30,00 €
inkl. MwSt.
Versandkostenfrei*
Sofort lieferbar
  • Broschiertes Buch

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat zahlreiche Konsequenzen für Deutschland und Europa, sicherheitspolitisch, wirtschaftlich und energiepolitisch. Dieser Krieg wurde von Bundeskanzler Scholz als "Zeitenwende", als Paradigmenwechsel für die deutsche Sicherheits- und Verteidigungspolitik bezeichnet. Diese "Zeitenwende" wird bzw. sollte massive Konsequenzen für die deutschen Sicherheitsbehörden haben.In dem Werk wird die Relevanz des Ukrainekrieges für Innere und Äußere Sicherheit erklärt. Neben den Konsequenzen des Krieges Russlands in der Ukraine für die Innere Sicherheit…mehr

Produktbeschreibung
Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat zahlreiche Konsequenzen für Deutschland und Europa, sicherheitspolitisch, wirtschaftlich und energiepolitisch. Dieser Krieg wurde von Bundeskanzler Scholz als "Zeitenwende", als Paradigmenwechsel für die deutsche Sicherheits- und Verteidigungspolitik bezeichnet. Diese "Zeitenwende" wird bzw. sollte massive Konsequenzen für die deutschen Sicherheitsbehörden haben.In dem Werk wird die Relevanz des Ukrainekrieges für Innere und Äußere Sicherheit erklärt. Neben den Konsequenzen des Krieges Russlands in der Ukraine für die Innere Sicherheit Deutschlands (Reaktionen der extremistischen Szenen), der Hybridkriegsführung Russlands (Desinformationskampagnen und Fake News gegen Deutschland und Europa) und einer von der Bundesregierung angekündigten "Zeitenwende" der deutschen Sicherheitspolitik werden auch die Flüchtlingssituation sowie die wirtschafts- und energiepolitischen Folgen untersucht.Es ist als Standardwerk für die relevanten Ministerien und Sicherheitsbehörden, sowie für die Kommunen konzipiert. Eine Besonderheit ist die fusionierte Betrachtung von Äußerer und Innerer Sicherheit. Diese doppelte Analyseperspektive entspricht der Forschungsausrichtung der Professur des Autors.Prof. Dr. Stefan Goertz lehrt an der Hochschule des Bundes, am Fachbereich Bundespolizei, in Lübeck.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 24.12.2022

