Unter den verbrecherischen Befehlen des Dritten Reiches nimmt der 'Kommissarbefehl' eine herausragende Stellung ein. Er machte dem deutschen Ostheer schon im Vorfeld des Überfalls auf die Sowjetunion Kriegsverbrechen offen zur Pflicht: Gefangene Polit-Offiziere aller Ebenen waren als 'Träger des Bolschewismus' 'grundsätzlich sofort mit der Waffe zu erledigen'. Bis heute noch wird in der Öffentlichkeit bestritten, dass die Wehrmacht diesen berüchtigten Führererlass über 'Einzelfälle' hinaus befolgt hat. Sie hat ihn befolgt, tausendfach, das ist die sorgfältig belegte Antwort dieses grundlegenden Buches, das erstmals sämtliche verfügbaren Quellen auswertet. Gestützt auf das Aktenmaterial aller Frontverbände, die 1941/42 im Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion eingesetzt waren, zeichnet Felix Römer zunächst nach, wie die Kommissarrichtlinien vor Beginn des 'Unternehmens Barbarossa' im Ostheer weitergegeben, kommuniziert und aufgenommen wurden. Wie ging die Wehrmacht nach Eröffnung des Russlandfeldzuges in der Praxis mit diesem Befehl um, der sie unmissverständlich zu planmäßigen Kriegsverbrechen anhielt? So lautet die entscheidende Frage, die Römer anschließend verfolgt. Eingebettet in den Gesamtkontext des Krieges an der Ostfront, legt er offen, wie die Umsetzung des Kommissarbefehls ver-lief und welche Ausmaße das Mordprogramm dabei annahm. Die differenzierte Auseinandersetzung Römers mit der Frage, ob und wie weit sich das Heer in Hitlers Vernichtungspolitik einbinden ließ, liefert wichtige neue Erkenntnisse. Wer über den Standort der Wehrmacht im NS-Staat und über den Krieg im Osten mitreden will, kommt an diesem Buch nicht vorbei. Es zerstört endgültig die Legende von der 'sauberen Wehrmacht'.
Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
Als "grundsolide" bewertet Rezensent Wolfram Wette diese "preisgekrönte Dissertation" zur Wehrmachtsgeschichte und Hitlers berüchtigtem "Kommissarbefehl" über die Behandlung sowjetischer Armeeangehöriger nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion, der Felix Römer zufolge "ein glatter Mordbefehl" gewesen sei. Auch bedauert der Rezensent, dass dieses wissenschaftliche Werk nicht schon früher erschien. Denn die Klarheit, die es mit seiner Verdüsterung des Wehrmachtsbildes bringen würde, komme fast zu spät, da die Generation der Wehrmachtsapologeten bereits abgetreten sei. Wette lobt die intensive Fleißarbeit des jungen Kieler Historikers, der akribisch und detailversessen sich durch die relevanten Akten gearbeitet habe und neben bedrückenden Fakten auch ein Stück Mentalitätsgeschichte der Wehrmacht sichtbar werden lasse. Auch der Anhang, in dem Römer noch einmal seine Recherche-Ergebnisse höchst nachvollziehbar aufgelistet habe, trägt zum ausgezeichneten Gesamteindruck bei.
© Perlentaucher Medien GmbH
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