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Vitus Bering, Entdecker dänischer Herkunft, Marineoffizier in russischen Diensten, bricht Mitte des 18. Jahrhunderts auf, das östlichste Ende des Zarenreichs zu erkunden, um zu beweisen, dass Asien und Amerika nicht zusammenhängen. Auf seiner letzten Expeditionsfahrt entdeckt er Alaska, strandet auf dem durch Stürme abgeschnittenen Rückweg nach Kamtschatka an einer unbewohnten Insel, wo er beim Versuch, über den Winter zu kommen, mit Teilen seiner Mannschaft an Skorbut stirbt. Soweit die Legende, das biografische Substrat einer Geschichte, aus deren Versatzstücken und Motiven Konrad Bayer mit…mehr

Produktbeschreibung
Vitus Bering, Entdecker dänischer Herkunft, Marineoffizier in russischen Diensten, bricht Mitte des 18. Jahrhunderts auf, das östlichste Ende des Zarenreichs zu erkunden, um zu beweisen, dass Asien und Amerika nicht zusammenhängen. Auf seiner letzten Expeditionsfahrt entdeckt er Alaska, strandet auf dem durch Stürme abgeschnittenen Rückweg nach Kamtschatka an einer unbewohnten Insel, wo er beim Versuch, über den Winter zu kommen, mit Teilen seiner Mannschaft an Skorbut stirbt. Soweit die Legende, das biografische Substrat einer Geschichte, aus deren Versatzstücken und Motiven Konrad Bayer mit den Mitteln der Textmontage und unter Verarbeitung einer Vielzahl unterschiedlichster Quellen ein Sprachkunstwerk schuf, das zu den wichtigsten Hervorbringungen der österreichischen Avantgarde nach 1945 zählt. Vitus Bering dient dabei nur als Vehikel, ist Standort für eine literarisch abenteuerliche Erkundung in den entlegenen Bereichen extremer Wahrnehmung von Welt und Ich, weit jenseits der Grenzen von Verständigung, wo das Ganze, um es mit Konrad Bayer zu sagen, gegen Ende auch sprachlich vereist.
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Autorenporträt
1932 in Wien geboren, Schriftsteller und Dandy, bildete mit Oswald Wiener, H.C. Artmann, Friedrich Achleitner und Gerhard Rühm die legendäre Wiener Gruppe.Am 10. Oktober 1964 nahm er sich das Leben.

Direktor des Literaturarchivs, des Literaturmuseums, der Sammlung für Plansprachen und des Esperantomuseums der Österreichischen Nationalbibliothek und Dozent am Institut für Germanistik der Universität Wien, Ausstellungskurator und Literaturkritiker.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Mit Konrad Bayers Buch "der kopf des vitus bering" hat sich Rezensent Nico Bleutge auf eine Reise ins "Innere der Sprache" begeben und viel Interessantes entdeckt. Denn der bereits im Alter von 31 Jahren verstorbene Autor, der Mitglied der Wiener Gruppe war, zeigt hier, wie anhand eines Neubeginns der Sprache überkommene Normen und Denkmuster außer Kraft gesetzt werden können, und er erzählt zugleich die spannende Geschichte des dänischen Polarforschers Vitus Bering. Während der Lektüre wohnt der Kritiker geradezu einem "Materialexzess" bei: Ausschnitte aus Lexika, Kochrezepte oder Märchentexte stehen hier neben esoterischen Schriften und mathematischen Berechnungen. Insbesondere aber staunt Bleutge, wie es dem Autor gelingt, mit historischem Hintergrundwissen, Gespür für die Kunst der Montage und mit großer Intensität zu erzählen.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung

