Min ist eine junge Britin, die um die Erotik blassgelber Baumwollpyjamas weiß, nach Ananas in der Oper verlangt und eine männliche Putzkraft beschäftigt. Ihre Welt entwirft sie um eine Handvoll wenig begehrenswerter, aber umso anziehenderer Männer. Da sind ein übergewichtiger Tenor, ein alternder Katzenliebhaber und ein manikürter Musikwissenschaftler.Zur Teatime im Ritz, durch Londoner Parks spazierend oder beim Käsesandwich zum Lunch - Min zeigt sich als skeptische, aber doch ergebene Jüngerin heterosexueller Zweisamkeit. Die eigene Person, die Charakterstudien ihrer Freundinnen - alles ist mit Blick auf die Beziehung zum Mann entworfen: Sie arbeitet bei der BBC als Tontechnikerin und ist zwar verheiratet, doch ihr Mann George ist so unsichtbar, dass sie versehentlich das Licht ausschaltet, während er noch im selben Raum ist. Zum Glück hat sie ihre Freundinnen und Liebhaber, die sie ablenken. Jüngst wird sie etwa von einem international bekannten Opernsänger umworben. Gleichermaßen von ihm angewidert und angezogen, kreisen ihre Gedanken fortan darum, ob sie mit ihm schlafen soll oder nicht.Mit ihrem ungeheurem Witz und ihrem feinen Gespür für menschliche Sehnsüchte hat Rosemary Tonks einst die britische Literatur geprägt. Nach Jahren im Rampenlicht zog sie aufs Land, änderte ihren Namen und vernichtete verbliebene Exemplare ihrer Bücher. Erst nach ihrem Tod neu aufgelegt, begeistert 'Der Köder' nun zum zweiten Mal eine ganze Generation von Leserinnen.
»Es geht um Flirten als Methode der Selbstorganisation und um Verliebtheit als Methode der Selbstquälerei. Und doch ist der gesamte Text von 'Der Köder' - und damit meine ich jeden einzelnen Satz - lustig.« Audrey Wollen, The New Yorker
Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
Die Autorin Rosemary Tonks schloss sich in den 1970er Jahren einer fundamentalistischen christlichen Gemeinde an und beschloss zunächst, alle ihre bisherigen Werke zu vernichten. Ein "Segen" ist es daher für Rezensent Ronald Düker, dass dieser Roman nun wiederveröffentlicht werden konnte. Düker schwärmt davon, wie Tonks Roman bereits 1968, als das Buch erstmals erschien, das neurotische Leben moderner Großstadtmenschen vorwegnahm. Tonks erzählt von einer Gesellschaft junger Menschen, die von Impulsivität und Ratlosigkeit geprägt ist, die aber nie vergaßen, das Leben glamourös zu genießen. Protagonistin ist Min, eine Tontechnikerin bei der BBC. In ihrem Freundinnenkreis geht es oft um Sex und es kommt oft zu eifersüchtigen Blicken, erzählt Düker. Gerade in diesem Neid erkennt Düker mit Faszination das, was man heute das "FOMO"-Syndrom nennt ("fear of missing out", die Angst, etwas zu verpassen) - und liest Tonks Buch damit wie für die heutigen "Millenials" geschrieben.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH