Die größte Sehnsucht des Königspaars? Ein Kind! Ihr Wunsch geht in Form eines Holzroboters und einer verzauberten Prinzessin gleich doppelt in Erfüllung. So weit, so wunderbar - doch wie immer im Märchen gilt es eine Hürde zu überwinden: Die Prinzessin verwandelt sich allabendlich zurück in ein Stück Holz und muss am Morgen von ihrem Bruder per Zauberspruch geweckt werden. Leider vergisst er es ein einziges Mal - da landet sie auf einem Berg von Holzklötzen und wird per Schiff in den eisigen Norden verfrachtet. Der Holzroboter folgt seiner Schwester, um sie zu retten. Unzählige Abenteuer auf dem Rückweg sind zu bestehen, bis die Lage aussichtslos erscheint ... Doch mit Hilfe der Tiere des Waldes gelingt die glückliche Heimkehr!Tom Gauld erzählt und zeichnet eine märchenhafte Geschichte voller Geschwisterliebe und Abenteurertum, die derzeit in den USA, England und Frankreich mit Lob und Preis überhäuft wird.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.09.2022Sie wollte nur einmal kurz die Augen schließen
So etwas passiert, wenn man bei einer Hexe Hilfe sucht: Tom Gaulds märchenhaftes Bilderbuch "Der kleine Holzroboter und die Baumstumpfprinzessin".
Natürlich hat Tom Gauld den schönsten Einfall für sich behalten. In seinen wöchentlichen Cartoons im "Guardian", die größtenteils in der Welt der Bibliotheken, des Lesens und Schreibens spielen, hatte der Comic-Künstler und Illustrator im März 2021 einen Algorithmus skizziert, der eine Ein-Satz-Geschichte über Künstliche Intelligenz ausspuckt. Für das Subjekt wie für alle Attribute stehen dabei jeweils mehrere Varianten zur Auswahl, es kann also wahlweise ein einsamer, verrückter, sterbender oder wohlmeinender Wissenschaftler, Milliardär, Klempner oder Erfinder sein, der einen superintelligenten, dysfunktionalen, schönen, gruseligen oder gigantischen Roboter erschafft, der wiederum sich mit Menschen anfreunden, sie verstehen, umbringen oder nachahmen will.
Die für Tom Gauld typische Spannung großer Schlichtheit mit feinem Hintersinn ist auch in diesem Cartoon angelegt. Wenn Figuren in den einfach gehaltenen Zeichnungen mit ihren klaren Konturen und einfachen Formen und klaren Farben vorkommen, reichen ihm für die Andeutung von Mimik zumeist Punkte und Striche. Auch wer sein jüngstes Bilderbuch, "Der kleine Holzroboter und die Baumstumpfprinzessin", liest, geht dieser Einfachheit mit Vergnügen auf den Leim - und kommt doch aus dem Staunen kaum heraus.
Hier ist es eine Erfinderin, die königliche Erfinderin, die einen tapferen und netten Roboter aus Holz baut, im Auftrag Ihrer Majestät: Das Königspaar ist in diesem Märchen kinderlos geblieben, und während der Herrscher zur Erfinderin geht, bittet seine Gemahlin eine schlaue alte Hexe um ein Kind. Auch die Hexe tut, was sie kann, und so bekommt der kleine Holzroboter eine Baumstumpfprinzessin zur Seite gestellt. Einzige Besonderheit: Im Schlaf wird sie wieder zu dem Holzklotz, dem die Hexe kurzerhand Leben eingehaucht hatte, und erst der Zauberspruch "Wach auf, kleiner Klotz, wach auf" weckt sie und verwandelt sie wieder in eine Prinzessin.
Das Schicksal nimmt seinen Lauf, als eines schönen Morgens anstelle des Holzroboters eine ahnungslose Zofe als Erstes ans Bett der Prinzessin tritt, dort nur den Holzklotz findet und ihn kurzerhand aus dem Fenster wirft. Wie es der Zufall will, verschlägt es den Klotz zusammen mit Abertausenden anderen in den eisigen Norden, zum Glück gelingt es dem Holzroboter, die Reise mitzumachen und seine Schwester in dem riesigen Holzhaufen wiederzufinden. Jetzt müssen die beiden nur noch wieder nach Hause kommen.
Am besten, entscheidet der Roboter, reist die Baumstumpfprinzessin als Holzklotz. Doch auch der Roboter ist aus Holz und für die Strapazen dieses langen Wegs nicht gemacht - ganz zu schweigen von den Abenteuern, die er unterwegs bestehen muss. Als seine Gelenke steif geworden sind und das Getriebe abgenutzt ist, weckt er die Baumstumpfprinzessin mit letzter Kraft, und jetzt ist es an ihr, die beiden nach Hause zu bringen. Und natürlich an ihr, ebenfalls eine Reihe von Abenteuern zu erleben. Nur: Einschlafen darf sie dabei nicht.
