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Über Heinz Rühmann, den berühmtesten deutschen Schauspieler des 20. Jahrhunderts, ist noch lange nicht alles gesagt. Torsten Körner hat seine Filme der 50er Jahre neu gesehen und auf ebenso erhellende wie unterhaltsame Weise analysiert. Er entdeckt unbekannte Gesichter des beliebten Alltagshelden und geht den Gründen seines enormen Erfolges nach. Der filmhistorischen Studie ist ein atmosphärisches und kulturelles Porträt der Adenauer-Ära eingeschrieben, in dem auch ein Rückblick auf Rühmann im "Dritten Reich" nicht fehlt.

Produktbeschreibung
Über Heinz Rühmann, den berühmtesten deutschen Schauspieler des 20. Jahrhunderts, ist noch lange nicht alles gesagt. Torsten Körner hat seine Filme der 50er Jahre neu gesehen und auf ebenso erhellende wie unterhaltsame Weise analysiert. Er entdeckt unbekannte Gesichter des beliebten Alltagshelden und geht den Gründen seines enormen Erfolges nach. Der filmhistorischen Studie ist ein atmosphärisches und kulturelles Porträt der Adenauer-Ära eingeschrieben, in dem auch ein Rückblick auf Rühmann im "Dritten Reich" nicht fehlt.
Autorenporträt
Torsten Körner, Dr. phil., arbeitet als freier Journalist, Lektor und Autor in Berlin.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.09.2001

Rührt Euch, befahl der brave Soldat Heinz
Strategien zum Wiederaufbau: Rühmanns Filme in den fünfziger Jahren beschworen das Pathos des Menschlichen

Das Erstaunlichste an seiner Karriere ist ihre Dauer. Die ersten Rühmann-Filme sind mehr als siebzig Jahre alt, und zumindest einer von ihnen, "Die Feuerzangenbowle" von 1944, dürfte dafür sorgen, daß der Name Heinz Rühmann auch in den nächsten siebzig Jahren nicht in Vergessenheit geraten wird. Torsten Körner erklärt dieses Phänomen letztlich als Fokussierung von "sozialen Energien", so als ob Rühmann im Auftrag "mehrerer Generationen" einen Typus repräsentiert habe, den der Autor als "konsensuelles und kollektives Produkt" bezeichnet: den kleinen Mann. Das hört sich recht verblasen an, und ist es auch. Schließlich wurde die vorliegende Studie über "Heinz Rühmann und seine Filme der fünfziger Jahre" ja "zur Erlangung des Grades eines Doktors der Philosophie" angefertigt und kann wohl nicht ganz frei sein von solchen akademischen Blähungen. "Der kleine Mann als Star" ist dennoch lesenswert, zumindest für jeden, dem die deutsche Nachkriegsentwicklung immer noch ein Rätsel ist.

Ein Kennzeichen des kleinen Mannes ist, daß er gern unterschätzt wird. Und diesen Fehler begeht Körner eben nicht: Er trennt scharf zwischen Darstellung und Selbstdarstellung des Stars auf der einen und den zugrundeliegenden Absichten und Strategien auf der anderen Seite. So gelingt ihm der Nachweis, wie im Fall Rühmann Rolle und Image sich so ideal zur Deckung bringen ließen, daß beide am Ende dieses Karriereabschnitts vom Kinopublikum nicht mehr auseinanderzuhalten waren. So konnte aus dem Filmstar Rühmann bis 1962 "eine Ikone des deutschen Alltags" werden, deren Dialogzeilen und Interviewäußerungen gleichermaßen wie Orakelsprüche und Heilsversprechen aufgenommen wurden. Rühmanns "skandalfreie Biographie" schmiegt sich der kollektiven scheinbar zwanglos an, mögliche schuldhafte Verstrickungen werden ausgeblendet - "die Abwehr der Vergangenheit" prägt auch seine Filme aus dieser Zeit. Selbst Pleiten, wie die einer eigenen Produktionsgesellschaft kurz nach dem Krieg, passen nahtlos in die persönlichen Schwierigkeiten beim allgemeinen Wiederaufbau.

Dabei verfällt Körner nicht dem Irrtum, Rühmann und seine zwei Dutzend Filme in diesem Jahrzehnt nur als Beispiel für eine "völlige Instrumentalisierung von Massenkultur" zu sehen - im Gegenteil: Auch er findet es viel spannender zu verfolgen, wie Rühmann selbst die Kontrolle über seine eigenen Mittel und ihren Einsatz gewinnt. Bereits in den dreißiger Jahren entwickelt Rühmann seinen Darstellungsstil, prägt Rollenmuster und legt Imagekennzeichen fest, die ihm entsprechen. Besonders die ungerührte Sprechweise macht ihn leicht wiedererkennbar und aus den "kleinen Männern", die er zu verkörpern beginnt, unverwechselbare Exemplare. Erst als er an diese Erfolgsklischees Anschluß sucht und zu seinem alten Tonfall zurückfindet, überwindet er sein Karrieretief, endgültig 1956 als "Hauptmann von Köpenick".

