Mit der Operation Enduring Freedom begann am 7. Oktober 2001 der "Krieg gegen den Terror" in Afghanistan, der bis heute zum längsten Krieg der USA und ihrer Verbündeten geworden ist, mit Tausenden Toten und Verletzen, auch unter den deutschen Soldaten. Nun ziehen die westlichen Truppen ab, doch der Krieg bleibt, denn der neokoloniale "Kreuzzug" hat Wunden hinterlassen, die womöglich niemals heilen werden. Emran Feroz beschreibt zum 20. Jahrestag diesen Krieg nun erstmals aus afghanischer Perspektive. Er hat mit vielen Menschen vor Ort gesprochen: Von Hamid Karzai über Taliban-Offizielle bis zu betroffenen Bürgern, die unter diesem Krieg leiden.
Ein Buch über die Gräuel eines verbrecherischen Krieges, das gleichzeitig einen völlig neuen Blick auf ein Land und seine Menschen ermöglicht, die uns weitaus weniger fremd sind, als wir annehmen.
Ein Buch über die Gräuel eines verbrecherischen Krieges, das gleichzeitig einen völlig neuen Blick auf ein Land und seine Menschen ermöglicht, die uns weitaus weniger fremd sind, als wir annehmen.
Perlentaucher-Notiz zur Dlf Kultur-Rezension
Rezensentin Jasamin Ulfat-Seddiqzai liest das Buch von Emran Feroz zwar schnell, muss aber lange daran knabbern. Was der Autor aus jahrelangen Reisen durch Afghanistan und Gesprächen mit der Landbewohnern und mit Politikern an Schlüssen zieht, scheint ihr so gründlich wie prophetisch. Die Machtübernahme der Taliban, von der der Autor beim Verfassen des Buches noch nichts wissen konnte, erscheint der Rezensentin eine logische Folge all der Versäumnisse, die der Autor hier festhält. Feroz beschreibt die verschiedenen Phasen der afghanischen Geschichte und militärischen Interventionen laut Rezensentin als Verkettung von Katastrophen, die Gewalt, Korruption im Land und das Leid der Bevölkerung beförderten, nicht verminderten. Die politische Elite kommt dabei nicht besser weg als der "War on Terror", erkennt Ulfat-Seddiqzai.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 26.08.2021Nach dem Fall von Kabul Bücher zum Konflikt am Hindukusch
Gegengift
Durch den Sieg der Taliban ist „Der längste Krieg“
bereits in Teilen überholt. Und lohnt sich dennoch
VON MORITZ BAUMSTIEGER
Natürlich erzielen diese Bilder starke Wirkung. Starke Männer in Uniform halten schützend Babys in ihren Armen. Es passiert in diesen Tagen wohl mehrfach am Flughafen Kabul: Verzweifelte Eltern übergeben ihre Kinder an ausländische Soldaten. Letzte Hoffnung USA – Fotos wie diese, unter anderem von der amerikanischen Armee verbreitet, bilden ein vorerst letztes Mal das Narrativ ab, mit dem Washington und letztlich auch Berlin den Einsatz am Hindukusch begründeten: Die westlichen Truppen schützen die Zivilbevölkerung vor Terroristen, ihr aufopferungsvolles Handeln bereitet den Grund, auf dem Menschenrechte, Demokratie und Frauenbefreiung gedeihen sollen.
Wer hier die akute Gefahr der Verkleisterung von Tatsachen durch propagandistischen Süßstoff fürchtet, findet in „Der längste Krieg“ frisch angerührtes Gegengift. Der österreichische Autor Emran Feroz schreibt gegen die Verklärung an, mit der westliche Gesellschaften die Kriege betrachten, die sie nach dem 11. September 2001 begonnen haben.
Was als bittere Bilanz zu „20 Jahren War on Terror“ geplant war, hat durch die Wiedereroberung von Kabul durch die Taliban eine noch dringlichere Aktualität bekommen. Die Geschehnisse in Afghanistan haben Feroz’ Analysen zwar in guten Teilen bereits überholt. Antworten auf die Frage: „Wie konnte dieser Staat so schnell kollabieren?“, die sich Politiker und Analysten, Geheimdienstler und Journalisten derzeit mit einiger Überraschung stellen, geben sie dennoch.
Mit dem 11. September 2001, so schreibt es der Autor im Vorwort, wurde er wider Willen zum Afghanistan-Erklärer. „Emran, ihr seid doch aus Afghanistan“, habe die Grundschullehrerin ihn vor versammelter Klasse gefragt. „Weißt du, warum die das gemacht haben?“ Heute erklärt der 1991 geborene Feroz das Land beruflich, als Journalist und Autor, seit bald zwei Wochen auch häufig zugeschaltet als Interviewpartner im Radio oder bei Newssendern wie CNN.