Sehr erfrischend,
so ein Fallbeil
Expedition ins Innere der Sprache:
Konrad Bayers Roman „Der Kopf des Vitus Bering“
VON NICO BLEUTGE
Der griechische Mathematiker Heron von Alexandria war einer der großen Erfinder der Antike. Zu seinen Bauten gehören Winkelmessgeräte ebenso wie eine windgetriebene Orgel. Heron wagte sich sogar bis in den Tempel vor. Dort brannte im Hintergrund das Opferfeuer, bewacht von zwei Priestern, die nach dem Gottesdienst feine Wassertropfen auf das Feuer träufelten und es zum Erlöschen brachten. Doch wer genau hinsah, konnte erkennen, dass die Priester aus Erz gefertigt waren. Und nicht nur sie: „die gottestruhe, an der ein bronzenes rad befestigt war und auf der ein vogel aus metall seine stimme ertönen liess, verbarg in ihrem inneren ein system aus zahnrädern, seiltrommeln, wasserbehältern und gewichten.“
  Es ist kein Zufall, dass es ausgerechnet eine Gottesmaschine ist, die der österreichische Dichter Konrad Bayer fast genau in der Mitte seines Buches „der kopf des vitus bering“ platziert hat. Es ging Bayer um nicht weniger als um das Aushebeln aller Normen. Die göttliche Gesetzgebung ist dabei nur ein Bild für überkommene Denk- und Empfindungsmuster. Mit der Sprache noch einmal von vorne beginnen, all die sauberen Einteilungen und Ideen hinter sich lassen – nicht von ungefähr ist gleich zu Beginn des Textes vom „fallbeil“ die Rede und vom „gefühl einer leichten erfrischung am hals“.
  Aber Bayer geht noch weiter. Er nimmt den abgetrennten Kopf beim Wort und setzt ihn ins Bild. Dem Text vorangestellt ist eine Fotografie, die den abgesprengten oberen Teil einer Statue zeigt. Es ist der Kopf von Benito Mussolini – dezenter Hinweis darauf, dass dem Text bei aller sprachphilosophischen Lust auch eine historische Spur eingeschrieben ist. Konrad Bayer, der sich 1964 mit gerade mal 31 Jahren das Leben nahm, gehörte zu jener legendenumrankten Gruppierung um H.C. Artmann, Oswald Wiener, Gerhard Rühm und Friedrich Achleitner, die unter dem Namen Wiener Gruppe seit den frühen Fünfzigerjahren das Schreiben umformte. Neben grenzsprengenden Auftritten, die sie „literarische cabarets“ nannten, kultivierten die Wiener einen Sprachskeptizismus, der einen Teil seiner Wucht aus der Kritik an jeder Form von totalitärer Sprache bezog.
  „die liebe zur sprache muss man mit exzessen neutralisieren“, schreibt Oswald Wiener in seinem Buch „die verbesserung von mitteleuropa, roman“, dem zweiten großen Stück der österreichischen Nachkriegsavantgarde. Während Wieners Buch erst nach der Auflösung der Gruppe erschien, sammelte Konrad Bayer gleichsam noch an der Quelle seine Sprache ein. Seine Exzesse gelten dem Material: Er vereint Lexika und Kochrezepte, Ausschnitte aus Märchenbüchern und esoterischen Schriften, naturwissenschaftliche Sprechweisen und mathematische Berechnungen, bis hin zu ethnografischen Stoffen wie Mircea Eliades Klassiker „Schamanismus und archaische Ekstasetechnik“, der in den Fünfzigerjahren auf Deutsch erschienen war.
  Vor allem aber schleust er eine Figur in die Sätze, die selbst einen Hang zum Exzessiven hat: den titelgebenden Vitus Bering. Ein dänischer Pionier, der in den Enzyklopädien wahlweise als „Seecapitain“ oder „Polarforscher“ auftaucht, jedenfalls von Peter dem Großen angestellt wurde, um in den russischen Osten aufzubrechen. Bering erreichte das Ostkap Asiens und die nach ihm benannte Beringstraße, drang sogar bis nach Alaska vor – und starb während der Überwinterung.
  Doch so spannend diese Geschichte auch sein mag, Konrad Bayer dient sie nur als Sprach- und Stoffreservoir. So wie Vitus Bering mit anderen Figuren in einer Wortschicht zusammenfinden kann, dem Zar etwa, Fridtjof Nansen, Ludwig XIV. oder James Cook, mischt Bayer das historische Material mit all seinen Rezepten und wissenschaftlichen Texten. Wobei ihm die geschichtliche Verortung nicht gleichgültig ist. In einem Kommentar zu seinem Buch schreibt er: „ich habe bering und mit ihm seine spärliche überlieferung gewählt, weil diese genügend offen lässt, weil sie widersprechend ist, weil man sie verfälschen (oder berichtigen) kann, ohne den historischen hintergrund zu verlieren, der noch genügend gewicht hat, um das ganze nicht in das himmelblaue wolkenkuckucksheim der chemisch gereinigten ästhetik entschwinden zu lassen.“
  Bayer, der Trickster, will sich weder auf den historischen Bericht noch auf die pure Artistik festklopfen lassen. Aber was setzen seine Verwandlungen frei? „als bering aus dem geheizten mannschaftsraum ins freie trat, löste sich die haut von seinen lippen“, heißt es einmal. Im Bild der zerfallenden Sprechorgane zeigt sich nicht nur die Härte, die das Auflösen aller Ordnungen mit sich bringt und die in den zahllosen halbschamanistischen Zerstückelungsszenarien des Buches ihren Ausdruck findet.
  Vielmehr wird die Sprache selbst zum Material, das sich immer neu bearbeiten und montieren lässt. Hier schneidet Bayer Zitate aus unterschiedlichen Bereichen ineinander, dort unterwirft er sie einem kombinatorischen Verfahren oder wird zum Mechanicus, der solange an den Sätzen baut, bis sie ihre grammatische Logik verlieren. Am Ende sind es nicht einmal 100 kleine Abschnitte und ein pseudowissenschaftlicher „Index“.
  Dabei zehrt dieses Buch der Widersprüche von einem wundersamen Grundparadox. Zwar spricht es fortwährend vom Schwanken und Verflüssigen alles Festen, führt dies aber in einer Sprache durch, die an Kühle und Klarheit ihresgleichen sucht. Ihr Charakter und Rhythmus gleicht jenen Eisflächen, die einmal beschrieben werden: „zunächst entstehen ganz feine nadeln, welche sich verlängern, aneinanderhaften, kreuzen und schließlich ein gespinst ergeben“.
  Und doch entfalten die Sätze eine Intensität, die in eine völlig andere Richtung führt. Als hätte sich Bayer die Warnfeuer an den Hecks der Schiffe zum Vorbild genommen, die erst richtig brennen, wenn man den Boden der Feuerpfanne mit einem scharfen Gegenstand abgeschabt und die verbliebene Schmutzkruste entfernt hat. So mag es einem beim Lesen wie jenen Seefahrern ergehen, die auf den Weltmeeren unterwegs sind: „des nachts sahen sie flämmchen wie sterne auf der meeresfläche, oft folgte dem schiffe ein feuriger schweif und bezeichnete den weg, welchen das schiff zurückgelegt hatte.“
Konrad Bayer: der kopf des vitus bering. Herausgegeben und mit einem Nachwort von Günther Eisenhuber. Verlag Jung und Jung, Salzburg und Wien 2014. 103 Seiten, 20 Euro.
Heraus aus dem „himmelblauen
wolkenkuckucksheim der
chemisch gereinigten ästhetik“!
Wiener Gruppe? Nein, Schamanen beim Maskentanz, gemalt von Paul Kane (1810-1871).
Foto: www.bridgemanart.com
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