Very british! Spannungsgeladen eingebauter Familienauflauf, wie man ihn niemandem wünscht.
Imogen ist seit zwei Monaten Witwe, wohnt in einem großen Haus mit vielen Zimmern, und ist etwas zwiegespalten. Auf der einen Seite ist ihr Verlust über Ivor noch schmerzlich, besonders so alleine im Haus,
auf der anderen Seite richtet sie es sich gerade im Leben neu ein, denn ihr Verschiedener war nicht…mehrVery british! Spannungsgeladen eingebauter Familienauflauf, wie man ihn niemandem wünscht.
Imogen ist seit zwei Monaten Witwe, wohnt in einem großen Haus mit vielen Zimmern, und ist etwas zwiegespalten. Auf der einen Seite ist ihr Verlust über Ivor noch schmerzlich, besonders so alleine im Haus, auf der anderen Seite richtet sie es sich gerade im Leben neu ein, denn ihr Verschiedener war nicht unbedingt ein Prachtexemplar von Ehemann.
S. 15: „O Gott, murmelte sie – und näher an einem Gebet war wohl nichts, was Imogen jemals geäußert hatte – bitte lieber Gott, lass mich nie vergessen, was für ein Ekel er sein konnte.“ (very british)
Während sie noch so darüber nachsinnt, das ein oder andere Zimmer zu vermieten, wird ihr Wunsch schneller erfüllt, als ihr lieb ist. Ihre anverheiratete Verwandtschaft kommt mehr überraschend denn eingeladen über die Weihnachtsfeiertage vorbei und richtet sich häuslich ein. Denn man könne ja schließlich Imogen besonders zu Weihnachten in ihrer Trauer nicht alleine lassen. Stiefsohn Robin ist ein selbstgefälliges Ekel, und Stieftochter Dot reist mit ihren beiden Söhnen an, im verzögernden Schlepptau erscheint noch ihr Ehemann, den Dot lieber wo anders gesehen hätte. Es wird gestritten, was das Zeug hergibt. Und zu allem Überfluss kommt dann auch noch Cynthia direkt von den Bermudas, die zweite Ehefrau von Imogens verstorbenem Ehemann. Und die ist so, wie man sich eben diese reiche Tanten aus Übersee vorstellt: über jeden Zweifel erhaben, bestimmend und arrogant und trotzdem mit einer latenten Fähigkeit zur Gefühlsduselei.
Es ist ein wahres Tollhaus, in dem sich Imogen wiederfindet. Aber sie hält sich tapfer, verwünscht die ganze Bagage manchmal zum Teufel, auf der einen Seite glaubt sie, an deren Anteilnahme und Fürsorge dankbar sein zu müssen. Die Gründe für die Besuche könnten aber auch anders geartet sein … denn Weihnachten ist schon Wochen vorbei und der Besuch hält sich hartnäckig.
Zu allem Überdruss wird sie von einem jungen Herrn belästigt, der strikt und stur behauptet, Beweise zu habe, dass Imogen ihren Mann getötet hat. Man könne sich ja dennoch unter der Hand einigen … gegen eine gewisse Summe ...
Imogen versteht die Welt nicht, denn ihr Mann verstarb bei einem Autounfall, zweihundert Meilen entfernt von zu Hause und seiner Frau. Und dennoch, durch ihr Blackout an jenem Tag, wohl hervorgerufen durch den Schock, … wäre es möglich gewesen … oder was steckt hinter all diesen Behauptungen? Es löst sich natürlich am Schluss alles auf … mehr wird nicht verraten.
Celia Fremlin (1914-2009) versteht es perfekt, eine schwelende Spannung aufzubauen. Nur hin und wieder wird man als Leser mit den Vorwürfen des Mordes konfrontiert, bekommt ein paar Happen zugeworfen. Es gibt seltsame Dinge, die im großen Haus passieren, und für die es keine Erklärungen geben mag. Frische Schriftstücke tauchen in der Handschrift von Ivor auf, manche Dinge sind nicht mehr dort, wo sie eben noch waren, usw. Den Rest der Handlung geht es darum, die sich parasitär sesshaft machende Verwandtschaft zu verteufeln.
Trotz des großen Tohuwabohus im Haus und dem Fakt, dass die „Aufklärung“ der Beschuldigungen stark in den Hintergrund treten, wird das ganze Zeilenspiel nie langweilig. Die Charaktere sind sehr fein stilisiert, man erhält perfekte Abbildungen. Die Autorin stellt alle handelnden Personen plastisch und sehr authentisch dar, man wähnt sich mitten im Haus, und alle wuseln um einen herum und sind einem besser bekannt als die eigene Verwandtschaft. Das ist eine ganz große Erzählkunst. Nebenbei setzt Fremlin sehr gezielt eine erfrischende Komik ein, die, wie schon erwähnt, teilweise bitterböse britisch ist.
Gerne gebe ich eine Leseempfehlung für diesen sehr unterhaltsamen Roman.