Der kleine Fuchs träumt. Von der Zeit, als er so klein wie ein Äpfelchen war. Davon, wie er zum ersten Mal mit seinen Geschwistern aus dem Bau kroch und den Mond sah. Wie er den Wald erkundete und auf einen der gefährlichen Menschen traf. Zum Glück war es ein kleiner. Und dann träumt der neugierige kleine Fuchs von dem Tag, an dem er zwei lila Schmetterlingen hinterherrannte. Das Leben ist schön, aber es kann auch gefährlich sein ...
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.03.2020Neugier ist Todesgier
"Der kleine Fuchs" erzählt von Freundschaft in Not
Was ist nur aus diesem kleinen Fuchs geworden? Es ist der kleine Fuchs selbst, der sich das fragt, am Ende eines Traums, der sein ganzes Leben zu umspannen scheint: von den ersten Erinnerungen der Geborgenheit neben den Geschwistern dicht an der Mutter über den ersten Geruch von draußen, den der Vater mit in den Bau bringt, über die erste Begegnung mit einem großen Tier am Wasser und die erste mit einem Menschen, bis zu den beiden Schmetterlingen, denen er an diesem tollen Tag am Meer hinterhergejagt ist, über die Dünen, bis er nach einem kühnen Sprung keinen Boden unter den Füßen findet, fällt - und reglos liegenbleibt.
Wenn Kinder sich beim Lesen von Edward van de Vendels und Marije Tolmans "Der kleine Fuchs" noch arglos darüber freuen, wie das strahlende Jungtier die Welt erkundet, ahnen Erwachsene schon, welchen Schrecken die vorletzten Seiten des Bilderbuchs bereithalten: Dass das ganze Leben vor dem inneren Auge noch einmal vorbeiziehen soll im Angesicht des Todes, ist ihnen durchaus vertraut.
Schließlich betrachtet der kleine Fuchs sich selbst von oben, nach dem Sturz, nach einem Schlag reglos im Sand liegend. "Wacht der kleine Fuchs noch mal auf?", fragt er sich, noch bevor ihm klar wird, dass er selbst es ist, den er dort sieht. Doch da hat ihn nicht nur der kleine Junge gefunden, der ihn einmal aus einem Einmachglas befreit hatte, in das der kleine Fuchs aus purer Neugier seinen Kopf gesteckt hatte, sondern auch viele der Tiere, denen er auf seinen Streifzügen an der Wasserstelle, im Wald und in den Dünen bislang begegnet ist. Marije Tolman hat sie in eines der in Blaugrün-Tönen gehaltenen Strandfotos gezeichnet, die der Geschichte als Hintergrund dienen, wann immer nicht geträumt wird. Es ist ein wahrer Trauerzug, der sich auf der folgenden Doppelseite auf den Weg durch den Sand macht: Gänse, Enten und Strandläufer, ein Dachs und ein Reh folgen mit hängenden Köpfen dem Jungen, der den Fuchs trägt.
Wohin? Das weiß der Junge allein, hier soll es nicht verraten werden. Nur so viel, zur Beruhigung und zum Beleg, dass dieses Buch, so nah es dem Tod auch kommt, auch vier Jahre alte Leser nicht überfordert, wenn sie nicht allein bleiben mit dem "Kleinen Fuchs": Er kommt gerade rechtzeitig, wie damals bei der Sache mit dem Einmachglas.
"Neugier ist Todesgier", gibt der Fuchsvater seinen Kindern im Traum des kleinen Fuchses mit auf den Weg, und eine seiner Schwestern meint naseweis, dass die Maus, die sie gefangen haben, wohl "zu todesgierig" war. Trotzdem ist Edward van de Vendels und Marije Tolmans Geschichte nicht etwa eine Warnung vor Übermut und Entdeckungslust. Das Buch endet sogar mit einer Ermutigung - nachdem der Autor und die Illustratorin gezeigt haben, wie gut es ist, wenn ein Freund da ist zur richtigen Zeit, und welche Sinne noch wach sein können, wenn jemand schon für immer die Augen geschlossen zu haben scheint.
FRIDTJOF KÜCHEMANN
Edward van de Vendel, Marije Tolman: "Der kleine Fuchs".