Um schildern zu können, was andere nicht sahen oder nicht sehen wollten, musste Feroz keine Geheimdokumente auswerten und keine Whistleblower zum Reden bringen. Er reiste mehrfach für Recherchen durch das Land und beschäftigte sich konsequent mit vor allem zwei Themen, die in der Debatte zu Afghanistan immer wieder thematisiert wurden, ohne dass das letztlich zu einer ehrlichen Sicht auf die Lage im Land und das eigene Engagement dort geführt hätte: Zum einen arbeitet Feroz die immense Korruption der Eliten in Kabul und ihre Verstrickung in Kriegsverbrechen auf, die der Westen teils ignorierte, teils beförderte.
Zum anderen schildert er das immense Leid, das der vermeintliche Krieg gegen den Terror bei jenen Menschen erzeugte, die er doch vorgeblich befreien sollte: Durch willkürliche Drohnenangriffe und nächtliche Razzien, durch systematische Folter und verbrecherische Übergriffe und Morde seitens Soldaten aus dem Westen und der von ihm aufgebauten lokalen Anti-Terroreinheiten. Wer hier vor allem an den Kreuzzügler George W. Bush, den Drohnenkrieger Barack Obama und der CIA denkt, den erinnert Feroz an Kundus: Nach manchen Angaben bis zu 150 Menschen starben, als auf Anforderung der Bundeswehr 2009 zwei gestohlene Tanklaster bombardiert wurden. Die zivilen Opfer wurden nie entschädigt, der befehlende Oberst später zum General befördert.
Feroz’ Buch ist kein nüchternes Gutachten, sondern eine Anklage, die mancher teils als zu scharf und ihrerseits einseitig empfinden wird. Stören werden sich einige Leser – vor allem in Ministerien und Medienhäusern – auch an Feroz’ Furor etwa in Bezug auf die orientalistischen Sichtweisen, die er in der Afghanistanpolitik und der Berichterstattung über das Land wahrnimmt.
Dass Feroz’ Standpunkte aber über den 31. August Relevanz haben werden, wenn der Westen seine Soldaten aus dem Land abgezogen haben wird, zeigt paradoxerweise die Aktualität, die „Der längste Krieg“ in Teilen überholt hat. „In Afghanen wie Saleh fanden die Amerikaner das geeignete Personal für die Drecksarbeit“, schreibt Feroz etwa über den bisherigen Vizepräsidenten, der zuvor ein mindestens skrupelloser Geheimdienstchef war. Nun organisiert Amrullah Saleh im schwer zugänglichen Pandschir-Tal den bewaffneten Widerstand gegen die Taliban und wird als Held gefeiert. Wieder mal, das darf man getrost annehmen, wird der Westen nun offen oder verdeckt einen Mann unterstützen, den nicht wenige als Kriegsverbrecher ansehen und der schon deshalb kein friedliches Afghanistan wird aufbauen können. Der Einsatz der westlichen Soldaten im Land mag bald vorbei sein. Der „War on Terror“ ist es nicht.
Emran Feroz’ Buch ist kein
nüchternes Gutachten. Es
will Narrative zertrümmern
Drohnenattacken, nächtliche Razzien: Emran Feroz schildert vor allem auch das Leid, das der „Krieg gegen den Terror“ über ungezählte afghanischen Zivilisten gebracht hat.
Foto: imago stock&people
Emran Feroz:
Der längste Krieg:
20 Jahre War on Terror.
Westend, Frankfurt 2021. 224 Seiten, 18 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Gegengift
Durch den Sieg der Taliban ist „Der längste Krieg“
bereits in Teilen überholt. Und lohnt sich dennoch
VON MORITZ BAUMSTIEGER
Natürlich erzielen diese Bilder starke Wirkung. Starke Männer in Uniform halten schützend Babys in ihren Armen. Es passiert in diesen Tagen wohl mehrfach am Flughafen Kabul: Verzweifelte Eltern übergeben ihre Kinder an ausländische Soldaten. Letzte Hoffnung USA – Fotos wie diese, unter anderem von der amerikanischen Armee verbreitet, bilden ein vorerst letztes Mal das Narrativ ab, mit dem Washington und letztlich auch Berlin den Einsatz am Hindukusch begründeten: Die westlichen Truppen schützen die Zivilbevölkerung vor Terroristen, ihr aufopferungsvolles Handeln bereitet den Grund, auf dem Menschenrechte, Demokratie und Frauenbefreiung gedeihen sollen.
