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Der Koran ist für die Identität des Islam seit fast 1500 Jahren von zentraler Bedeutung. Cooks Einführung geht bewusst nicht chronologisch vor und behandelt zunächst den Koran in der modernen Welt, danach in der traditionell muslimischen Welt. Ein weiterer Abschnitt widmet sich dem Ursprung des Koran, skizziert die Probleme und Rätsel seiner Entstehung.

Produktbeschreibung
Der Koran ist für die Identität des Islam seit fast 1500 Jahren von zentraler Bedeutung. Cooks Einführung geht bewusst nicht chronologisch vor und behandelt zunächst den Koran in der modernen Welt, danach in der traditionell muslimischen Welt. Ein weiterer Abschnitt widmet sich dem Ursprung des Koran, skizziert die Probleme und Rätsel seiner Entstehung.
Autorenporträt
Michael Cook ist Professor am Department of Near Eastern Studies der Universität Princeton.
Rezensionen
Nun hat Michael Cook eine kurze Einführung in den Koran hervorgezaubert: eine wahre Sternstunde der Wissenschafts- und Kulturvermittlung. Süddeutsche Zeitung

Die Autorität des Koran als Heilige Schrift der Muslime hat eine die westliche Welt irritierende Wendung genommen. Deshalb ist die kurze Einführung des englischen Professors am Department of Near Eastern Studies der Universität Princeton, Michael Cook, eine wertvolle Möglichkeit, Missverständnisse zu vermeiden und eine rapide wachsende Gemeinde von Gläubigen ebenso zu verstehen wie die historische und gegenwärtige Bedeutung des Koran zu erkennen. Cook schreibt nicht etwa eine Theologie des Islam, sondern er beschreibt den Inhalt und die kulturelle wie gesellschaftliche Wirkungsmacht eines auch als Kunstwerk zu lesenden Buches. Saarbrücker Zeitung

