Die Asylantenhatz in Hoyerswerda, das Schulmassaker in Littleton, der Amoklauf von Bad Reichenhall - wenn die Geschichte der Gewaltexzesse wieder einmal um ein weiteres Kapitel fortgeschrieben wird, ist sogleich eine Schar von Experten zur Stelle mit Erklärungen, die auf den individuellen Faktor der Täterschaft zielen und damit eine Beruhigung für die Gesellschaft darstellen: keiner von uns. Günter Lempa hinterfragt diese zu kurz greifenden Ansätze mit seinem Konzept des psychosozialen Kontrakts. Er sieht einen unbewussten Vertrag in unserer Gesellschaft, der einen Tausch von zivilisiertem Verhalten gegen Sicherheit, Anerkennung und Teilhabe verspricht. Dieses jedoch labile Gleichgewicht löst sich unter den gegenwärtigen Tendenzen von Individualisierung, Dynamisierung und Modernisierung auf. Der Kontrakt wird gebrochen, das Versprechen als Lohn für Wohlverhalten wird nicht eingelöst; das kann dann zu sozialer Panik führen. Das schlüssige, aber auch alarmierende sozialpsycholog ische Interpretationsmodell zeigt auf, von wo die Gewalt und die Gewalttätigen ausgehen: aus unserer Mitte.