Wer hier die akute Gefahr der Verkleisterung von Tatsachen durch propagandistischen Süßstoff fürchtet, findet in „Der längste Krieg“ frisch angerührtes Gegengift. Der österreichische Autor Emran Feroz schreibt gegen die Verklärung an, mit der westliche Gesellschaften die Kriege betrachten, die sie nach dem 11. September 2001 begonnen haben.
Was als bittere Bilanz zu „20 Jahren War on Terror“ geplant war, hat durch die Wiedereroberung von Kabul durch die Taliban eine noch dringlichere Aktualität bekommen. Die Geschehnisse in Afghanistan haben Feroz’ Analysen zwar in guten Teilen bereits überholt. Antworten auf die Frage: „Wie konnte dieser Staat so schnell kollabieren?“, die sich Politiker und Analysten, Geheimdienstler und Journalisten derzeit mit einiger Überraschung stellen, geben sie dennoch.
Mit dem 11. September 2001, so schreibt es der Autor im Vorwort, wurde er wider Willen zum Afghanistan-Erklärer. „Emran, ihr seid doch aus Afghanistan“, habe die Grundschullehrerin ihn vor versammelter Klasse gefragt. „Weißt du, warum die das gemacht haben?“ Heute erklärt der 1991 geborene Feroz das Land beruflich, als Journalist und Autor, seit bald zwei Wochen auch häufig zugeschaltet als Interviewpartner im Radio oder bei Newssendern wie CNN.
Um schildern zu können, was andere nicht sahen oder nicht sehen wollten, musste Feroz keine Geheimdokumente auswerten und keine Whistleblower zum Reden bringen. Er reiste mehrfach für Recherchen durch das Land und beschäftigte sich konsequent mit vor allem zwei Themen, die in der Debatte zu Afghanistan immer wieder thematisiert wurden, ohne dass das letztlich zu einer ehrlichen Sicht auf die Lage im Land und das eigene Engagement dort geführt hätte: Zum einen arbeitet Feroz die immense Korruption der Eliten in Kabul und ihre Verstrickung in Kriegsverbrechen auf, die der Westen teils ignorierte, teils beförderte.
Zum anderen schildert er das immense Leid, das der vermeintliche Krieg gegen den Terror bei jenen Menschen erzeugte, die er doch vorgeblich befreien sollte: Durch willkürliche Drohnenangriffe und nächtliche Razzien, durch systematische Folter und verbrecherische Übergriffe und Morde seitens Soldaten aus dem Westen und der von ihm aufgebauten lokalen Anti-Terroreinheiten. Wer hier vor allem an den Kreuzzügler George W. Bush, den Drohnenkrieger Barack Obama und der CIA denkt, den erinnert Feroz an Kundus: Nach manchen Angaben bis zu 150 Menschen starben, als auf Anforderung der Bundeswehr 2009 zwei gestohlene Tanklaster bombardiert wurden. Die zivilen Opfer wurden nie entschädigt, der befehlende Oberst später zum General befördert.
Feroz’ Buch ist kein nüchternes Gutachten, sondern eine Anklage, die mancher teils als zu scharf und ihrerseits einseitig empfinden wird. Stören werden sich einige Leser – vor allem in Ministerien und Medienhäusern – auch an Feroz’ Furor etwa in Bezug auf die orientalistischen Sichtweisen, die er in der Afghanistanpolitik und der Berichterstattung über das Land wahrnimmt.
Dass Feroz’ Standpunkte aber über den 31. August Relevanz haben werden, wenn der Westen seine Soldaten aus dem Land abgezogen haben wird, zeigt paradoxerweise die Aktualität, die „Der längste Krieg“ in Teilen überholt hat. „In Afghanen wie Saleh fanden die Amerikaner das geeignete Personal für die Drecksarbeit“, schreibt Feroz etwa über den bisherigen Vizepräsidenten, der zuvor ein mindestens skrupelloser Geheimdienstchef war. Nun organisiert Amrullah Saleh im schwer zugänglichen Pandschir-Tal den bewaffneten Widerstand gegen die Taliban und wird als Held gefeiert. Wieder mal, das darf man getrost annehmen, wird der Westen nun offen oder verdeckt einen Mann unterstützen, den nicht wenige als Kriegsverbrecher ansehen und der schon deshalb kein friedliches Afghanistan wird aufbauen können. Der Einsatz der westlichen Soldaten im Land mag bald vorbei sein. Der „War on Terror“ ist es nicht.
