Was macht Nietzsche zu Nietzsche? Worin besteht die Unverwechselbarkeit seines Denkens? In ihrer Auseinandersetzung mit diesen Fragen wendet sich Alenka Zupancic in »Der Kürzeste Schatten« gegen eine Tendenz, Nietzsche als Philosophen zu begreifen, der »seiner Zeit voraus« war und dessen Zeit endlich gekommen sei. Vielmehr liegt die singuläre Sprengkraft seiner Philosophie im Unzeitgemäßen nicht nur gegenüber seiner, sondern genau genommen jeder Zeit. Anhand zweier Aspekte von Nietzsches Philosophie untersucht Zupancic dieses Denken: Das Kapitel »Nietzsche als Metapsychologe« widmet sich dem Phänomen des Nihilismus und dem Konzept des asketischen Ideals, die zum Denken unserer hedonistischen postmodernen Gesellschaften gehört. Der »grosse Mittag« bezieht sich dagegen auf Nietzsches Wahrheitsbegriff. Der Nietzsches »Mittag« ist nicht der Moment, in dem alle Schatten verschwinden, sondern es ist die Zeit des »kürzesten Schattens«. Er markiert nicht die Einheit aller Dinge im vollen Licht der Sonne, sondern den Augenblick der Spaltung, in dem »Eins zu Zwei« wird. So ist es die Zwei, die Idee einer minimalen, irreduziblen Differenz des Selben, die Zupancic zufolge Nietzsches Werk durchzieht und die Quelle einer unablässigen, inhärenten Spannung bildet.
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