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Radikaler Wandel löst häufig Angst aus und wird abgelehnt. Aber der Rückgriff auf Vertrautes und Bewährtes kann eine Entwicklungsdynamik auch fördern.
Wie gehen Menschen mit einschneidenden Veränderungen um? Wie werden z. B. Tod und Trauer, Exil und der Verlust der Heimat, Revolutionen oder sozioökonomische Entwicklungssprünge bewältigt?
Situationen radikalen Wandels werden von vielen als Verlust des Vertrauten erlebt, sie lösen Angst aus und werden abgelehnt. In solche Ereignisse involviert, geben sich Menschen häufig dem »konservativen Impuls« hin, sind bestrebt an der Vergangenheit
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Produktbeschreibung
Radikaler Wandel löst häufig Angst aus und wird abgelehnt. Aber der Rückgriff auf Vertrautes und Bewährtes kann eine Entwicklungsdynamik auch fördern.

Wie gehen Menschen mit einschneidenden Veränderungen um? Wie werden z. B. Tod und Trauer, Exil und der Verlust der Heimat, Revolutionen oder sozioökonomische Entwicklungssprünge bewältigt?

Situationen radikalen Wandels werden von vielen als Verlust des Vertrauten erlebt, sie lösen Angst aus und werden abgelehnt. In solche Ereignisse involviert, geben sich Menschen häufig dem »konservativen Impuls« hin, sind bestrebt an der Vergangenheit festzuhalten.

Blockiert der »konservative Impuls« somit grundsätzlich jede Entwicklung? Peter Waldmann zeigt an neun idealtypischen Beispielen, wie Wandel sowohl individuell als auch gesellschaftspolitisch verarbeitet wird. Sein erstaunlicher Befund ist, dass die Triebkräfte des konservativen Impulses eine Entwicklungsdynamik nicht nur bremsen. Im Gegenteil: Sie können je nach Zeitpunkt, Kontext und Kräfteverhältnis sogar zu einer wesentlichen Voraussetzung werden.
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Autorenporträt
Peter Waldmann ist emeritierter Professor für Soziologie an der Universität Augsburg. Er forscht zur Rechts-und Kriminalsoziologie, zur Entwicklungssoziologie und sozialem Wandel, , zu Problemen der Gewalt von Diktaturen, Eliten, ethnischen Minderheiten und Protestbewegungen und zur Migrationssoziologie.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.06.2017

Der nächste Umbruch steht schon vor der Tür
Bunte Mischung: Peter Waldmann sucht die Ursachen für den Widerstand gegen gesellschaftlichen Wandel

Wie gehen Menschen, Gruppen, Gesellschaften mit Wandelprozessen um? Wie spielen Verlusterfahrungen und Versuche des Festhaltens am Alten und Gewohnten zusammen? Das sind die Fragen, die den Soziologen Peter Waldmann umtreiben. Dabei interessiert er sich für Wandels- und Umbruchserfahrungen jeder Art: für persönliche Verluste wie den Tod nahestehender Menschen oder den Verlust der Heimat durch Migration; für politische Revolutionen wie die Französische Revolution oder die islamische Revolution in Iran; und für Prozesse nachholender Entwicklung wie etwa in Südkorea oder Argentinien.

Er macht in all diesen Fällen eine einheitliche Kraft aus, die hier wirkt oder mitwirkt: den "konservativen Impuls", das heißt das Bestreben, an Altem festzuhalten oder es zu restaurieren. Dabei ist das Buch allerdings mehr eine impressionistische Collage aus Fallvignetten, mit buntgemischten Themen und einer ebenso bunten Mischung aus psychologischen, soziologischen und historischen Informationen. Inwiefern es wirklich letztlich dieselbe Kraft ist, die in all dem zum Tragen kommt, oder inwiefern das doch ganz verschiedene Dinge sind, sollte man lieber nicht allzu gründlich hinterfragen. Waldmann hat eher einen Sammelband mit sich selbst geschrieben, der thematisch heterogene Beiträge unter dem Titel "konservativer Impuls" zusammenfasst.

Beim Tod eines geliebten Menschen kann es etwa dazu kommen, dass Zurückgebliebene sich weigern, diesen Tod zu akzeptieren, und weiter so leben, als käme der Verstorbene im eigenen Leben vor. Oder die Mütter von verschwundenen Regimegegnern in Argentinien konnten und wollten von ihren Kindern nicht lassen, sie hörten nicht auf, nach ihnen zu suchen und Informationen über ihren Verbleib einzufordern. Bei Migrationsbewegungen - etwa beim Zuzug türkischer Gastarbeiter nach Deutschland vor einem halben Jahrhundert - kann es zu einem ausgeprägten Festhalten an der Kultur des Herkunftslandes kommen oder gar zu einer nachträglichen Radikalisierung oder Re-Islamisierung, indem etwa die Sitte des Kopftuchtragens erst in der Fremde aufgegriffen wird.

Politische Revolutionen, wie die in Frankreich 1789 oder in Iran 1979, sind oft eingebettet in ein lange sich hinziehendes Hin- und Herwogen progressiver und konservativer Kräfte. Das Ergebnis ist eine Kette von gewaltsamen oder auch gewaltlosen Umstürzen, indem mal die eine, mal die andere Seite die Oberhand hat. Auch gibt es selbst in den revolutionärsten Phasen beträchtliche Kontinuitäten zum Status quo ante, wie etwa im revolutionären Frankreich der Trend zur Zentralisierung der Verwaltung sich fortsetzte, der schon unter den absolutistischen Königen begonnen hatte.

Ähnlich widersprüchlich sind Prozesse nachholender Entwicklung in Ländern der Peripherie. So erlebte etwa Korea nach dem Zweiten Weltkrieg ein rapides Wirtschaftswunder und stieg zu einem der erfolgreichen "Tiger" Ostasiens mit moderner Exportindustrie auf, wobei es sich aber stark auf klassische konfuzianische Tugenden wie Einfügung in Hierarchie, Disziplin, Gelehrsamkeit und Bildungswillen stützte. Argentinien erlebte seinen Entwicklungssprung ein halbes Jahrhundert früher: Es war vor dem Zweiten Weltkrieg ein sehr fortgeschrittenes, ökonomisch wie kulturell florierendes Land, versank dann aber in eine Zeit der Militärputsche, der Diktatur und der phasenweise unkontrollierbaren Inflation.

Typisch für diese und weitere Fälle ist nach Waldmann eine Ambivalenz, eine Kopräsenz von widerstreitenden Impulsen: Auf der einen Seite steht die Akzeptanz des Wandels, das Mitmachen und Mitgehen mit dem Neuen. Auf der anderen Seite steht der Widerstand, das Sichsträuben und Streben nach Restauration. Dabei wird der Widerstand umso stärker sein, je schneller der Wandel vor sich geht, so dass den Betroffenen keine Anpassungszeit bleibt; je mehr der Wandel als reversibel erlebt wird, so dass Widerstand nicht von vornherein als zwecklos erscheint; und je mehr man den Wandel als eine unfreiwillig aufgestülpte Entwicklung erfährt.

Allerdings werden solche analytischen Verallgemeinerungen eher kursorisch angeboten und nicht zu einer hieb- und stichfesten, konsequent durchgeführten Argumentation ausgebaut. Wer wissenschaftliche Strenge sucht, sollte das Buch also besser stehen lassen. Wer sich locker über einige Erscheinungsformen sozialen Wandels informieren will, mag es mit Gewinn lesen.

BARBARA KUCHLER

Peter Waldmann:

"Der konservative Impuls". Wandel als

Verlusterfahrung.

Hamburger Edition, Hamburg 2017.

348 S., geb., 32,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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