Im Mai 1937 wartet ein Mann jede Nacht neben dem Fahrstuhl seiner Leningrader Wohnung darauf, dass Stalins Schergen kommen und ihn abholen. Der Mann ist der Komponist Schostakowitsch, und er wartet am Lift, um seiner Familie den Anblick seiner Verhaftung zu ersparen. Die Gunst der Mächtigen zu erlangen, hat zwei Seiten: Stalin, der sich plötzlich für Schostakowitsch' Musik zu interessieren scheint, verlässt noch in der Pause die Aufführung seiner Oper »Lady Macbeth von Mzensk«. Fortan ist der Komponist ein zum Abschuss freigegebener Mann. Durch Glück entgeht er der Säuberung, doch was bedeutet es für einen Künstler, keine Entscheidung frei treffen zu können? In welchem Verhältnis stehen Kunst und Unterdrückung, Diktatur und Kreativität zueinander. Und ist es verwerflich, wenn man sich der Macht beugt, um künstlerisch arbeiten zu können?
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.12.2017Erst die Moral, dann das Fressen
Dies ist ein Roman. Er handelt von dem russischen Komponisten Dmitri Schostakowitsch (1906 bis 1975). Schostakowitsch begegnet uns darin als Oppositioneller und als Opportunist; es ist ein Leben zwischen Angst, Scham und Verrat. Nie hat man besser verstanden, wie die marxistische Diktatur die Menschen im Innersten zerstört. Am Ende weiß man nicht mehr, was Realität ist und was Fiktion. Deshalb, muss sich der britische Autor Julian Barnes gedacht haben, kommt der Wahrheit am nächsten, wer einen Roman und keine Biographie schreibt. Was das mit Wirtschaft zu tun hat? Viel. Wo die Freiheit fehlt, gehen Menschen vor die Hunde, selbst wenn sie nicht Hunger leiden müssen. Erst kommt die Moral, dann das Fressen. Doch am Ende werden auch die Wirtschaftssubjekte korrumpiert. Russland trägt bis heute an den Folgen schwer.
ank.
Julian Barnes: Der Lärm der Zeit. Kiepenheuer & Witsch 2017. 20 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Dies ist ein Roman. Er handelt von dem russischen Komponisten Dmitri Schostakowitsch (1906 bis 1975). Schostakowitsch begegnet uns darin als Oppositioneller und als Opportunist; es ist ein Leben zwischen Angst, Scham und Verrat. Nie hat man besser verstanden, wie die marxistische Diktatur die Menschen im Innersten zerstört. Am Ende weiß man nicht mehr, was Realität ist und was Fiktion. Deshalb, muss sich der britische Autor Julian Barnes gedacht haben, kommt der Wahrheit am nächsten, wer einen Roman und keine Biographie schreibt. Was das mit Wirtschaft zu tun hat? Viel. Wo die Freiheit fehlt, gehen Menschen vor die Hunde, selbst wenn sie nicht Hunger leiden müssen. Erst kommt die Moral, dann das Fressen. Doch am Ende werden auch die Wirtschaftssubjekte korrumpiert. Russland trägt bis heute an den Folgen schwer.
ank.
Julian Barnes: Der Lärm der Zeit. Kiepenheuer & Witsch 2017. 20 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
»Es ist das beste Buch von Barnes seit mehr als zehn Jahren.« Frankfurter Allgemeine Zeitung
Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
Rezensent Michael Maar verehrt Julian Barnes - und gerade deshalb schaut der Kritiker besonders pedantisch auf den neuen Roman "Der Lärm der Zeit". Ohne Frage, das Leben des Komponisten Dimitri Schostakowitschs in der Stalin-Zeit erzählt Barnes ebenso ergreifend wie ernsthaft, "dicht" und mit Gespür für Komposition, lobt Maar. Großartig auch, wie der Autor vorführt, wie der "Terror die Seele zersetzt" und wie Schostakowitsch unter seiner "Feigheit" litt, so Maar. Dennoch vermisst er nicht nur ein paar Worte über die Musik des Komponisten in diesem Roman, sondern bemängelt auch einige öde Pointen und "sentenziöse" Passagen. Und: So ganz konsequent wird die an sich klug angelegte Innensicht des Helden auch nicht durchgehalten, klagt er.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»perfekt durchkomponierter Roman« Rolling Stone