Wenn deine Mutter sich in ein Biest verwandelt, ist vieles anders
Dies ist die Geschichte von einem kleinen Jungen und seinem Biest. Seinem großen, unendlich liebenswerten Trauerkloß von Biest. Der Kleine muss sich ein bisschen um das Biest kümmern. Damit es nicht zu traurig ist. Und um sich selber muss er sich auch kümmern. Weil das Biest so viel vergisst. Es kann aber auch sehr nett sein mit so einem Biest. Ein Biest verbietet nicht dauernd etwas. Und nachts kommt es zu einem ins Bett. Das ist gemütlich meistens.
Wie lange dauert eigentlich so eine Verbiesterung? In wunderschönen, nachdenklichen und heiteren Bildern und wenigen, einfachen Sätzen erleben wir, wie aus dem Biest ganz langsam wieder die Mama des Jungen wird.
Dies ist die Geschichte von einem kleinen Jungen und seinem Biest. Seinem großen, unendlich liebenswerten Trauerkloß von Biest. Der Kleine muss sich ein bisschen um das Biest kümmern. Damit es nicht zu traurig ist. Und um sich selber muss er sich auch kümmern. Weil das Biest so viel vergisst. Es kann aber auch sehr nett sein mit so einem Biest. Ein Biest verbietet nicht dauernd etwas. Und nachts kommt es zu einem ins Bett. Das ist gemütlich meistens.
Wie lange dauert eigentlich so eine Verbiesterung? In wunderschönen, nachdenklichen und heiteren Bildern und wenigen, einfachen Sätzen erleben wir, wie aus dem Biest ganz langsam wieder die Mama des Jungen wird.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.03.2012Am schlimmsten ist der Schatten
Wenn Eltern sich trennen, geht es Kindern nicht nur um eigene Gefühle: Das Bilderbuch von Marcus Sauermann und Uwe Heidschötter füllt eine Lücke.
Von Silja von Rauchhaupt
Nichts macht mehr Angst als etwas, worüber man nicht reden kann. Wenn es dann doch einen Namen bekommt, verliert es viel an Macht und Schrecken. Wenn abends im Dunkel des Zimmers etwas gruselig Großes in der Ecke zu lauern scheint, hilft es, schnell das Licht anzuknipsen. Und siehe da, es ist nur die Jacke, die unordentlich über der Stuhllehne hängt. Vor einer Jacke Angst haben? Lächerlich. Nicht umsonst gibt es so viele Kinderbücher, in denen es um Monster jeder Art geht. Manchmal scheint es fast, als gebe es kein wichtigeres Kinderthema als genau dieses: Monster, Biester, Ungeheuer.
Was aber, wenn jemand, der einen eigentlich vor den Monstern unterm Bett schützen sollte, selbst zu einer Art Biest wird? Wenn sich die eigene Mutter zu einem stupide vor sich hin starrenden unberechenbaren Trauerkloß verwandelt, ganz und gar nicht wiederzuerkennen? Gott sei Dank gibt es nun ein Handbuch für alle, die solche Biester zu Hause haben, vorzugsweise als Folge von Trennungen und Scheidungen. Es ist das Buch "Der Kleine und das Biest" von Marcus Sauermann und Uwe Heidschötter nach dem gleichnamigen Kurzfilm für das Fernsehen.
Der Film ist so gut gemacht, wurde so sehr gelobt und mit Preisen überhäuft, dass er nun zu einem Buch umgearbeitet wurde. Dabei ist es vor allem die Idee, die überzeugt: Statt das Kind in gutgemeinten Bildern darüber zu belehren, warum seine Eltern nun nicht mehr in einer Wohnung leben, gibt hier ein Junge aus seiner Sicht ganz praktische Erfahrungen weiter. Er ist ganz und gar nicht das bedauernswerte Scheidungskind, sondern ein aufgeweckter Junge, der gleich zwei völlig gesellschaftsunfähige Trennungsopfer zu betreuen hat.
In kurzen, trockenen Sätzen berichtet er, wie sich das so anfühlt, was für Dinge man beachten muss und wie lange es ungefähr dauern kann, bis aus einem Biest wieder eine normale, sogar fröhliche Mutter wird. Dabei lässt er auch die Vorteile nicht unerwähnt, so ein Biest zu Hause zu haben, so wenige es auch sind: Man kann, ohne dass es Protest gibt, beim Einkaufen acht Schokoladenosterhasen auf das Laufband an der Kasse schmuggeln. Manchmal ist es auch ganz nett, wenn das Biest sich zu einem ins Bett legt. Aber wehe, es fängt an zu schnarchen. Sein Fazit, als seine Mutter ihn doch wieder beim Schokoladenkauf im Supermarkt bremst: "Mütter sind auf jeden Fall besser als Biester, keine Frage." Im Großen und Ganzen ist die Situation also nicht besonders super, aber irgendwann wird es wieder einfacher: Diese Botschaft vermittelt das Buch auf humorvolle, aber auch sehr pragmatische Weise.
