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Einfachen Naturgesetzen und nicht einer fernen Obrigkeit fühlen sich die Fischer und kleinen Crofter auf der Hebrideninsel verpflichtet. "Der Herr tut die Lachse in die Flüsse, wie er Beeren an die Büsche tut. Sie sind für uns alle da, und nicht bloß für den Gutsherrn." Der Alltag der Inselbewohner ist hart. Dass er auch seine heiteren Seiten hat, zeigen diese bezaubernden Schilderungen von Land und Leuten.

Produktbeschreibung
Einfachen Naturgesetzen und nicht einer fernen Obrigkeit fühlen sich die Fischer und kleinen Crofter auf der Hebrideninsel verpflichtet. "Der Herr tut die Lachse in die Flüsse, wie er Beeren an die Büsche tut. Sie sind für uns alle da, und nicht bloß für den Gutsherrn." Der Alltag der Inselbewohner ist hart. Dass er auch seine heiteren Seiten hat, zeigen diese bezaubernden Schilderungen von Land und Leuten.

Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.09.1996

Insel der kleinen Schelme
Nicht ohne meine Gummistiefel: Lillian Beckwith berichtet

Vom vollen Haar einer schönen Frau schwärmen nicht nur Friseure. Aber daß einem Verzückten dabei der Vergleich entfährt: "So weich und braun und breit wie der Mist aus dem Hintern einer Stute", ist ungewöhnlich. Aber so archaisch wird auf Bruach gefühlt, einer der rund fünfhundert Inseln der windzerzausten schottischen Hebriden. Folgt man jedenfalls den Schilderungen der britischen Autorin Lillian Beckwith, sind die Hebriden ein Paradies amüsanter Einfalt. Dort vermutet man beispielsweise, der Auktionator aus der großen Stadt könne nur deshalb so schnell sprechen, weil er von den gleichen Körnern esse, mit denen er seinen Papagei füttert. Brunnenkresse wird für das Zwergenvolk reserviert, während man dem Seeadler, würde man seiner ansichtig, ohne zu zögern, eine Kugel ins Gefieder brennte. Deshalb verheimlicht Miss Pickwitt ihrem geliebten Inselvolk auch lieber, daß sie auf dem Morgenspaziergang den Adler erspäht hat.

"Miss Pickwitt" ist Lillian Beckwith in gälischer Anrede, die Dichterin mit den Gummistiefeln, die fast zwanzig Jahre auf den Hebriden zubrachte, eifrig bemüht, das karge Leben der Insulaner nach Kräften zu teilen, auch mit einer nach Hunderttausenden zählenden Leserschaft. In humorvollen Genreromanen berichtet sie wiederholt vom Alltag der herben Inselwelt; der soeben in deutscher Taschenbuchausgabe erschienene Roman stammt aus dem Jahr 1973.

Im Mittelpunkt steht wieder Miss Pickwitt selbst, deren Perspektive aus englischer Herkunft dem geschilderten Inselidyll eine ethnographische Note gibt. Die astronomischen Entfernungen zwischen ihren eingefleischten britischen tea-time-Gepflogenheiten und den gälischen ceilidhs, den geselligen Klönschnacks der Eingeborenen, überbrückt Miss Pickwitt auch nach Jahren nur durch gutes Zureden ihrer selbst: "Eine Tasse braucht keine Untertasse, einen Teekuchen konnte man auf der Tasse balancieren, bis man ihn in die Finger nahm. Das bedeutete zwar manchmal Pfützchen auf dem Tisch und Krümel auf dem Boden, aber rohes Holz ist rasch gekehrt, und die Hühner sind gute Resteverwerter."

So tüchtig wie mit der Krümelei wird Miss Pickwitt auch mit den übrigen Aspekten des Insellebens fertig. Die crofter erscheinen durch ihre Brille allesamt als kleine Schelme, immer zu Streichen aufgelegt, niedlich abergläubisch und in ihrem anspruchslosen Fleiß in idealer Weise an die widerborstige Natur des rauhen Nordwestens angepaßt. Alle Hände voll zu tun haben sie mit widerspenstigem Fisch, Hühnern, die ihre Eier verstecken, und dem Wind, der die Heugarben wieder auseinanderzufetzen droht. Risse im Pfad könnten sich schnell zum Erdrutsch entwickeln, und vielleicht hat sich ein Stück Vieh verletzt, das dort von kreisenden Krähen markiert wird. Lillian Beckwith' Romane sind Idyllen des Sorge-Tragens. Das vorsorgliche Schließen der Fensterläden beim Heraufziehen des Sturms ist die symbolische Geste, die aus ihrem Schreibgestus spricht und sie trotz ihrer Überlegenheit mit den Inselbewohnern auf das innigste verbindet. Daß sie bis zur Schrulligkeit Hausfrau ist, die noch dem Einsortieren ihrer Wäsche ein literarisches Denkmal setzen könnte, bewahrt ihre Sorge vor naturfürchtigem Pathos und ökologischer Mahnwache. Lillian Beckwith expandiert lieber ins Vertikale. Als formulierte hier eine omnipotente Übermutter, erstreckt sich ihr Hausfrauenreich über die ganze Insel: Ein betulicher Unterton stilisiert die kleinen Schlägereien, Wildereien und Trinkgelage als Streiche von Menschen, die nie ernsthaft über die Stränge schlagen würden, weil sie vom Allernotwendigsten genügend auf Trab gehalten werden. "Ein Batzen selbstgerührte Butter", Teekuchen und ab und zu geklauter Lachs sind die Glanzlichter, die man Regen, Sturm und steinigem Boden entgegensetzt, vor allem aber das Ausspinnen leidlich skurriler Inselgeschichten.

Die Überlegenheit der Autorin gegenüber der Personnage des Romans erklärt den nachhaltigen Erfolg: Sie läßt den Leser an ihrer herablassenden Perspektive teilnehmen. Sicher ist die Herablassung von versöhnlicher, liebevoller Art, aber im harten Kern steckt darin die Stilisierung maternalistischer Autorität. Miss Pickwitt genießt auf dem Eiland Respekt. Ein Anflug von Ärger in ihrer Stimme bringt selbst Betrunkene zur Räson. Während im Alltag ihrer Leser die Begegnung mit rohen Charakteren oft Verständnisprobleme ganz handfester Art aufwirft und die Angst vor schlichtem Plebs die Städte beherrscht, sind Bildung und Überlegenheit hier noch identisch, schmackhaft zubereitet durch einen etwas schulmeisterlichen Humor. Das Personal ihres Schelmenromans regiert sie mit altjüngferlicher Sprödigkeit, was sie durchaus selbstgewiß zu inszenieren weiß. Wie selbstbewußt Lillian Beckwith denkt, verrät sich in winzigen Details. Erinnerungen "auffrischend" beispielsweise bewegt sie sich in ihrem Gedächtnis wie in einem gepflegten Ziergarten. "Ich lachte herzlich", schreibt sie in der Schilderung eines Gespräches in fröhlicher Runde. Wie merkwürdig, das über sich selbst zu sagen. HARALD JÄHNER

Lillian Beckwith: "Der Lachs im Pullover". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Isabella Nadolny. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1996. 207 S., br., 12,90 DM.

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