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Begabt für das Leichte sein, an der Oberfläche der Dinge leben, dem Glück folgen: das war und tat Baron Theodor Neuhoff - bis er sich zum König von Korsika krönen ließ und daran scheiterte. Das Leichte ist so trügerisch wie vergänglich, Michael Kleebergs Roman ein sprachliches Meisterwerk.
Geheimagent, Liebhaber, hochstapelnder Alchimist und kaiserlicher Gesandter - Theodor Neuhoff läßt sich von den Wellen des Geschicks durch ganz Europa tragen, weiß zu parlieren, zu brillieren und zu blenden. Und wird am Ende Opfer der eigenen Selbstüberschätzung. Als er sich - überzeugt, die Politik sei
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Produktbeschreibung
Begabt für das Leichte sein, an der Oberfläche der Dinge leben, dem Glück folgen: das war und tat Baron Theodor Neuhoff - bis er sich zum König von Korsika krönen ließ und daran scheiterte. Das Leichte ist so trügerisch wie vergänglich, Michael Kleebergs Roman ein sprachliches Meisterwerk.

Geheimagent, Liebhaber, hochstapelnder Alchimist und kaiserlicher Gesandter - Theodor Neuhoff läßt sich von den Wellen des Geschicks durch ganz Europa tragen, weiß zu parlieren, zu brillieren und zu blenden. Und wird am Ende Opfer der eigenen Selbstüberschätzung. Als er sich - überzeugt, die Politik sei ein Spiel - im April 1736 von korsischen Aufständischen zum König ausrufen läßt, ist sein Untergang besiegelt. Nach seinem großen Erfolg mit »Ein Garten im Norden« zeichnet Michael Kleeberg das Porträt eines Menschen in einer Wendezeit, dessen Ziele den unseren heute so gleichen: Geld, Liebe, Ruhm.

»Wenn es einen deutschen Schriftsteller der Gegenwart gibt, der die Erneuerung der deutschen Literatur aus dem Geist des Erzählens verkörpert, die uns die neunziger Jahre beschert haben, dann ist es Michael Kleeberg: Er ist gebildet, hat etwas von der Welt gesehen und begriffen, vor allem aber: Er wagt sich an die großen Themen, die er in Geschichten gießt, die man nicht vergessen kann, die einen durchs Leben zu begleiten vermögen.« Tilman Krause
Autorenporträt
Michael Kleeberg, 1959 in Stuttgart geboren, studierte Politische Wissenschaften und Geschichte. Nach Aufenthalten in Rom und Amsterdam lebte er von 1986 bis 1999 in Paris. Heute arbeitet er als freier Schriftsteller und Übersetzer in Berlin. Für sein literarisches Werk wurde er vielfach ausgezeichnet, u.a. 2008 als Mainzer Stadtschreiber. Zu seinen wichtigsten Büchern zählen: ¿Ein Garten im Norden¿ (1998), ¿Der König von Korsikä (2001) und "Karlmann" (2007). 2010 erschien der Roman ¿Das amerikanische Hospital¿, der für den Deutschen Buchpreis nominiert wurde und für den Michael Kleeberg 2011 den Evangelischen Buchpreis erhielt. Sein Roman ¿Vaterjahre¿ wurde u.a. mit dem Friedrich-Hölderlin-Preis der Stadt Bad Homburg ausgezeichnet. 2016 erhielt Michael Kleeberg für sein Gesamtwerk den Literaturpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.10.2001

Alter Schweiß unter den Perücken
Michael Kleeberg macht dem Zeitalter der Aufklärung den Hof

Historische Romane stehen, gerade weil sie sich derzeit großer Beliebtheit erfreuen, bei ernsthaften Literaturfreunden nicht hoch im Ansehen. All die Medicusse und Pharaonen, die die Publikumsverlage auf ihre Leser loslassen, um ihnen das literarische Genuß-Äquivalent eines Cecil-B.-de-Mille-Kostümfilms zu verschaffen: Sie haben das Genre einem generellen Trivialitätsverdacht ausgesetzt. Allenfalls gelehrten Spielertypen wie Umberto Eco läßt man das Fischen im trüben Mittelalter noch durchgehen.