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 04.12.2002

Vieles gibt’s, was jederzeit die Paradiesjungfrauen freut
Oder waren im ursprünglichen Text doch bloß „weiße Trauben” gemeint? Michael Cook weist einen religionshistorischen Weg durch die dunklen Stellen des Koran
Michael Cook ist berühmt. Und berüchtigt – seit er 1977 mit Patricia Crone die islamische Offenbarungsgeschichte in Bausch und Bogen als Fälschung verwarf und die Geburt des Islam kurzerhand von Mekka nach Syrien verlegte. Ihr spekulativer Radikalismus hat der zur Nachahmung empfohlenen Bibelkritik in der islamischen Welt wenig Freunde gemacht. Crone setzte den Bildersturm fort. Cook hingegen überraschte schon 1983 mit einem bemerkenswert besonnenen Buch über Muhammad. Nun hat er – nach 700 Seiten über ein Moralgebot! – eine kurze Einführung in den Koran hervorgezaubert: eine wahre Sternstunde der Wissenschafts- und Kulturvermittlung.
Das ist zunächst eine Frage der Haltung. Seine ungläubigen Leser nimmt Cook väterlich bei der Hand und stößt die gläubigen nicht mehr als nötig vor den Kopf – vielleicht, weil er ein selbstironischer Skeptiker ist: Wer sich nicht zu ernst nimmt, kann den Glauben anderer ernster nehmen. Die von Wissenschaft, Bibelkritik und Glaubensverlust geprägte „Globalkultur des Säkularismus” könne sich ja als bloßes „Übergangszeitalter des Unglaubens” erweisen; starker Glaube erschiene dann nicht mehr als intellektuell naiv. So verzichtet er auf den Besserwisser-Ton derer, denen Heilsgeschichte grundsätzlich Legende ist – und glänzt durch feinen Humor.
Im Mittelpunkt steht nicht die Botschaft des Korans, sondern sein Status als kanonische Schrift einer Weltzivilisation im eurasischen Vergleich. Hier häufen sich Superlative: Der Koran als jüngstes derartiges Werk wurde am raschesten, nämlich in wenigen Jahrzehnten kanonisiert, er ist am kompaktesten, nämlich ein einziges Buch statt 66 biblischer Bücher und ganzer Regalreihen Pali-Kanon, und nicht nur Klassiker von Menschenhand, sondern Heilige Schrift par excellence. Denn er ist von der ersten bis zur letzten Silbe Gottes Wort – ein Schrift, nicht Mensch gewordener Gott. Genauer noch, nach heftigem theologischem Streit und einer unseligen Inquisition im Dienst protoaufklärerischer Thesen: sein ungeschaffenes, zeitloses Wort ist so heilig, dass noch der Kodex von Unreinen nicht berührt werden darf.
Das verleiht dem Koran seine Autorität. Und steigert das Konfliktpotential zwischen zeitlicher Prägung und überzeitlichem Geltungsanspruch. Der Gedanke der Prägung – als Rücksichtnahme Gottes auf den arabischen Erwartungshorizont – war den Theologen übrigens nie fremd. Sie verstiegen sich nur nicht zu der Behauptung, er sei darum allein ein „Produkt seiner Zeit” – also letztlich Menschenwerk, das die Traditionspflege zur Not nachbessern kann. Gottes Wort ist möglichst unverändert zu bewahren. Cook beschreibt hinreißend die Mittel vom Textapparat bis zum Übersetzungsverbot und kommt dann zum Kniffligsten: der Auslegung.
Die trägt nicht selten Erwartungen der Gegenwart an den Text und ringt um den heutigen Sinn. Das ist nicht leicht im Zeichen der Vorherrschaft postchristlicher westlicher Werte. Für die Anpassung des Texts ans naturwissenschaftliche Weltbild hat Cook das harte Wort „würdelos”. Wer nicht fassen mag, dass die Gleichheit von Mann und Frau angesichts konträrer Verse oft verweigert wird, den macht er auf die bibeltreue Familienerklärung der Southern Baptists aufmerksam: dort hat sich die Frau ihrem Mann „mit Anmut zu unterwerfen”.
Irrglauben wird toleriert
Das eigentliche Faszinosum ist aber, dass ein großer Text von Anfang an unerkannten Sinn birgt. Man könnte auch sagen: er denkt stellenweise weit voraus. So macht der Koran zum Umgang mit Ungläubigen drei seltsam widersprüchliche Aussagen. „Schwert-” und „Tributvers” bringen die damals übliche Einstellung zum Ausdruck, dass manche Ungläubige bedingte Duldung genießen und andere nicht. Der „Kein-Zwang-Vers” hingegen toleriert Irrglauben bedingungslos. Das war mittelalterlichen Exegeten so peinlich, dass sie auf Mittel sannen, ihn durch Historisierung zu entwerten. Heute ist dieser Vers vor allem Laienpredigten über die ewigen Feinde des Westens ein Dorn im Auge; Siegfried Kohlhammers Zitatcollage über islamische Intoleranz unterschlägt ihn darum. Für die moderne Exegese ist er dagegen ein Geschenk des Himmels. Wir lesen mit Staunen, dass sogar Sayyid Qutb, der Vordenker der islamischen Revolution, ihn als Ausdruck der Glaubensfreiheit rühmte.
Das heißeste Eisen packt Cook zum Schluss an: die Herausbildung des Korans. Nach muslimischer Auffassung wurde die sich stückweise offenbarende Offenbarung bereits 18 Jahre nach dem Tod des Propheten zum kanonischen Text versammelt. Revisionisten vom Schlage Crones sähen es lieber, wenn sich der überlieferte Text nach dem Bild der Bibel als über Jahrzehnte entstandene Kompilation möglichst nichtprophetischer Materialien entpuppen würde.
Banalisierung gilt hier angesichts der Möglichkeit inspirierter Rede als erste Bürgerpflicht. Als banal scheinen sich bislang aber nur die nachweisbaren Abweichungen vom kanonischen Wortlaut zu erweisen – siehe Cooks Beispiele, in denen aus „Frevlern” „Ungläubige” werden. Nach Cook könnte sich das auch bei den 1972 in Sanaa entdeckten bislang ältesten Koranfragmenten so verhalten – durch die sich die Periode angeblich „nur” mündlicher Überlieferung auf 50 Jahre verringert wird und überdies deutlich wird, dass mündlich damals besser als schriftlich war. Dann bliebe den Zweiflern nur noch ein Trumpf: die vielen dunklen Stellen des Korans. Nach neuesten Vermutungen sollen die Redaktoren aramäische Lehnworte verkannt haben. Die berühmten Paradiesjungfrauen wären dann nur: weiße Trauben. Das ergäbe beträchtliche Abweichungen von der kanonisierten Lesart und würfe die Frage auf, was hier missverstanden wurde: Gottes Wort – oder Material aus vorkoranischen Quellen? Cook wägt Thesen – und endet mit einer Skepsis, die anderen Revisionisten fremd ist: Noch ist nichts bewiesen.
LUDWIG AMMANN
MICHAEL COOK: Der Koran. Eine kurze Einführung. Aus dem Englischen von Matthias Jendis. Reclam Verlag, Ditzingen 2002. 199 Seiten, 5,10 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Als "wahre Sternstunde der Wissenschafts- und Kulturvermittlung" feiert Rezensent Ludwig Ammann Michael Cooks "kurze Einführung" in den Koran. Das liegt nach Ansicht Ammanns zunächst einmal an Cooks Haltung: er nehme seine ungläubigen Leser väterlich bei der Hand und stoße die gläubigen nicht mehr als nötig vor dem Kopf: "So verzichtet er auf den Besserwisser-Ton derer, denen Heilsgeschichte grundsätzlich Legende ist - und glänzt durch feinen Humor." Im Zentrum des Buches stehe nicht die Botschaft des Korans, sondern sein Status als kanonische Schrift einer Weltzivilisation im eurasischen Vergleich. Wie Cook dies bewältigt, findet Ammann schlicht "hinreißend".

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