mauer stehen überall in Berlin ungenutzte Flächen und Gebäude bereit, mit neuem Leben gefüllt zu werden. Die Besitzverhältnisse sind ungeklärt, und so erobert die Szene aus beiden Teilen der Stadt die neuen Freiräume. Clubs, Galerien, Ateliers und Studios entstehen - oft nur für wenige Wochen. Bald schon ist Berlin Epizentrum einer neuen Kultur, lockt mit Clubs wie dem »Tresor« und dem »E-Werk« Tausende Anhänger aus aller Welt an. Sie tanzen in Gasmaske oder Schweißerbrille die Nacht hindurch zum Preßlufthammersound bisher unbekannter DJs aus Detroit. Unter ihnen auch Schriftsteller, Künstler, Fotografen und Designer. Schnell wächst Techno zu einer Bewegung der Massen, die in der Loveparade ihre schillerndste Blüte treibt. DJs, Clubmacher, Musikproduzenten, Türsteher und Szenegestalten, Menschen aus der Mitte der Bewegung und von ihren Rändern, sie alle kommen in »Klang der Familie« zu Wort und lassen eine Zeit lebendig werden, in der alles möglich schien.
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Rezensent Alexis Waltz weiß dieses Buch von Felix Denk und Sven von Thülen über die Berliner Techno-Szene zu schätzen. In Form eines aus 70 Interviews montierten vierhundertseitigen Dialogs gelingt den Autoren seines Erachtens eine materialreiche und ausführliche Darstellung von Aufstieg und Fall der Technobewegung. Eingehend erzählt Waltz diese Geschichte nach, berichtet über die Anfänge in Kreuzberger Kellerlöchern, über den Spirit der Bewegung, den aus Detroit stammenden Sound und vieles mehr. Die Autoren beschreiben Techno nach Darstellung von Waltz nicht musikhistorisch, sondern soziologisch, indem sie auch die Orte, die Clubs, die Szene, die Cliquen, die Akteure einbeziehen. Wer sich für die Techno-Szene und Musik in ihrer Entwicklung interessiert, dürfte bei diesem Buch auf seine Kosten kommen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.08.2013Bunkertänzer
Aus Judy Garlands Lied im "Zauberer von Oz" machte die Berliner DJane Marusha vor bald zwanzig Jahren eine Technoversion, mit der sie den dritten Platz der deutschen Single-Charts erreichte. Für die deutsche Pop-Kultur sei "Somewhere over the Rainbow" die "definierende Platte" der neunziger Jahre, erklärt einer von Marushas Wegbegleitern. "Die Platte war einer der Sargnägel der Bewegung", sagt ein anderer Protagonist der Berliner Technoszene. Beide Befunde finden sich in einem Band, für den Felix Denk und Sven von Thülen einhundertfünfzig Interviews zu einem Erinnerungsmosaik verfugen, mit dem den Journalisten eine souverän montierte Oral-History-Chronik zur Berliner Sound- und Stadtgeschichte im späten zwanzigsten Jahrhundert gelingt. Die Wurzeln der Technokultur verfolgen sie zurück in die geteilte Stadt der Achtziger. Nach dem Mauerfall wuchs das Nachtleben an eigenmächtig erschlossenen Orten des Leerstands, die Raum boten für Clubs mit bezeichnenden Namen wie "Tresor" und "Bunker". Zu den elektronischen Klängen tanzte erst eine Familie von Wahlverwandten, die hier zu Wort kommen - und für Außenstehende in einem biographischen Anhang vorgestellt werden. Später entzweite der enorme Erfolg der Musik manche; aber einer der "Mittäter bei der Popularisierung" merkt an: "Wenn es überschaubar und unschuldig geblieben wäre, wäre das auch der Beweis dafür gewesen, dass das nicht wirklich was war." (Felix Denk und Sven von Thülen: "Der Klang der Familie". Berlin, Techno und die Wende. Suhrkamp Verlag, Berlin 2012. 424 S., Abb., br., 14,99 [Euro].)
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Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Aus Judy Garlands Lied im "Zauberer von Oz" machte die Berliner DJane Marusha vor bald zwanzig Jahren eine Technoversion, mit der sie den dritten Platz der deutschen Single-Charts erreichte. Für die deutsche Pop-Kultur sei "Somewhere over the Rainbow" die "definierende Platte" der neunziger Jahre, erklärt einer von Marushas Wegbegleitern. "Die Platte war einer der Sargnägel der Bewegung", sagt ein anderer Protagonist der Berliner Technoszene. Beide Befunde finden sich in einem Band, für den Felix Denk und Sven von Thülen einhundertfünfzig Interviews zu einem Erinnerungsmosaik verfugen, mit dem den Journalisten eine souverän montierte Oral-History-Chronik zur Berliner Sound- und Stadtgeschichte im späten zwanzigsten Jahrhundert gelingt. Die Wurzeln der Technokultur verfolgen sie zurück in die geteilte Stadt der Achtziger. Nach dem Mauerfall wuchs das Nachtleben an eigenmächtig erschlossenen Orten des Leerstands, die Raum boten für Clubs mit bezeichnenden Namen wie "Tresor" und "Bunker". Zu den elektronischen Klängen tanzte erst eine Familie von Wahlverwandten, die hier zu Wort kommen - und für Außenstehende in einem biographischen Anhang vorgestellt werden. Später entzweite der enorme Erfolg der Musik manche; aber einer der "Mittäter bei der Popularisierung" merkt an: "Wenn es überschaubar und unschuldig geblieben wäre, wäre das auch der Beweis dafür gewesen, dass das nicht wirklich was war." (Felix Denk und Sven von Thülen: "Der Klang der Familie". Berlin, Techno und die Wende. Suhrkamp Verlag, Berlin 2012. 424 S., Abb., br., 14,99 [Euro].)
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»Ein pophistorisches Monumentalwerk.«
Jens Balzer, Berliner Zeitung 10.03.2012
Jens Balzer, Berliner Zeitung 10.03.2012