Emran Feroz’ Buch ist kein
nüchternes Gutachten. Es
will Narrative zertrümmern
Drohnenattacken, nächtliche Razzien: Emran Feroz schildert vor allem auch das Leid, das der „Krieg gegen den Terror“ über ungezählte afghanischen Zivilisten gebracht hat.
Foto: imago stock&people
Emran Feroz:
Der längste Krieg:
20 Jahre War on Terror.
Westend, Frankfurt 2021. 224 Seiten, 18 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
"Auf 212 Seiten schreibt Feroz so spannend, dass man das Buch nicht weglegen kann. Bei jedem Skandal, den er erläutert, hält man den Atem an, weil man so viel Grausamkeit und Gleichgültigkeit kaum ertragen kann."
Deutschlandfunk Kultur
"Der gescheiterte Krieg gegen den Terror [hat] mit seinen unzähligen zivilen Opfern massiv zur Radikalisierung vieler Afghanen beigetragen."
Kontext Wochenzeitung
"Eine Bilanz von 20 Jahren Internationalem Militäreinsatz am Hindukusch."
rbb Inforadio
"In seinem neuen Buch bilanziert der Journalist mit afghanischen Wurzeln die westliche Intervention am Hindukusch."
ZDF "Markus Lanz"
"Feroz' Buch ist kein nüchternes Gutachten, sondern eine Anklage."
Süddeutsche Zeitung
"Emran Feroz zieht in seinem neuen Buch Bilanz über den Krieg."
Kurier
"Ein Buch über die Gräuel eines verbrecherischen Krieges."
Spiegel Bestseller-Newsletter
"Ein Kenner der Thematik."
stern.de
"Ein wichtiges Buch über den Afghanistankonflikt"
Islamische Zeitung
"Feroz beschreibt, warum der Westen in Afghanistan gescheitert ist."
Business Insider
"Ein empfehlenswertes Buch"
Freitag Blog
"Emran Feroz Buch ist eine Anklage, ein Fanal, eine Abrechnung ... stellt es doch über die Jahre gewachsene Ansichten und Allgemeinplätze wie jenen von der Demokratie, die am Hinukusch verteidigt worden sei, in Frage."
NDR Info
"Nahost-Experte Emran Feroz ist überzeugt, dass der Afghanistan-Einsatz die Islamisten eher gestärkt hat."
Merkur
"Provokativ, emotional und mitreißend geschrieben, kritisch und selbstkritisch zugleich, liefert das Buch aber auch eine Fülle von neuen Quellen und Belegen. Nicht zuletzt deshalb lohnt sich die Lektüre. Um zu verstehen, weshalb der längste Krieg so ausging, wir ausging."
Deutschlandfunk Andruck
Deutschlandfunk Kultur
"Der gescheiterte Krieg gegen den Terror [hat] mit seinen unzähligen zivilen Opfern massiv zur Radikalisierung vieler Afghanen beigetragen."
Kontext Wochenzeitung
"Eine Bilanz von 20 Jahren Internationalem Militäreinsatz am Hindukusch."
rbb Inforadio
"In seinem neuen Buch bilanziert der Journalist mit afghanischen Wurzeln die westliche Intervention am Hindukusch."
ZDF "Markus Lanz"
"Feroz' Buch ist kein nüchternes Gutachten, sondern eine Anklage."
Süddeutsche Zeitung
"Emran Feroz zieht in seinem neuen Buch Bilanz über den Krieg."
Kurier
"Ein Buch über die Gräuel eines verbrecherischen Krieges."
Spiegel Bestseller-Newsletter
"Ein Kenner der Thematik."
stern.de
"Ein wichtiges Buch über den Afghanistankonflikt"
Islamische Zeitung
"Feroz beschreibt, warum der Westen in Afghanistan gescheitert ist."
Business Insider
"Ein empfehlenswertes Buch"
Freitag Blog
"Emran Feroz Buch ist eine Anklage, ein Fanal, eine Abrechnung ... stellt es doch über die Jahre gewachsene Ansichten und Allgemeinplätze wie jenen von der Demokratie, die am Hinukusch verteidigt worden sei, in Frage."
NDR Info
"Nahost-Experte Emran Feroz ist überzeugt, dass der Afghanistan-Einsatz die Islamisten eher gestärkt hat."
Merkur
"Provokativ, emotional und mitreißend geschrieben, kritisch und selbstkritisch zugleich, liefert das Buch aber auch eine Fülle von neuen Quellen und Belegen. Nicht zuletzt deshalb lohnt sich die Lektüre. Um zu verstehen, weshalb der längste Krieg so ausging, wir ausging."
Deutschlandfunk Andruck