Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.06.2003Des Kaiser Rotbarts leidenschaftlicher Vasall
Tränentragödie: Arnold Bühler ediert einen zu Herzen gehenden Bericht über den dritten Kreuzzug
Als an einem drückend heißen Junitag des Jahres 1190 der fast siebzigjährige Kaiser Friedrich, den man Barbarossa nannte, vor den Augen seiner entsetzten Kreuzfahrer in einem kleinasiatischen Gebirgsfluß ertrank, war das nicht nur für das traumatisierte Heer eine Katastrophe. Unfaßbar und allzu unrühmlich erschien dieses Ende des charismatischen Herrschers, der gerade kurz zuvor den glänzenden Sieg von Konya über den Sultan der Seldschuken errungen hatte und dessen Zug ins Heilige Land die Krönung seines Kaisertums hätte werden sollen. Schon zu Lebzeiten hatte Friedrich wie wohl keiner sonst die sakrale Würde des Imperius personifiziert, ein Bild, das spätere Generationen in dem Maße vergoldeten, in dem das Reich der Staufer verfiel. Damit wurde der tragische Tod am türkischen Taurus, der das Scheitern des dritten Kreuzzuges einleitete, zu einer Art mythischem Scheitelpunkt des deutschen Mittelalters - und Kaiser Rotbart Lobesam zur unsterblichen Legendenfigur.
Ihre explosive Mischung aus religiöser Inbrunst und kriegerischer Brutalität hat den Kreuzzügen in unserer Zeit nicht allzu viel von ihrer Popularität erhalten. Bezeichnenderweise spielen sie im Film kaum eine Rolle, bestenfalls als eine diffuse Abenteuerlichkeit, die immer bereits stattgefunden hat, bevor die Akteure auftreten.
Doch unvermutet und einigermaßen irritiert sehen wir uns seit einigen Jahren mit einer wachsenden Welle fundamentalistischer Militanz konfrontiert, und nicht zufällig gehören zu den zentralen Brennpunkten immer noch Jerusalem und das Heilige Land. Auch damit verweisen die islamistischen Eruptionen von heute auf jene vergangene Epoche. Da erscheint es lohnend, ja spannend, sich den spektakulären Kreuzzug des greisen Kaisers von einem Augenzeugen sozusagen von innen schildern zu lassen.
Die "Historia de expeditione Friderici Imperatoris" wurde in der heute vorliegenden Handschrift zu Beginn des dreizehnten Jahrhunderts in einem böhmischen Kloster geschrieben und erscheint erstmals in deutscher Übersetzung. Der ursprüngliche Autor gehörte sicher zum engeren Kreis um den Kaiser, dessen leidenschaftlicher Gefolgsmann er war - daher seine genaue Kenntnis der politischen und diplomatischen Abläufe. Keine nüchterne Geschichtsschreibung kündigt er an, sondern eine "Tragödie unter Tränen".
Er beginnt gleich mit einem Paukenschlag, der im Jahre 1187 das Abendland wie einen Bienenschwarm aufwirbelte: Sultan Saladin hat bei den Hörnern von Hattin das christliche Heer vernichtet, Jerusalem genommen und das heilige Kreuz erbeutet. Der Aufruf zum Kreuzzug erfolgt fast automatisch.
Friedrich, der weiß, auf was er sich einläßt, bereitet sein Unternehmen ungewöhnlich sorgfältig vor, doch die Abmachungen mit Konstantinopel und Konya, die den Durchzug absichern sollen, greifen nicht. So wird aus dem langen Marsch eine endlose Kette von verbissenen Scharmützeln und dezimierenden Strapazen - für die Schlacht gegen die Seldschuken stehen den Rittern gerade noch sechshundert Pferde zur Verfügung. Bei den erbitterten Auseinandersetzungen mit der byzantinischen Administration um Märkte zur Versorgung des Heeres klingt bereits etwas von dem latenten Haß auf die "Griechen" durch, der sich dann beim nächsten Kreuzzug in der verheerenden Plünderung Konstantinopels entladen sollte, vermutlich der schlimmsten des Mittelalters. Nach dem Tode Friedrichs gelingt es seinem Sohn, noch einige zerfledderte und verseuchte Reste des demoralisierten Heeres bis vor das belagerte Akkon zu führen, nur um selbst zu sterben - ein trostloses Ende.
Dies alles schildert der Chronist mit einer zuweilen wunderbar dröhnenden Subjektivität in der ungebrochenen Selbstgerechtigkeit des gläubigen Pilgers im Heer des lebendigen Kreuzes, und die chiliastische Erregung seiner Sprache läßt bezweifeln, ob er eine scharfe Trennung zwischen dem himmlischen Jerusalem der Verheißung und der realen Stadt zu machen wüßte.