Einer, der sich diese Abwertung nicht gefallen lassen und die Vergangenheit nicht den Tanja Kinkels überlassen will, ist Michael Kleeberg, Jahrgang 1959, nach langen Jahren des Wahlfranzosentums nun in Berlin ansässig. Vor drei Jahren erprobte er mit dem vielbeachteten Roman "Ein Garten im Norden" seinen historischen Möglichkeitssinn und erfand einen philanthropischen Bankier, der es beinahe geschafft hätte, der deutschen Geschichte einen völlig anderen Verlauf zu geben: durch die Verhinderung Hitlers. Kleebergs neuer Held hat zwar wirklich existiert, dafür den Weltläuften aber nur eine kleine Delle zugefügt: Theodor Neuhoff (1694 bis 1756) war der Sproß eines verarmten westfälischen Adelsgeschlechts, machte sich bei diplomatischen Missionen für verschiedene europäische Mächte nützlich und brachte es für kurze Zeit sogar zum König von Korsika.

Zu diesem riefen ihn die Clanführer der Mittelmeerinsel aus in der Hoffnung, die verhaßten Besatzer aus Genua loszuwerden und sich selbst verwalten zu dürfen. Die Hoffnung trog; Genua hielt seine Bastionen, keine Großmacht wollte ein unabhängiges Korsika - gar mit einer fortschrittlichen konstitutionellen Verfassung - militärisch unterstützen, und die Insulaner selbst wandten sich schnell wieder ihrer liebsten Beschäftigung zu, der Blutrache.

So währte die königliche Herrlichkeit nur einen Sommer lang. Im November 1736 mußte Theodor I. sein Reich wieder verlassen und durchstreifte erneut Europa, auf der Suche nach neuen Geldern, Waffen und Munition oder wenigstens einem mächtigen Protektor. Aber Paris und Madrid, Wien und London winkten ab, und statt wieder auf seinem Thron landete er für viele Jahre im Schuldgefängnis; kurz nach seiner Entlassung starb er. Auf ihre Unabhängigkeit warten die Korsen bis heute, wobei fraglich ist, wie gut sie damit führen.

Die bewegte Biographie dieses Glücksritters par excellence bietet natürlich alles, was das Herz eines Künstlers begehrt, und hat bereits Historiker, Romanciers und Librettisten inspiriert. Giovanni Paisiellos Oper "Il Re Teodoro in Venezia" von 1784 wurde kürzlich wieder ausgegraben. Auch Michael Kleeberg verschmäht die spektakulären Seiten des handlungsstarken Sujets durchaus nicht. Die Lehrjahre am Hof von Versailles als Page der Lieselotte von der Pfalz, die Gesellenstücke des Gesandten, bald ein Meister auf dem diplomatischen Parkett; das eher kuriose korsische Zwischenspiel und die verzweifelten Versuche, sich nochmals auf die einmal erreichte Höhe zu hieven: Das ergibt eine spannungs- und abwechslungsreiche Kapitelfolge, die weniger disziplinierte Romanciers gut und gerne auf das Doppelte des Umfangs ausgedehnt hätten. Für eine Illustration des "Rades der Fortuna", wie sie das moralische Schrifttum des siebzehnten Jahrhunderts so liebte, hätte Theodor das ideale Exempel abgegeben: unentwegt geht es rauf und runter, mal sitzt dieser Leichtmatrose des Glücks hoch oben im Mastkorb, mal wird er unversehens getaucht, gar gekielholt.

