Obgleich Johann Beer seit seiner "Entdeckung" durch Richard Alewyn als einer der bedeutendsten Romanschriftsteller des 17. Jahrhunderts gilt, ist ein grosser Teil seiner Werke für den Forscher immer noch schwer zugänglich. Im besonderen Masse gilt dies für seinen "Bruder Blau-Mantel", der für Alewyn nur als Titel in einer Liste verbotener Bücher existierte und bis vor wenigen Jahren als verschollen galt. Die Wiederauffindung des einzigen erhaltenen Exemplars ist von grosser Bedeutung für die Beer-Forschung, nicht nur weil es sich um eine echte Rarität handelt, sondern vielmehr noch weil das kleine Werk in einzigartiger Weise einen Einblick in die Entwicklung seines Autors vermittelt. Der "Blau-Mantel" ist nämlich in einer Schaffenspause entstanden, in welcher Beer sich immer mehr von der bis dahin gepflegten Form des pikarischen Romans abwendet und nach neuen Strukturen und Inhalten sucht. Während einerseits die Nachwirkungen und Einflüsse von Grimmelshausens "Simplizissimus" noch sehr deutlich sind, erhellt der Roman als Dokument dieses Wandlungsprozesses aber auch Zusammenhänge, deren Bedeutung weit über die unmittelbare Auswirkung auf die Beer- Forschung hinausgeht. Es handelt sich somit bei Beers "Bruder Blau- Mantel" um ein Werk, das in Zukunft zu den wichtigeren Dokumenten der spätbarocken Epik gerechnet werden dürfte.