Aus dem Niederländischen von Rolf Erdorf. Gerstenberg Verlag, Hildesheim 2020. 88 S., geb., 14,- [Euro]. Ab 4 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Der kleine Fuchs" erzählt von Freundschaft in Not
Was ist nur aus diesem kleinen Fuchs geworden? Es ist der kleine Fuchs selbst, der sich das fragt, am Ende eines Traums, der sein ganzes Leben zu umspannen scheint: von den ersten Erinnerungen der Geborgenheit neben den Geschwistern dicht an der Mutter über den ersten Geruch von draußen, den der Vater mit in den Bau bringt, über die erste Begegnung mit einem großen Tier am Wasser und die erste mit einem Menschen, bis zu den beiden Schmetterlingen, denen er an diesem tollen Tag am Meer hinterhergejagt ist, über die Dünen, bis er nach einem kühnen Sprung keinen Boden unter den Füßen findet, fällt - und reglos liegenbleibt.
Wenn Kinder sich beim Lesen von Edward van de Vendels und Marije Tolmans "Der kleine Fuchs" noch arglos darüber freuen, wie das strahlende Jungtier die Welt erkundet, ahnen Erwachsene schon, welchen Schrecken die vorletzten Seiten des Bilderbuchs bereithalten: Dass das ganze Leben vor dem inneren Auge noch einmal vorbeiziehen soll im Angesicht des Todes, ist ihnen durchaus vertraut.
Schließlich betrachtet der kleine Fuchs sich selbst von oben, nach dem Sturz, nach einem Schlag reglos im Sand liegend. "Wacht der kleine Fuchs noch mal auf?", fragt er sich, noch bevor ihm klar wird, dass er selbst es ist, den er dort sieht. Doch da hat ihn nicht nur der kleine Junge gefunden, der ihn einmal aus einem Einmachglas befreit hatte, in das der kleine Fuchs aus purer Neugier seinen Kopf gesteckt hatte, sondern auch viele der Tiere, denen er auf seinen Streifzügen an der Wasserstelle, im Wald und in den Dünen bislang begegnet ist. Marije Tolman hat sie in eines der in Blaugrün-Tönen gehaltenen Strandfotos gezeichnet, die der Geschichte als Hintergrund dienen, wann immer nicht geträumt wird. Es ist ein wahrer Trauerzug, der sich auf der folgenden Doppelseite auf den Weg durch den Sand macht: Gänse, Enten und Strandläufer, ein Dachs und ein Reh folgen mit hängenden Köpfen dem Jungen, der den Fuchs trägt.
Wohin? Das weiß der Junge allein, hier soll es nicht verraten werden. Nur so viel, zur Beruhigung und zum Beleg, dass dieses Buch, so nah es dem Tod auch kommt, auch vier Jahre alte Leser nicht überfordert, wenn sie nicht allein bleiben mit dem "Kleinen Fuchs": Er kommt gerade rechtzeitig, wie damals bei der Sache mit dem Einmachglas.
"Neugier ist Todesgier", gibt der Fuchsvater seinen Kindern im Traum des kleinen Fuchses mit auf den Weg, und eine seiner Schwestern meint naseweis, dass die Maus, die sie gefangen haben, wohl "zu todesgierig" war. Trotzdem ist Edward van de Vendels und Marije Tolmans Geschichte nicht etwa eine Warnung vor Übermut und Entdeckungslust. Das Buch endet sogar mit einer Ermutigung - nachdem der Autor und die Illustratorin gezeigt haben, wie gut es ist, wenn ein Freund da ist zur richtigen Zeit, und welche Sinne noch wach sein können, wenn jemand schon für immer die Augen geschlossen zu haben scheint.
FRIDTJOF KÜCHEMANN
Edward van de Vendel, Marije Tolman: "Der kleine Fuchs".
Aus dem Niederländischen von Rolf Erdorf. Gerstenberg Verlag, Hildesheim 2020. 88 S., geb., 14,- [Euro]. Ab 4 J.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Rezensentin Hilde Elisabeth Menzel empfiehlt dieses Bilderbuch, in dem ein kleiner Fuchs nach einem Sturz bewusstlos wird, einen Traum hat und von einem Jungen gerettet wird. Die Rezensentin lobt, wie Marije Tolmans Illustrationstechniken zwischen Realität und Traum unterscheiden, und merkt dem Buch die außergewöhnlich enge Zusammenarbeit zwischen Autor und Illustratorin an. Für Kinder als Abenteuerlektüre, und für Erwachsene als Geschichte einer Nahtoderfahrung empfehlenswert, schließt sie.
© Perlentaucher Medien GmbH
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