Kleeberg erzählt diese Geschichte rasch und leichtfüßig, sein Buch hat das Tempo der Voltaireschen "Contes philosophiques" - wenn auch nicht immer deren Geist. Auch Candide stammte ja aus Westfalen, und Kleebergs Schloß "Donnersfurth-Bruchmühle" ist zweifellos eine Hommage an das berühmte Thunder-ten-tronckh des Franzosen. Bei aller Rasanz des Geschehens gerät der Leser nie außer Atem. Kleeberg hält den Verlauf immer wieder an, friert ihn geradezu ein. "Lebende Bilder" nennt der Held diese Momente selbst einmal, in denen er versucht, sein Leben in Ruhe zu betrachten, um es zu begreifen.

Genau dies aber fällt ihm ungeheuer schwer. Dieser Aristokrat, der das Glück nicht schmieden will - das wäre ja anstrengend, also fast schon "bürgerliche" Arbeit -, sondern bloß den Rockschoß aufhält, um das aufzufangen, was hineinfällt, weil es ihm gebührt: dieser Mann lebt in der Zukunft und in der Vergangenheit, in Visionen und aus Erinnerungen, aber nie in der Gegenwart. Wer er ist und was ihm geschieht, kann er sich immer nur prospektiv - als kühnen Entwurf - oder retrospektiv - in nostalgischer Rückschau - klarmachen, nie im Hic et nunc der Lebenwirklichkeit. "War man ein Handelnder, konnte man kein Lebender sein", sagt er einmal - und formuliert damit eine prekäre Identität, die moderne Züge trägt.

Kleebergs Interesse an dieser Figur, dieser farbigen Fußnote in der Geschichte der ewig wechselnden Allianzen und immer neuen Intrigen der europäischen Mächte des achtzehnten Jahrhunderts, zielt unter die Oberfläche des Geschehens. Zwar gönnt er dem Leser eine prächtige Opernaufführung und eine gräßliche Hinrichtung, führt ihn in die Schlacht und in die höfischen Rituale ein, macht ihn mit dem russischen Zaren Peter, dem Schauspieler Garrick, dem Komponisten Telemann, dem Philosophen Diderot und dem pietistischen Reformer Zinzendorf bekannt. Es fehlt überhaupt nicht an Realien; sie ziehen an den Augen des Lesers vorbei, steigen ihm in die Nase - wie im Versailler Schloß: "sobald ein Kabinett sich öffnete, befreite sich der gefangene Gestank nach Urin und Kot und mischte sich mit dem talgigen Geruch nach altem Schweiß unter den Perücken" - und gellen ihm in den Ohren: "All die Schreie, die man hörte in einem Leben! Das Kreischen der Verbrennenden, das erbarmungswürdige Quieken der Erstochenen, das entsetzliche Röcheln der Pest- und Aussatz- und Auszehrungskranken, das viehische Brüllen, wenn ein zerquetschter Arm oder ein Bein abgesägt wurde."

Aber all das ist eher beiläufige Dekoration des Wesentlichen, nicht dieses selbst. Die ganze Pracht, die Kleeberg übrigens umsichtig dosiert, dient dazu, die scharfe Distanz zu akzentuieren, die Neuhoff zu seiner Umgebung spürt, vor allem aber zu sich selbst. Dieser Held ist eine historische Figur, aber eben auch seines Autors ganz eigenes Geschöpf. Er ist als geistreicher Causeur, als Intrigant und Spekulant unverkennbar Dix-huitième, und dem Jahrhundert der Aufklärung macht Kleeberg mit diesem Roman eine schwärmerische Liebeserklärung. Als problematisches und problematisierendes Subjekt, das seinen Lebenssinn sucht, ist er dagegen unser Zeitgenosse. Auch darin, daß er diesen Sinn, den er endlich gefunden zu haben meint, nur als Rolle erleben kann, die er auch weiterspielen muß, als sie nur noch lächerlich ist: Theodor, der Königsdarsteller, eine europäische Kuriosität.