Das Besondere an dieser Erzählweise aber ist, dass das, was bei Trennungen Kinder emotional mit am meisten belastet, einen Namen bekommt und ein klares Bild damit verbunden wird: Die depressive Mutter wird als riesengroßes Biest gezeigt, mit haarigen Armen und Beinen, riesigem unförmigem Maul, strähnigen Haaren und traurigen Glupschaugen, der Vater als ebenso haariges Biest mit Wildschweinhauern. Irgendwie kommen einem diese Biester, so wie sie gezeichnet werden, bekannt vor. Sie sehen tatsächlich ein wenig aus wie Axel Schefflers "Grüffelo", und das ist kein Zufall. Der Illustrator Uwe Heidschötter hatte schon Schefflers Buch zu einem Zeichentrickfilm gemacht.
In dem Projekt "Der Kleine und das Biest" ging der Weg jedoch genau anders herum: vom Film zum Buch. Dafür wurden die Bilder aber nicht einfach aus dem Film übernommen, wie man es etwa von vielen Disney-Bilderbüchern kennt, sondern Heidschötter hat die Bilder noch einmal eigens für das Buch gezeichnet. Der Stil bewegt sich irgendwo zwischen klassischem Kinderbuch, Storyboard und Manga, ist aber individuell genug, so dass die Bilder nicht wie von der Stange wirken und einen ganz eigenen Charme entwickeln.
Was besonders auffällt, ist das warme Licht, das auf die Bilder fällt. Dadurch erhält das Traurige der Situation schon von Anfang an ein Gegengewicht, das am Anfang besonders stark als Kontrast wirkt. Je besser die Situation wird, umso weniger fallen Licht und Schatten der Bilder auf. Dieser Trick ist auch schon im Film sehr wirkungsvoll eingesetzt. So ist das Erste, was man im Film von dem Biest zu sehen bekommt, sein Schatten. Und auch hier zeigt sich, dass ein Schatten oft weitaus schrecklicher wirkt als das, was dahintersteckt.
Marcus Sauermann, Uwe Heidschötter: "Der Kleine und das Biest".
Klett Kinderbuch, Leipzig 2012. 32 S., geb., 13,90 [Euro]. Ab 4 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Wenn Eltern sich trennen, geht es Kindern nicht nur um eigene Gefühle: Das Bilderbuch von Marcus Sauermann und Uwe Heidschötter füllt eine Lücke.
Von Silja von Rauchhaupt
Nichts macht mehr Angst als etwas, worüber man nicht reden kann. Wenn es dann doch einen Namen bekommt, verliert es viel an Macht und Schrecken. Wenn abends im Dunkel des Zimmers etwas gruselig Großes in der Ecke zu lauern scheint, hilft es, schnell das Licht anzuknipsen. Und siehe da, es ist nur die Jacke, die unordentlich über der Stuhllehne hängt. Vor einer Jacke Angst haben? Lächerlich. Nicht umsonst gibt es so viele Kinderbücher, in denen es um Monster jeder Art geht. Manchmal scheint es fast, als gebe es kein wichtigeres Kinderthema als genau dieses: Monster, Biester, Ungeheuer.
Was aber, wenn jemand, der einen eigentlich vor den Monstern unterm Bett schützen sollte, selbst zu einer Art Biest wird? Wenn sich die eigene Mutter zu einem stupide vor sich hin starrenden unberechenbaren Trauerkloß verwandelt, ganz und gar nicht wiederzuerkennen? Gott sei Dank gibt es nun ein Handbuch für alle, die solche Biester zu Hause haben, vorzugsweise als Folge von Trennungen und Scheidungen. Es ist das Buch "Der Kleine und das Biest" von Marcus Sauermann und Uwe Heidschötter nach dem gleichnamigen Kurzfilm für das Fernsehen.
