Wußten Sie, daß noch unlängst ein Handkuß unter freiem Himmel undenkbar war? Die Chinesen im Kuß ein Rudiment desKannibalismus sahen? Öffentliche Küsse in Indien vielerorts noch heute verboten sind? Und daß Küsse in Iowa nicht länger als fünf Minuten dauern dürfen? Diese kleine Studie untersucht den Kuß als kulturelles Phänomen.Alain Montandon durchstreift die Geschichte und Literatur und sammelt zahlreiche unterhaltsame Anekdoten und Zitate über das Küssen. Kurzweilig, knapp und fundiert untersucht er die vielfältige Semantik dieser wortlosen Mitteilung, die für ihn beides ist: mystisch und erotisch.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.10.2006Esskimo
Alain Montandons kleine Geschichte des Küssens
Der Kuss ist ein Dialog der Seelen, zumindest in der antiken Tradition. Dass er
ein komplexer symbolischer Code, ein kultureller Akt ist, dessen soziale und erotische Dimension in Literatur und Kunst vielfältig dargestellt worden ist, zeigt Alain Montandons unterhaltsame Kulturgeschichte des Kusses. Die kurzePhänomenologie beginnt bei antiker Liebeslyrik und veranschaulicht, dass der Kuss im Mittelalter „gleichbedeutend mit einem Vertrag oder Pakt” war; sie befasst sich mit Verhaltensregeln in der Renaissance und insbesondere mit dem Zeitalter der Aufklärung. „Im 18. Jahrhundert gab es nichts Natürlicheres, als seinen Gefühlen freien Lauf zu lassen. Ein Kuss warein Zeichen wahrer Menschlichkeit und eine Möglichkeit, seinen Glauben an das Gute im Menschen zu zeigen.”
Küsse gibt man sich an den unterschiedlichsten Schauplätzen. Küssen ist Sprache, und Montandon untersucht anekdotenreich deren Semantik,ob bei Flaubert, Kierkegaard oder Ovid. Neben kurzen Ausflügen in die Ethnologie, die den berühmten Eskimo-Nasenkuss nicht auslassen, richtet derAutor sein Hauptaugenmerk auf die Literatur.
Küssen kann therapeutisch wirken, Freundschaftsbeweis sein, Zeichen der Versöhnung oder der reine Sex. Montandons Erzählung der literaturgeschichtlichen Flirts ist garniert mit Geschichten über Dauerkuss-Rekorde, Filmküssen und aktuellen amerikanischen Kussverboten. Und wir erfahren, dass die alten Ägypter die Wörter „essen” und „küssen” mit demselben Schriftzeichen versahen. Guten Appetit.NICOLA ROEB
ALAIN MONTANDON: Der Kuss. Eine kleine Kulturgeschichte. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2006. 144 Seiten, 10,90 Euro.
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Alain Montandons kleine Geschichte des Küssens
Der Kuss ist ein Dialog der Seelen, zumindest in der antiken Tradition. Dass er
ein komplexer symbolischer Code, ein kultureller Akt ist, dessen soziale und erotische Dimension in Literatur und Kunst vielfältig dargestellt worden ist, zeigt Alain Montandons unterhaltsame Kulturgeschichte des Kusses. Die kurzePhänomenologie beginnt bei antiker Liebeslyrik und veranschaulicht, dass der Kuss im Mittelalter „gleichbedeutend mit einem Vertrag oder Pakt” war; sie befasst sich mit Verhaltensregeln in der Renaissance und insbesondere mit dem Zeitalter der Aufklärung. „Im 18. Jahrhundert gab es nichts Natürlicheres, als seinen Gefühlen freien Lauf zu lassen. Ein Kuss warein Zeichen wahrer Menschlichkeit und eine Möglichkeit, seinen Glauben an das Gute im Menschen zu zeigen.”
Küsse gibt man sich an den unterschiedlichsten Schauplätzen. Küssen ist Sprache, und Montandon untersucht anekdotenreich deren Semantik,ob bei Flaubert, Kierkegaard oder Ovid. Neben kurzen Ausflügen in die Ethnologie, die den berühmten Eskimo-Nasenkuss nicht auslassen, richtet derAutor sein Hauptaugenmerk auf die Literatur.
Küssen kann therapeutisch wirken, Freundschaftsbeweis sein, Zeichen der Versöhnung oder der reine Sex. Montandons Erzählung der literaturgeschichtlichen Flirts ist garniert mit Geschichten über Dauerkuss-Rekorde, Filmküssen und aktuellen amerikanischen Kussverboten. Und wir erfahren, dass die alten Ägypter die Wörter „essen” und „küssen” mit demselben Schriftzeichen versahen. Guten Appetit.NICOLA ROEB
ALAIN MONTANDON: Der Kuss. Eine kleine Kulturgeschichte. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2006. 144 Seiten, 10,90 Euro.
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