Auf den ersten Blick besticht "Der kleine Holzroboter und die Baumstumpfprinzessin" durch reizende Schlichtheit, durch Freundlichkeit und Harmlosigkeit. Allein die Figur einer Erfinderin und deren Schöpfung eines Holzroboters ragen aus Tom Gaulds Spiel mit klassischen Märchenmotiven heraus, allein die Seitenaufteilung mit Panels wie bei Comics - allerdings ohne Sprechblasen - weitet den Rahmen eines klassischen Bilderbuchs. Doch hier steckt nicht etwa der Teufel im Detail, sondern der Witz. Tom Gauld arbeitet mit Lakonie und Reduktion in Text und Bild. Dass er einen Handwagen mit dem Holzroboter auf einer Lichtung im nächtlichen Wald neben einen Holzklotz stellt, wirkt fast schon verharmlosend, schließlich müssen sich die kindlichen Bilderbuchbetrachter mitsamt ihren Vorlesern an dieser Stelle ernstlich Sorgen um ihre beiden Helden machen.
Wie beiläufig er bei den Wanderungen erst des Roboters, dann der Prinzessin auf "zu viele Abenteuer, um sie hier alle zu erzählen" anspielt, legt seinem Publikum das schönste Kuckucksei ins Nest. Beiden widmet Gauld je eine Seite mit sechs Bildern und Märchenüberschriften, und jeder, der das Buch liest, wird sich sofort herausgefordert fühlen, kurzerhand selbst zu erfinden, was es mit Abenteuern wie "Der Zauberpudding", "Die alte Flaschendame", "Die hinterlistigen Elfen" oder "Der Säugling im Rosenstrauch" auf sich hat.
Man ahnt, was geschieht, wenn die Prinzessin auf ihrer Wanderung schließlich doch nur einmal ganz kurz die Augen zumachen will. Aber man kommt nicht drauf, wie Tom Gauld seine Geschichte dann zu ihrem märchenhaft guten Ende führt. Wie gut, dass der nette Roboter so nett ist, eine Käferfamilie in seinem Getriebe wohnen zu lassen. Wie gut, dass die Käfer, als es auf einmal so still wird, wissen, was zu tun ist. Und wie gut, dass sich die schlaue Hexe nicht nur aufs Zaubern versteht. FRIDTJOF KÜCHEMANN
Tom Gauld: "Der kleine Holzroboter und die Baumstumpfprinzessin".
Aus dem Englischen von Jörg Mühle. Moritz Verlag, Frankfurt 2022. 40 S., geb., 18,- Euro. Ab 4 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
So etwas passiert, wenn man bei einer Hexe Hilfe sucht: Tom Gaulds märchenhaftes Bilderbuch "Der kleine Holzroboter und die Baumstumpfprinzessin".
Natürlich hat Tom Gauld den schönsten Einfall für sich behalten. In seinen wöchentlichen Cartoons im "Guardian", die größtenteils in der Welt der Bibliotheken, des Lesens und Schreibens spielen, hatte der Comic-Künstler und Illustrator im März 2021 einen Algorithmus skizziert, der eine Ein-Satz-Geschichte über Künstliche Intelligenz ausspuckt. Für das Subjekt wie für alle Attribute stehen dabei jeweils mehrere Varianten zur Auswahl, es kann also wahlweise ein einsamer, verrückter, sterbender oder wohlmeinender Wissenschaftler, Milliardär, Klempner oder Erfinder sein, der einen superintelligenten, dysfunktionalen, schönen, gruseligen oder gigantischen Roboter erschafft, der wiederum sich mit Menschen anfreunden, sie verstehen, umbringen oder nachahmen will.
Die für Tom Gauld typische Spannung großer Schlichtheit mit feinem Hintersinn ist auch in diesem Cartoon angelegt. Wenn Figuren in den einfach gehaltenen Zeichnungen mit ihren klaren Konturen und einfachen Formen und klaren Farben vorkommen, reichen ihm für die Andeutung von Mimik zumeist Punkte und Striche. Auch wer sein jüngstes Bilderbuch, "Der kleine Holzroboter und die Baumstumpfprinzessin", liest, geht dieser Einfachheit mit Vergnügen auf den Leim - und kommt doch aus dem Staunen kaum heraus.
Hier ist es eine Erfinderin, die königliche Erfinderin, die einen tapferen und netten Roboter aus Holz baut, im Auftrag Ihrer Majestät: Das Königspaar ist in diesem Märchen kinderlos geblieben, und während der Herrscher zur Erfinderin geht, bittet seine Gemahlin eine schlaue alte Hexe um ein Kind. Auch die Hexe tut, was sie kann, und so bekommt der kleine Holzroboter eine Baumstumpfprinzessin zur Seite gestellt. Einzige Besonderheit: Im Schlaf wird sie wieder zu dem Holzklotz, dem die Hexe kurzerhand Leben eingehaucht hatte, und erst der Zauberspruch "Wach auf, kleiner Klotz, wach auf" weckt sie und verwandelt sie wieder in eine Prinzessin.
