Arzee, von kleinem Wuchs, hat große Träume. Er träumt davon, an die erste Stelle zu rücken, wenn der alte Filmvorführer Phiroz in Ruhestand geht. Er träumt von Liebe, einer Frau, die nachts neben ihm liegt. Oft aber hat er auch Angst. So fühlt er sich an einem Tag wie ein Bettler und am nächsten wie ein König. Unter dem Dach des »Noor«, eines der letzten legendären Filmtheater, ist er groß. Spät nachts, wenn er allein durch die leeren Straßen Bombays nach Hause geht, ganz klein. Doch Noor heißt Licht, und dieser Lichtstrahl, der die Illusion in die Dunkelheit des Kinos trägt, weist Arzee einen Weg, hinaus, ins Freie.
Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Dass dieses Buch allzu glatt, ja eindimensional ist und nicht ins Leben hineinreicht, veranlasst Claudia Kramatschek dazu, es mit einem Bollywood-Film zu vergleichen. Melodramatisch, romantisch, pathetisch genug ist das im Original 2009 erschienene Debüt von Chandrahas Choudhury, einem verdienten indischen Literaturkritiker, jedenfalls, wie Kramatschek durchblicken lässt. Seltsam, meint sie, eigentlich ist alles da, was eine Tragikomödie aus Bombay so braucht, detailreich der Blick des Autors auf seine Stadt, hupende Rikschas inklusive, lebendig die Figuren, fix das Tempo. Allein es fehlen die Reibungspunkte in dieser verwickelten Geschichte um einen kleinwüchsigen Unglücksraben in der Megacity. Der Rezensentin ist alles zu glatt, Lokalkolorit und Atmosphäre entstehen nicht, jedenfalls nicht plastisch genug.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Der Zwerg als Symbol des Underdogs, der sich in der Gesellschaft durchsetzen muss, sei es durch List, sei es durch Gutmütigkeit, ist ein Topos, den die Literatur vielfältig durchgespielt hat: In Chandrahas Choudhurys Debütroman "Der kleine König von Bombay" wird er außerdem mit einer interreligiösen Aura versehen. Der kleinwüchsige Arzee hat seit seiner Kindheit in dem Glauben gelebt, Sohn von hinduistisch-muslimischen Eltern zu sein, bis er erfährt, dass er in Wirklichkeit von ihnen adoptiert wurde und ein Christ ist. Damit steht seiner Verbindung mit der Friseuse Monique aus dem katholischen Goa nichts mehr im Weg. Bis der Leser jedoch mit dem Seufzer "Ende gut, alles gut!" das Buch zuklappen kann, muss Arzee eine Reihe Abenteuer bestehen, die seine Sehnsucht nach dem kleinen häuslichen Glück auf eine harte Probe stellt. Bombay präsentiert sich in Choudhurys Roman mit nostalgischer Liebenswürdigkeit. Das Leben in Armut, mit dem der Zwerg Arzee kämpft, zeigt nicht die Härte und Abgefeimtheit, die Aravind Adigas "Der weiße Tiger" oder der Film "Slumdog Millionär" kennzeichnen, die beide ebenfalls in Bombay spielen. Dennoch spürt man den Hauch authentischen Lebens. Arzee geht wie eine Märchenfigur durchs Leben, naiv und auf charmante Weise hilflos, aber gerade diese Naivität hilft ihm letztlich, das Leben zu meistern. (Chandrahas Choudhury: "Der kleine König von Bombay". Roman. Aus dem Englischen von Kathrin Razum. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2012. 259 S., br., 14,90 [Euro].) kmp
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Es ist ein poetisches Porträt kleiner Leute in einer Millionenstadt.
Jutta Rinas Hannoversche Allgemeine Zeitung 20120720
Jutta Rinas Hannoversche Allgemeine Zeitung 20120720