Selbst in seinen ernsthaftesten Rollen, etwa als Kommissar Matthäi in der Dürrenmatt-Verfilmung "Es geschah am hellichten Tag", bleibt ihm der unverkennbare Rühmann-Sound erhalten. Eine nachahmliche Manier, die komischerweise bereits von Publikum und Kritik der dreißiger Jahre als ganz "natürlich" oder "authentisch" empfunden wurde.

Rühmann, das räumt auch Körner ein, war nie ein großer Schauspieler, doch seine beschränkten Mittel setzte er ökonomisch ein. Er macht mit seiner Stimme das, was Buster Keaton mit seinem Gesicht gemacht hat: möglichst wenig. Er spielt radikale Opportunisten, unbeirrbar um Anpassung bemüht, deren absehbares Scheitern großen Komikern stets die besten Voraussetzungen geboten hat. Rühmanns Figuren jedoch gelingt die Anpassung, und so enden seine Filme zumeist in einer Idylle, die im Jean-Paulschen Sinne das große Glück in der Beschränkung auf das Kleine verheißt.

Diese Tendenz verstärkt sich in den fünfziger Jahren, als die mechanistisch "forcierte Lustspielkomik" eher melancholischen Lebensweisheiten weichen muß. Und diese "Semantik des Vagen" mündet in ein Credo des Allzumenschlichen, das Körner zutreffend definiert als "eine Art Humanismus ohne Geschichte, ohne abstrakte Ideale und Differenzierungen". Rühmann entwickelt neue "Rührungsstrategien", spielt gern mit Kindern und Hunden und wird zum Ersatzvater, zum Generationsvermittler und "Meister der leisen Schmunzelpädagogik". Körner erkennt auch die Gefahr dieser "Menschenreligion des kleinen Mannes": Wer "sich vom Pathos des Menschlichen nicht anstecken" lassen will, wird "zum Unmenschen" abgestempelt.

Aus Rühmann ist kein großer Komiker geworden. Unterschätzen sollte man ihn trotzdem nicht. Und verwechseln mit "dem kleinen Mann", den er so perfekt dargestellt hat, schon gar nicht. Denn Rühmann bleibt ein Star. Seine "Energie, alle anderen Darsteller seines Films seinem Stil unterzuordnen", demonstriert Körner eindrucksvoll an seinem letzten Beispiel: dem teuersten deutschen Film seiner Zeit, "Menschen im Hotel" von 1958. Hier trifft Rühmann zum ersten und einzigen Mal auf den zweiten männlichen Star der fünfziger Jahre: O.W. Fischer, der all das verkörpert, was Rühmann nicht darstellt. Wie beide versuchen, die Produktion zu kontrollieren und wie am Ende doch wieder "ein Heinz-Rühmann-Film" herauskommt, ist ein Kapitel für sich und das beste in Körners Buch. Am Ende wurde sogar Vicki Baums Vorlage, derzufolge Rühmann einen todgeweihten Buchhalter hätte spielen müssen, radikal verändert. Denn ein "Privileg des kleinen Mannes" mußte gewahrt bleiben: seine Unsterblichkeit.

BERND EILERT

Torsten Körner: "Der kleine Mann als Star". Heinz Rühmann und seine Filme der fünfziger Jahre. Campus Verlag, Frankfurt am Main 2001. 424 S., 18 Abb., br., 68,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Reichlich verblasen, was der Autor da zusammenschreibt. Dass Bernd Eilert das Buch trotzdem lesenswert findet, hat vor allem damit zu tun, dass ihm hier die seltene Trennung zwischen Darstellung und Selbstdarstellung des "kleinen Mannes" geboten wird. Auf diese Weise, schreibt Eilert, gelinge der Nachweis, "wie im Fall Rühmann Rolle und Image sich so ideal zur Deckung bringen ließen, dass beide am Ende ... nicht mehr auseinander zu halten waren." Die Feststellungen des Autors zu Rühmanns schauspielerischen Fähigkeiten (nicht besonders) und zu den Gefahren einer "Menschenreligion des kleinen Mannes" scheinen den Rezensenten ebenfalls überzeugt zu haben.

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