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Einfühlsam erzählt der Zeichner Manfred Bofinger von seiner Kindheit im Nachkriegs-Berlin, als der Westen schon golden, aber noch nicht gänzlich unerreichbar war, und in den Trümmern allmählich ein neues, lebenswertes Leben entstand. Eine Berliner Kindheit in schwerer Zeit, die zugleich stellvertretend für andere Orte und andere Zeiten stehen kann, da es Bofinger in unnachahmlicher Weise versteht, unser eigenes kindlich unbeschwertes und doch so prägendes Erleben und Erfahren wieder wachzurufen.

Produktbeschreibung
Einfühlsam erzählt der Zeichner Manfred Bofinger von seiner Kindheit im Nachkriegs-Berlin, als der Westen schon golden, aber noch nicht gänzlich unerreichbar war, und in den Trümmern allmählich ein neues, lebenswertes Leben entstand. Eine Berliner Kindheit in schwerer Zeit, die zugleich stellvertretend für andere Orte und andere Zeiten stehen kann, da es Bofinger in unnachahmlicher Weise versteht, unser eigenes kindlich unbeschwertes und doch so prägendes Erleben und Erfahren wieder wachzurufen.
Autorenporträt
Manfred Bofinger (1941-2006) Grafiker und Illustrator, arbeitete seit 1968 als freiberuflicher Grafiker und Cartoonist in Berlin. 120 illustrierte Bücher, viele Preise, zahlreiche Ausstellungen und ausgezeichnete Bücher.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.03.1999

Sanellabilder, hübsch gerahmt
Maikäfer, flieg: Manfred Bofingers Berliner Kindheit um 1949

Gerade diejenigen, die noch nicht lesen und schreiben konnten und seinen Namen kaum über die Zunge brachten, kannten Manfred Bofinger zu DDR-Zeiten besonders gut. Denn Bofinger, der seine Laufbahn als Schriftsetzer beim Satiremagazin "Eulenspiegel" begonnen hatte, war als einer der am weitesten verbreiteten Kinderbuchillustratoren der DDR bekannt wie ein bunter Kinderbuchhund. Seine oft nur mit einem Satz pro Seite versehenen Bilderbücher haben ganze Generationen von frühesten Kindesbeinen an bis ins lesefähige Alter begleitet. Weil er aber nicht nur für Kinder, sondern auch Cartoons für Erwachsene zeichnete (und noch immer zeichnet), ist der Name Bofinger allen, die in der DDR groß wurden, unvergeßlich.

Darauf, daß Bofinger aus seiner kleinbürgerlich-proletarischen Kindheit erzählt, hat das ehemalige DDR-Volk lange warten müssen. Eine wirkliche Autobiographie ist dabei freilich nicht entstanden. Vielmehr teilt der 1941 geborene Illustrator, der sich erst mit diesem Buch als Schriftsteller an die Öffentlichkeit wagt, seine Erinnerungen in kaum mehr als zwei Seiten umfassenden Miniaturen mit. Kurze Episoden porträtieren liebevoll die Symbolfiguren seiner zahlreichen Verwandtschaft und beschreiben, häufiger noch, eine nicht mehr existente Dingwelt, welcher der Verfasser melancholisch die Insignien seiner Kindheit entnimmt.

Die örtliche und zeitliche Perspektive ist dabei strikt begrenzt. Von gelegentlichen Abstechern in das Weichbild der Stadt abgesehen, wird ausgiebig Bofingers Berliner Heimatkiez Rheinsberger/Ecke Strelitzer Straße "im östlichen Bezirk Mitte" abgeschritten. Der Reiz, den dieses Karree wegen seiner Nachbarschaft zur Sektorengrenze an der Bernauer Straße und der Beschränkung des Blicks auf die Nachkriegsjahre 1946 bis 1950 haben könnte, kommt freilich bei Bofinger nur spärlich zum Tragen. Sein Buch möchte nämlich ein bißchen Wiedergutmachung leisten. Mag die unmittelbare Nachkriegszeit der Vier-Sektoren-Stadt auch von Hunger und Kälte beherrscht gewesen sein, der Autor weiß, daß sie "aus Kindersicht mitunter auch vergnüglich und freundlich" war. Diese raren Sonnenseiten kommen dann auch fast ausschließlich zu ihrem angeblich so lange vorenthaltenen Recht. Ruinenlandschaften, Trümmerfrauen, Schwarzmärkte, Hamsterfahrten und Kriegserinnerungen bilden nur die ungefähre Folie der Kindheit in einer Armeleutegegend, die sich schnell zum Idyll verklärt.

Mit dem krummen, am Ende eines Stockes befestigten Löffel, der dem Buch seinen Titel gibt, holte der kleine Manfred aus Kellerlöchern allerhand Schätze empor. Und so öffnet der Autor den Kramladen seines Gedächtnisses und befördert allerhand mythische Kindheitsbilder ans Licht - Maikäfer, Sanellasammelbilder, Murmeln, Tüten voller Kuchenkrümel, Tanten mit krummen Beinen, das notorische Astloch in der Umkleidekabine und was der Standarderinnerungen mehr sind. Warum all diese hübschen Harmlosigkeiten ausgerechnet auf die Jahre beschränkt bleiben, in denen die Teilung Berlins sowjetischerseits langsam, aber zielstrebig vorangetrieben wurde, bleibt jedoch schleierhaft. Man sollte meinen, daß jemand, der als Schuljunge 1949 acht Jahre alt war, irgendeine Erinnerung an die Gründung der DDR besitzt und dazu womöglich Anekdotisches zu berichten weiß. Von zeithistorischen Hintergründen bleibt der Leser jedoch verschont. Statt dessen geht es - etwas ermüdend - weiter durch Waschküchen und Schusterstuben, zu Onkel Pelle, auf die Rehberge und zurück ins Außenklo, wo Familie Reinecke wieder mal ihr Unwesen treibt. Genreszenen wie diese wollen nicht nur das Glück einer verunglückten Kindheit retten, sondern haben es auch auf das stille Einverständnis derer abgesehen, die sich ihre gute, möglicherweise gar nicht so alte Zeit nicht madig machen lassen wollen. Ein Schuft, wer hier einseitig Ostalgie vermutet; das vor wenigen Jahren erschienene West-Berliner Pendant zu Bofingers Buch, Horst Bosetzkys Nachkriegserinnerungen "Brennholz für Kartoffelschalen", war nicht weniger wehmütig. Nachwende-Berolinensia sind eben auch Lageberichte zum mentalen Beharrungsvermögen einer noch nicht vereinten Stadt. THOMAS MEDICUS

Manfred Bofinger: "Der krumme Löffel. Miniaturen einer Kindheit". Aufbau Verlag, Berlin 1998. 240 S., geb., 34,- DM.

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