Rund eine Million Frauen haben im Zweiten Weltkrieg in der Roten Armee gekämpft, aber ihr Schicksal ist nirgendwo festgehalten. In diesem Buch sind nun ihre Erinnerungen aufgezeichnet. Die Frauen schildern die unheroische Seite des Krieges, die üblicherweise in Erzählungen und Erinnerungen ausgeblendet wird. Im Gegensatz zu den Männern, die aus dem Krieg zurückkehrten, galten die Soldatinnen keineswegs als Heldinnen, vielmehr begegnete man ihnen mit Misstrauen, ja mit Verachtung. Swetlana Alexijewitsch gibt den Frauen in diesem erschütternden Buch erstmals eine Stimme. Entstanden ist ein zutiefst bewegendes, unsentimentales und doch fast lyrisches Dokument.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.10.2013Frauen im Krieg
Sieben Jahre arbeitete Swetlana Alexijewitsch an diesem, ihrem ersten Projekt. Es konnte erst unter Gorbatschow erscheinen, wurde zweimillionenmal verkauft und galt doch vielen als Tabubruch - zu unheroisch, zu weiblich, zu viel Grauen. Aber das war ihre Absicht: die andere Geschichte des Krieges erzählen, die der Frauen, nicht der Ereignisse. Eine Million junger Frauen kämpften in der Roten Armee, die meisten, fast noch Kinder, meldeten sich freiwillig. Sie kamen in eine Männerwelt, deren Bedingungen sich nicht änderten, nur weil die Kombattanten weiblich waren. Das konservative Frauenbild der Sowjetgesellschaft, im Krieg aufgehoben, holte die Soldatinnen danach wieder ein. So eine heiratete man nicht, so eine war keine Heldin, erzählt doch nur "Frauenkleinkram" und also den falschen Krieg. Sie wurden verachtet, beschwiegen, und also schwiegen sie auch. Bis Swetlana Alexijewitsch kam und sie fragte. Aus Hunderten Gesprächen hat sie ihre andere Geschichte herausgehört, zu einem vielstimmigen, erschütternden, unsentimentalen Chor komponiert, bearbeitet und in dokumentarische Prosa verwandelt. Es erzählen Sanitäterinnen, Scharfschützinnen, Partisaninnen, Pilotinnen über das normale Leben und die schwere Arbeit an der Front. Wie es ist, tonnenschwere Bomben mit bloßen Händen am Flugzeug zu befestigen, fast nie zu schlafen, Verwundete zu bergen, selbst verwundet zu werden. Und wie unerträglich es ist zu töten. "Ich begriff", schreibt die Autorin, "dass es Frauen schwerer fällt ..." In dieser Neuauflage ergänzt die gerade erst mit dem Friedenspreis des deutschen Buchhandels ausgezeichnete Autorin ihre Geschichte des Krieges mit Tagebucheinträgen und zwei kurzen Kapiteln: was 1985 die Zensur gestrichen hat und was sie selbst. (Swetlana Alexijewitsch: "Der Krieg hat kein weibliches Gesicht". Hanser Berlin 2013. 360 S., geb., 21,90 [Euro].)
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Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Sieben Jahre arbeitete Swetlana Alexijewitsch an diesem, ihrem ersten Projekt. Es konnte erst unter Gorbatschow erscheinen, wurde zweimillionenmal verkauft und galt doch vielen als Tabubruch - zu unheroisch, zu weiblich, zu viel Grauen. Aber das war ihre Absicht: die andere Geschichte des Krieges erzählen, die der Frauen, nicht der Ereignisse. Eine Million junger Frauen kämpften in der Roten Armee, die meisten, fast noch Kinder, meldeten sich freiwillig. Sie kamen in eine Männerwelt, deren Bedingungen sich nicht änderten, nur weil die Kombattanten weiblich waren. Das konservative Frauenbild der Sowjetgesellschaft, im Krieg aufgehoben, holte die Soldatinnen danach wieder ein. So eine heiratete man nicht, so eine war keine Heldin, erzählt doch nur "Frauenkleinkram" und also den falschen Krieg. Sie wurden verachtet, beschwiegen, und also schwiegen sie auch. Bis Swetlana Alexijewitsch kam und sie fragte. Aus Hunderten Gesprächen hat sie ihre andere Geschichte herausgehört, zu einem vielstimmigen, erschütternden, unsentimentalen Chor komponiert, bearbeitet und in dokumentarische Prosa verwandelt. Es erzählen Sanitäterinnen, Scharfschützinnen, Partisaninnen, Pilotinnen über das normale Leben und die schwere Arbeit an der Front. Wie es ist, tonnenschwere Bomben mit bloßen Händen am Flugzeug zu befestigen, fast nie zu schlafen, Verwundete zu bergen, selbst verwundet zu werden. Und wie unerträglich es ist zu töten. "Ich begriff", schreibt die Autorin, "dass es Frauen schwerer fällt ..." In dieser Neuauflage ergänzt die gerade erst mit dem Friedenspreis des deutschen Buchhandels ausgezeichnete Autorin ihre Geschichte des Krieges mit Tagebucheinträgen und zwei kurzen Kapiteln: was 1985 die Zensur gestrichen hat und was sie selbst. (Swetlana Alexijewitsch: "Der Krieg hat kein weibliches Gesicht". Hanser Berlin 2013. 360 S., geb., 21,90 [Euro].)
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»Dieses Buch ist das erste der im letzten Jahr mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichneten russischen Schriftstellerin, und schon hier beweist sie, dass man ihr den Preis - über vierzig Jahre später - zu Recht verliehen hat.« Frank Raudszus egotrip.de 20160114