Das Verfahren der eingefrorenen Momente erhält so auch dramaturgisch seinen Sinn: Theodor, der "Sammler lebender Bilder seines eigenen Lebens", kann dieses Leben nur in der Betrachtung wahrnehmen, also in Distanz und Dissoziation. Dissoziation von Handeln und Empfinden, auch von Plan und Ausführung: "Ich habe nie Gründe, etwas zu tun, immer nur hinterher Rechtfertigungen." Und schließlich Dissoziation von außen und innen. Theodor muß die Ersetzung seiner Person durch die Bilder erleben, die die sich ausbildende öffentliche Meinung von ihm in Umlauf bringt. Ständig wird der König von Korsika begleitet von zwei Journalisten und einem Schriftsteller, die ihm dienen und ihn verraten, wie das Klatschreporter eben tun.

Ein bilderfreudiges, ja -seliges Buch ist dieser Roman auch im Kleinen. Kleebergs Metaphern und Vergleiche sind intelligent, sie sind anschaulich, und sie haben Kraft und Ausdauer. Da treten etwa die Versailler Höflinge erst als "Pfauenschaft" an, werden eine Seite später aber kräftig gerupft, weil "letztendlich auch der Pfau nur ein etwas prächtigeres Huhn ist"; das geglückte bildliche Fazit einer Reflexion.

Kleebergs Metaphern gehören allesamt der Pfauenklasse an, und manchmal schlägt er etwas zu ostentativ Rad. Da befreit sich der junge Theodor gegenüber seinem Hauslehrer "von den Ariadnefesseln der Logik und ersetzt sie durch die vergoldeten Zierbändchen seiner Phantasie" - das ist hübsch, aber auch preziös. Und wenn der Autor das Hirn seines Helden mit einem Meer gleichsetzt, "wobei Präzision und Zusammenhang im rauschenden Innern seines Kopfes von der Bugwelle seiner Glorie zur Seite gepflügt wurden": Da hat er, um selbst ein Bild zu mißbrauchen, den Acker seiner Phantasie überdüngt. Meist aber gewährt die Metapher Einblicke und Ausblicke, die mit der Direttissima der Aussage so nicht zu gewinnen sind. Die Kunst, so thematisiert er sein Vorgehen einmal selbst, besteht eben darin, daß die Metapher, "alles ausdrückend, nichts preisgibt". Ganz wie die Salon-Konversation der esprits forts.

Und was will "Der König von Korsika" ausdrücken? Auch das gibt sein Autor nicht preis. Dieser Roman kreist um eine Gestalt, die folgenlos geglänzt hat. Theodor der erste ist auch der letzte geblieben. Aber gleicht die Spur von seinen Erdentagen nicht dem Lichterschweif, den ein Komet in den nächtlichen Himmel zeichnet? Während wir dem nachstaunen, ist er schon längst verglüht. Und dieses Wissen nimmt dem Anblick nichts von seiner Schönheit.

MARTIN EBEL

Michael Kleeberg: "Der König von Korsika". Roman. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 2001. 380 S., geb., 39,80 DM.

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Welcher Teufel mag den 1959 geborenen Autor Michael Kleeberg dazu bewegt haben, den historisch und literarisch ausgereizten Fall des westfälischen Hochstaplers und Abenteurers Theodor Freiherr von Neuhoff (1694 bis 1756) ein weiteres Mal zur Grundlage für seinen Roman zu wählen, fragt sich Volker Breidecker. Dazu hätte es der Gewitztheit eines Voltaire bedurft, an die reicht aber Kleebergs Roman nicht heran, moniert der Rezensent. Stattdessen spiegele das Werk die Rastlosigkeit seines Helden wider. Kleeberg will Theodor zum Leben erwecken und bedient sich dazu allzu offensichtlich der Mittel der Werbesprache, meint Breidecker. Dem ist dieses Anliegen zu konstruiert. Und so erscheint ihm der Roman letztlich nicht als spannende Historie, sondern als die Generationengeschichte des 42-Jährigen Autors.

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