Das Schicksal nimmt seinen Lauf, als eines schönen Morgens anstelle des Holzroboters eine ahnungslose Zofe als Erstes ans Bett der Prinzessin tritt, dort nur den Holzklotz findet und ihn kurzerhand aus dem Fenster wirft. Wie es der Zufall will, verschlägt es den Klotz zusammen mit Abertausenden anderen in den eisigen Norden, zum Glück gelingt es dem Holzroboter, die Reise mitzumachen und seine Schwester in dem riesigen Holzhaufen wiederzufinden. Jetzt müssen die beiden nur noch wieder nach Hause kommen.
Am besten, entscheidet der Roboter, reist die Baumstumpfprinzessin als Holzklotz. Doch auch der Roboter ist aus Holz und für die Strapazen dieses langen Wegs nicht gemacht - ganz zu schweigen von den Abenteuern, die er unterwegs bestehen muss. Als seine Gelenke steif geworden sind und das Getriebe abgenutzt ist, weckt er die Baumstumpfprinzessin mit letzter Kraft, und jetzt ist es an ihr, die beiden nach Hause zu bringen. Und natürlich an ihr, ebenfalls eine Reihe von Abenteuern zu erleben. Nur: Einschlafen darf sie dabei nicht.
Auf den ersten Blick besticht "Der kleine Holzroboter und die Baumstumpfprinzessin" durch reizende Schlichtheit, durch Freundlichkeit und Harmlosigkeit. Allein die Figur einer Erfinderin und deren Schöpfung eines Holzroboters ragen aus Tom Gaulds Spiel mit klassischen Märchenmotiven heraus, allein die Seitenaufteilung mit Panels wie bei Comics - allerdings ohne Sprechblasen - weitet den Rahmen eines klassischen Bilderbuchs. Doch hier steckt nicht etwa der Teufel im Detail, sondern der Witz. Tom Gauld arbeitet mit Lakonie und Reduktion in Text und Bild. Dass er einen Handwagen mit dem Holzroboter auf einer Lichtung im nächtlichen Wald neben einen Holzklotz stellt, wirkt fast schon verharmlosend, schließlich müssen sich die kindlichen Bilderbuchbetrachter mitsamt ihren Vorlesern an dieser Stelle ernstlich Sorgen um ihre beiden Helden machen.
Wie beiläufig er bei den Wanderungen erst des Roboters, dann der Prinzessin auf "zu viele Abenteuer, um sie hier alle zu erzählen" anspielt, legt seinem Publikum das schönste Kuckucksei ins Nest. Beiden widmet Gauld je eine Seite mit sechs Bildern und Märchenüberschriften, und jeder, der das Buch liest, wird sich sofort herausgefordert fühlen, kurzerhand selbst zu erfinden, was es mit Abenteuern wie "Der Zauberpudding", "Die alte Flaschendame", "Die hinterlistigen Elfen" oder "Der Säugling im Rosenstrauch" auf sich hat.
Man ahnt, was geschieht, wenn die Prinzessin auf ihrer Wanderung schließlich doch nur einmal ganz kurz die Augen zumachen will. Aber man kommt nicht drauf, wie Tom Gauld seine Geschichte dann zu ihrem märchenhaft guten Ende führt. Wie gut, dass der nette Roboter so nett ist, eine Käferfamilie in seinem Getriebe wohnen zu lassen. Wie gut, dass die Käfer, als es auf einmal so still wird, wissen, was zu tun ist. Und wie gut, dass sich die schlaue Hexe nicht nur aufs Zaubern versteht. FRIDTJOF KÜCHEMANN
Tom Gauld: "Der kleine Holzroboter und die Baumstumpfprinzessin".
Aus dem Englischen von Jörg Mühle. Moritz Verlag, Frankfurt 2022. 40 S., geb., 18,- Euro. Ab 4 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Rezensentin Martina Knoben freut sich über das erste Kinderbuch von Tom Gauld, der den meisten wohl wegen seiner Graphic Novels und der Cartoons im Guardian und der New York Times bekannt sein dürfte. In "Der kleine Holzroboter und die Baumstumpfprinzessin" beweist er, was er als Kinderbuchautor drauf hat, und das ist einiges, findet die Rezensentin: herrliche Zeichnungen, die in ihrer Detailfülle und Ausdruckskraft ganze Geschichten erzählen können, wunderbar kuriose Erfindungen, kombiniert mit "(fast) klassischen Märchenelementen" in einer aufregenden Abenteuerstory. Die Rezensentin ist begeistert.
© Perlentaucher Medien GmbH
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"Tom Gauld hat ein Rezept, das Glücksgefühle erzeugt. Die Zutaten sind: Ironie, Empathie, Lakonie, Witz und sehr viel Einfallsreichtum ... Ganz große Kunst!" Rotraut Susanne Berner "Unerhört, was sich Tom Gauld erlaubt! Er mischt einfach Märchenbuch mit Comic, erwartet von uns, dass wir mit Holzklötzen (mit)fühlen und uns Teile der Geschichte selbst ausmalen. Sollen wir das schlucken? Sollen wir. Es schmeckt köstlich!" Anke Kuhl "Ich bin restlos begeistert: So freundlich und doch niemals süß!" Jutta Bauer