Seinen Reiz verdankt das Buch nicht zuletzt der unaufdringlichen Kompetenz des Herausgebers Arnold Bühler, Dozent für mittelalterliche Geschichte und Dialektik an der Universität Frankfurt am Main, der neben der geglückten Übersetzung auch die anschauliche Einleitung liefert. Ergänzt durch Briefe, echte und gefälschte, zahlreiche Illustrationen und umfassender Kommentierung schreibt er eigentlich einen zweiten Bericht des Barbarossa-Zuges, den er der Handschrift des engagierten Chronisten zur Seite stellt. Der Effekt ähnelt dem der alten 3-D-Bildpostkarten: Von zwei verschiedenen Blickwinkeln betrachtet, ergibt sich zusammengenommen ein Bild von überraschender Plastizität. Ein beachtliches Ergebnis für einen schmalen Band von nicht einmal zweihundert Seiten.
Müßig, aber völlig unbenommen bleibt uns schließlich ein Gedankenspiel, das schon die Phantasie des Mittelalters gereizt hat: Wie wäre wohl ein Aufeinander- oder gar Zusammentreffen der beiden großen Gegenspieler - Barbarossa und Saladin - verlaufen? Wollte doch die Legende wissen, der exotische Sultan habe angeboten, heimlich Christ zu werden, um eine Tochter des Kaisers zu heiraten. Verbürgt ist jedenfalls ein Schreiben Saladins an Friedrich aus einer Phase reger diplomatischer Kontakte, in dem es heißt: "Auch wenn die Entfernung unserer Reiche uns körperlich trennt, so war unser Herz dennoch sogleich mit Eurer ... Hoheit verbunden."
UWE SCHILDMEIER
Arnold Bühler (Hrsg.): "Der Kreuzzug Friedrich Barbarossas". Fremde Kulturen in alten Berichten, Band 13. Thorbecke Verlag, Stuttgart 2002. 192 S., 44 Abb., geb., 24,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Tränentragödie: Arnold Bühler ediert einen zu Herzen gehenden Bericht über den dritten Kreuzzug
Als an einem drückend heißen Junitag des Jahres 1190 der fast siebzigjährige Kaiser Friedrich, den man Barbarossa nannte, vor den Augen seiner entsetzten Kreuzfahrer in einem kleinasiatischen Gebirgsfluß ertrank, war das nicht nur für das traumatisierte Heer eine Katastrophe. Unfaßbar und allzu unrühmlich erschien dieses Ende des charismatischen Herrschers, der gerade kurz zuvor den glänzenden Sieg von Konya über den Sultan der Seldschuken errungen hatte und dessen Zug ins Heilige Land die Krönung seines Kaisertums hätte werden sollen. Schon zu Lebzeiten hatte Friedrich wie wohl keiner sonst die sakrale Würde des Imperius personifiziert, ein Bild, das spätere Generationen in dem Maße vergoldeten, in dem das Reich der Staufer verfiel. Damit wurde der tragische Tod am türkischen Taurus, der das Scheitern des dritten Kreuzzuges einleitete, zu einer Art mythischem Scheitelpunkt des deutschen Mittelalters - und Kaiser Rotbart Lobesam zur unsterblichen Legendenfigur.
Ihre explosive Mischung aus religiöser Inbrunst und kriegerischer Brutalität hat den Kreuzzügen in unserer Zeit nicht allzu viel von ihrer Popularität erhalten. Bezeichnenderweise spielen sie im Film kaum eine Rolle, bestenfalls als eine diffuse Abenteuerlichkeit, die immer bereits stattgefunden hat, bevor die Akteure auftreten.
Doch unvermutet und einigermaßen irritiert sehen wir uns seit einigen Jahren mit einer wachsenden Welle fundamentalistischer Militanz konfrontiert, und nicht zufällig gehören zu den zentralen Brennpunkten immer noch Jerusalem und das Heilige Land. Auch damit verweisen die islamistischen Eruptionen von heute auf jene vergangene Epoche. Da erscheint es lohnend, ja spannend, sich den spektakulären Kreuzzug des greisen Kaisers von einem Augenzeugen sozusagen von innen schildern zu lassen.
Die "Historia de expeditione Friderici Imperatoris" wurde in der heute vorliegenden Handschrift zu Beginn des dreizehnten Jahrhunderts in einem böhmischen Kloster geschrieben und erscheint erstmals in deutscher Übersetzung. Der ursprüngliche Autor gehörte sicher zum engeren Kreis um den Kaiser, dessen leidenschaftlicher Gefolgsmann er war - daher seine genaue Kenntnis der politischen und diplomatischen Abläufe. Keine nüchterne Geschichtsschreibung kündigt er an, sondern eine "Tragödie unter Tränen".
Er beginnt gleich mit einem Paukenschlag, der im Jahre 1187 das Abendland wie einen Bienenschwarm aufwirbelte: Sultan Saladin hat bei den Hörnern von Hattin das christliche Heer vernichtet, Jerusalem genommen und das heilige Kreuz erbeutet. Der Aufruf zum Kreuzzug erfolgt fast automatisch.
Friedrich, der weiß, auf was er sich einläßt, bereitet sein Unternehmen ungewöhnlich sorgfältig vor, doch die Abmachungen mit Konstantinopel und Konya, die den Durchzug absichern sollen, greifen nicht. So wird aus dem langen Marsch eine endlose Kette von verbissenen Scharmützeln und dezimierenden Strapazen - für die Schlacht gegen die Seldschuken stehen den Rittern gerade noch sechshundert Pferde zur Verfügung. Bei den erbitterten Auseinandersetzungen mit der byzantinischen Administration um Märkte zur Versorgung des Heeres klingt bereits etwas von dem latenten Haß auf die "Griechen" durch, der sich dann beim nächsten Kreuzzug in der verheerenden Plünderung Konstantinopels entladen sollte, vermutlich der schlimmsten des Mittelalters. Nach dem Tode Friedrichs gelingt es seinem Sohn, noch einige zerfledderte und verseuchte Reste des demoralisierten Heeres bis vor das belagerte Akkon zu führen, nur um selbst zu sterben - ein trostloses Ende.
Dies alles schildert der Chronist mit einer zuweilen wunderbar dröhnenden Subjektivität in der ungebrochenen Selbstgerechtigkeit des gläubigen Pilgers im Heer des lebendigen Kreuzes, und die chiliastische Erregung seiner Sprache läßt bezweifeln, ob er eine scharfe Trennung zwischen dem himmlischen Jerusalem der Verheißung und der realen Stadt zu machen wüßte.
Seinen Reiz verdankt das Buch nicht zuletzt der unaufdringlichen Kompetenz des Herausgebers Arnold Bühler, Dozent für mittelalterliche Geschichte und Dialektik an der Universität Frankfurt am Main, der neben der geglückten Übersetzung auch die anschauliche Einleitung liefert. Ergänzt durch Briefe, echte und gefälschte, zahlreiche Illustrationen und umfassender Kommentierung schreibt er eigentlich einen zweiten Bericht des Barbarossa-Zuges, den er der Handschrift des engagierten Chronisten zur Seite stellt. Der Effekt ähnelt dem der alten 3-D-Bildpostkarten: Von zwei verschiedenen Blickwinkeln betrachtet, ergibt sich zusammengenommen ein Bild von überraschender Plastizität. Ein beachtliches Ergebnis für einen schmalen Band von nicht einmal zweihundert Seiten.
Müßig, aber völlig unbenommen bleibt uns schließlich ein Gedankenspiel, das schon die Phantasie des Mittelalters gereizt hat: Wie wäre wohl ein Aufeinander- oder gar Zusammentreffen der beiden großen Gegenspieler - Barbarossa und Saladin - verlaufen? Wollte doch die Legende wissen, der exotische Sultan habe angeboten, heimlich Christ zu werden, um eine Tochter des Kaisers zu heiraten. Verbürgt ist jedenfalls ein Schreiben Saladins an Friedrich aus einer Phase reger diplomatischer Kontakte, in dem es heißt: "Auch wenn die Entfernung unserer Reiche uns körperlich trennt, so war unser Herz dennoch sogleich mit Eurer ... Hoheit verbunden."
UWE SCHILDMEIER
Arnold Bühler (Hrsg.): "Der Kreuzzug Friedrich Barbarossas". Fremde Kulturen in alten Berichten, Band 13. Thorbecke Verlag, Stuttgart 2002. 192 S., 44 Abb., geb., 24,90 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Uwe Schildmeier kann diesen erstmals ins Deutsche übersetzen Bericht über den dritten Kreuzzug Friedrich Barbarossas gar nicht genug loben. Zunächst erscheint es dem Rezensenten gerade in unserer Zeit, in der islamistische Bewegungen an Bedeutung gewinnen, "lohnend, ja spannend", Schilderungen von einem Anhänger und Augenzeugen des Kreuzzuges zu lesen. Da der Autor offensichtlich zum engeren Kreis des Kaisers gehörte, war er über die Hintergründe und Geschehnisse außerordentlich gut informiert, so Schildmeier beeindruckt. Das Buch verdanke seinen besonderen "Reiz" aber auch der "unaufdringlichen Kompetenz" des Herausgebers. Der Rezensent preist ihn für seine "geglückte Übersetzung" und seine "anschauliche Einleitung", und er findet es besonders gelungen, dass Brühler zusätzlich Illustrationen, Kommentare und Dokumente anbietet. Daraus entsteht ein "Bild von überraschender Plastizität", schwärmt Schildmeier, den dies besonders beeindruckt, weil der Band lediglich 200 Seiten umfasst.
© Perlentaucher Medien GmbH
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