Die
neue
Ordnung
Gwendolyn Sasses
Darstellung des Krieges
in der Ukraine
hebt die Diskussion
auf eine neue Stufe
Zur russischen Invasion in die Ukraine wird es keine Kriegsschulddebatte geben. Zu eindeutig ist die Rolle Putins, des Autokraten, der diesen Krieg von langer Hand vorbereitet hat. Doch die Handlungsdominanz eines Akteurs entbindet die Historiker nicht davon, nach längerfristigen Ursachen zu fragen. „Die Bezeichnung ,Putins Krieg' greift zu kurz, auch wenn Putin diesen Krieg auslöste", schreibt Gwendolyn Sasse in der ersten wissenschaftlichen Darstellung des Kriegs. „Auch gibt es nicht nur eine einzige Kriegsursache. Vielmehr war es ein Geflecht von miteinander verbundenen Entwicklungen, die die notwendigen, aber nicht hinreichenden Bedingungen für den Krieg schufen.“
In dieser Ursachensuche liegt der bleibende Wert der kurzen, konzentrierten Darstellung, die nur bis ins Frühjahr reichen kann. Es lohnt sich, die von Sasse aufgelisteten Faktoren und Entwicklungen vollständig wiederzugeben (die Ziffern wurden hinzugefügt): „1) Die Autokratisierung Russlands verbunden mit wachsenden neo-imperialen Machtansprüchen. 2) Die Durchdringung der russischen Gesellschaft mit staatlicher Geschichtspolitik und Propaganda. 3) Die Demokratisierung und Westorientierung der Ukraine. 4) Die Stärkung einer staatszentrierten ukrainischen Identität. 5) Die zunehmende Diskrepanz zwischen westlichen und russischen Sicherheitswahrnehmungen. 5) Die wachsenden Widersprüche in der westlichen Russland-Politik. 6) Die sukzessive Ausweitung des Krieges seit 2014.“
Sasses dichte und faktenreiche Darstellung folgt dieser Gliederung. Damit schafft sie Ordnung in den seit Jahren laufenden Debatten. Diese lassen sich um zwei Pole sortieren, den der Geopolitik und den der inneren Verhältnisse der beiden Konfliktparteien, also ganz klassisch nach der alten Frage, wo der „Primat“ der modernen Geschichte liege, bei Außen- oder Innenpolitik. Folgt das Staatensystem der Logik der Mächtekonkurrenz oder wird diese von inneren Faktoren bestimmt, die Staaten mehr oder eben weniger aggressiv machen? Das ist die große Frage, die nicht zuletzt am Beispiel des 1870/71 von Bismarck gegründeten Deutschen Reichs seit Generationen debattiert wird. Schon vor dem 24. Februar schieden sich im Falle Russlands und der Ukraine die Geister. „Russland-Versteher“ aus der „realistischen“ Schule verweisen gern auf die Rolle einer vorrückenden Nato und begreifen die russische Handlungsweise seit dem Georgien-Krieg von 2008 als Reaktion aus legitimen Sicherheitsinteressen. Die Freunde der Ukraine dagegen glauben, dass deren freiheitliche Verfassung die oligarchische Autokratie Russlands im Inneren herausforderte - durch das Beispiel in einem historisch eng verbundenen Nachbarland. Denn die Ukraine bewies, dass ein postsowjetisches Land eine Demokratie und ein freiheitlicher Rechtsstaat (wie unvollkommen auch immer) werden könne.
Die „Russland-Versteher“ (um den Ausdruck der Einfachheit halber weiter zu verwenden) taten das Freiheits-Narrativ als westliche Propaganda ab, gar als erneuerte Kalte-Kriegs-Rhetorik. „It's Geopolitics, stupid“, schallte es von den Twitter-Accounts moskaufreundlicher Thinktanks. Die Freunde der Ukraine dagegen beklagten westliches „Appeasement“, Beschwichtigungspolitik, gegenüber einer revisionistischen Großmacht.
Diese Frontstellung lässt sich auch in Sasses Liste wiedererkennen. Sie selbst hält die Faktoren 1) (Aggressivität des russischen Regimes) und 3) (Demokratisierung und Westorientierung der Ukraine) für die wichtigsten. Ihr Büchlein hebt die Diskussion auf eine neue Stufe, weil die Faktoren natürlich interagieren: Die Verwestlichung der Ukraine hat für Russland sowohl eine geopolitische wie eine innenpolitische Dimension, die sich aus der geographischen Nähe und der langen historischen Verbundenheit der Völker ergibt. Besonders interessant für die mit der Geschichte der Ukraine wenig vertrauten Leser dürfte dazu das Thema 4) von Sasse sein: Sie zeigt, wie die ukrainische Gesellschaft seit 1991 in immer neuen Protestwellen eine moderne Bürgeridentität ausbildete, die sich von früheren ethnozentrischen Selbstverständnissen deutlich unterscheidet: Verfassungspatriotismus statt Nationalismus, um es in ein deutsches Begriffsraster zu bringen. So wird Sasses klug durchargumentierte Darstellung zu einem Lehrstück, das auch die Frage beleuchtet, woher der erstaunliche Widerstandsgeist der ukrainischen Gesellschaft insgesamt kommt. Als der Opernchor in Odessa im Frühjahr 2022 den Gefangenenchor aus Verdis Oper „Nabucco“ („Va', pensiero“) unter einer ukrainischen Fahne sang, zitierte er eine Urszene europäischer Nationalstaatsbildung: Ein freies Volk wehrt sich gegen ein fremdes Großreich. Gwendolyn Sasse rückt den Abwehrkampf der Ukraine in die Perspektive eines Risorgimento.
GUSTAV SEIBT
„It's Geopolitics, stupid“, schallte
es von den Twitter-Accounts
moskaufreundlicher Thinktanks
Gwendolyn Sasse:
Der Krieg in der Ukraine. Hintergründe, Ereignisse, Folgen.
Verlag C. H. Beck (Reihe Wissen). München 2022, 128 Seiten, 12 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
…mehr