Der Film ist so gut gemacht, wurde so sehr gelobt und mit Preisen überhäuft, dass er nun zu einem Buch umgearbeitet wurde. Dabei ist es vor allem die Idee, die überzeugt: Statt das Kind in gutgemeinten Bildern darüber zu belehren, warum seine Eltern nun nicht mehr in einer Wohnung leben, gibt hier ein Junge aus seiner Sicht ganz praktische Erfahrungen weiter. Er ist ganz und gar nicht das bedauernswerte Scheidungskind, sondern ein aufgeweckter Junge, der gleich zwei völlig gesellschaftsunfähige Trennungsopfer zu betreuen hat.
In kurzen, trockenen Sätzen berichtet er, wie sich das so anfühlt, was für Dinge man beachten muss und wie lange es ungefähr dauern kann, bis aus einem Biest wieder eine normale, sogar fröhliche Mutter wird. Dabei lässt er auch die Vorteile nicht unerwähnt, so ein Biest zu Hause zu haben, so wenige es auch sind: Man kann, ohne dass es Protest gibt, beim Einkaufen acht Schokoladenosterhasen auf das Laufband an der Kasse schmuggeln. Manchmal ist es auch ganz nett, wenn das Biest sich zu einem ins Bett legt. Aber wehe, es fängt an zu schnarchen. Sein Fazit, als seine Mutter ihn doch wieder beim Schokoladenkauf im Supermarkt bremst: "Mütter sind auf jeden Fall besser als Biester, keine Frage." Im Großen und Ganzen ist die Situation also nicht besonders super, aber irgendwann wird es wieder einfacher: Diese Botschaft vermittelt das Buch auf humorvolle, aber auch sehr pragmatische Weise.
Das Besondere an dieser Erzählweise aber ist, dass das, was bei Trennungen Kinder emotional mit am meisten belastet, einen Namen bekommt und ein klares Bild damit verbunden wird: Die depressive Mutter wird als riesengroßes Biest gezeigt, mit haarigen Armen und Beinen, riesigem unförmigem Maul, strähnigen Haaren und traurigen Glupschaugen, der Vater als ebenso haariges Biest mit Wildschweinhauern. Irgendwie kommen einem diese Biester, so wie sie gezeichnet werden, bekannt vor. Sie sehen tatsächlich ein wenig aus wie Axel Schefflers "Grüffelo", und das ist kein Zufall. Der Illustrator Uwe Heidschötter hatte schon Schefflers Buch zu einem Zeichentrickfilm gemacht.
In dem Projekt "Der Kleine und das Biest" ging der Weg jedoch genau anders herum: vom Film zum Buch. Dafür wurden die Bilder aber nicht einfach aus dem Film übernommen, wie man es etwa von vielen Disney-Bilderbüchern kennt, sondern Heidschötter hat die Bilder noch einmal eigens für das Buch gezeichnet. Der Stil bewegt sich irgendwo zwischen klassischem Kinderbuch, Storyboard und Manga, ist aber individuell genug, so dass die Bilder nicht wie von der Stange wirken und einen ganz eigenen Charme entwickeln.
Was besonders auffällt, ist das warme Licht, das auf die Bilder fällt. Dadurch erhält das Traurige der Situation schon von Anfang an ein Gegengewicht, das am Anfang besonders stark als Kontrast wirkt. Je besser die Situation wird, umso weniger fallen Licht und Schatten der Bilder auf. Dieser Trick ist auch schon im Film sehr wirkungsvoll eingesetzt. So ist das Erste, was man im Film von dem Biest zu sehen bekommt, sein Schatten. Und auch hier zeigt sich, dass ein Schatten oft weitaus schrecklicher wirkt als das, was dahintersteckt.
Marcus Sauermann, Uwe Heidschötter: "Der Kleine und das Biest".
Klett Kinderbuch, Leipzig 2012. 32 S., geb., 13,90 [Euro]. Ab 4 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Insbesondere der Einfall, einen Jungen, dessen Eltern sich getrennt haben, praktische Tipps geben zu lassen, wie man mit den Ungeheuern, zu denen die Eltern in ihrem Trennungsschmerz zeitweise mutieren, umgehen kann, hat Silja von Rauchhaupt sehr eingenommen. Das Bilderbuch ist aus einem preisgekrönten Kurzfilm entstanden und erzählt von dem, was Kinder bei Trennung und Scheidung am meisten belastet und ängstigt, so die Rezensentin, die hier bislang ein Desiderat sah. Zudem hebt sie anerkennend hervor, dass die Bilder nicht einfach dem Film entnommen sind, sondern insbesondere durch ihr warmes Licht ihren "ganz eigenen Charme" haben.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH