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1348 taucht ein Pilger aus Jerusalem in der Mark Brandenburg auf. Ist er der rechtmäßige Erbe der Mark, oder ist er ein Scharlatan? Das Volk feiert ihn. Dem späteren Kaiser Karl IV. kommt er im Kampf um die Macht sehr gelegen. In den Auseinandersetzungen um die Vorherrschaft in Europa wird der totgeglaubte Markgraf, der letzte aus dem Geschlecht der Askanier, zu einer Schlüsselfigur. Wer war der Mann, der als der 'falsche Waldemar' in die Geschichte einging?

Produktbeschreibung
1348 taucht ein Pilger aus Jerusalem in der Mark Brandenburg auf. Ist er der rechtmäßige Erbe der Mark, oder ist er ein Scharlatan? Das Volk feiert ihn. Dem späteren Kaiser Karl IV. kommt er im Kampf um die Macht sehr gelegen. In den Auseinandersetzungen um die Vorherrschaft in Europa wird der totgeglaubte Markgraf, der letzte aus dem Geschlecht der Askanier, zu einer Schlüsselfigur. Wer war der Mann, der als der 'falsche Waldemar' in die Geschichte einging?
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.10.1997

Nichts Neues von Waldemar
Derzeit deutsch: Horst Bosetzkys Roman vom letzten Askanier

Auch die häßlichste Frau habe immer noch sieben Schönheiten, schrieb Fontane im Vorwort zu den "Wanderungen", um die Leser darauf einzustimmen, daß die Reize der Mark Brandenburg eher zu denen gehörten, die im Verborgenen blühen: "Man muß sie nur zu finden verstehen." Der Landstrich bedurfte der literarischen Rehabilitierung, und so begegnet man auch heute noch mit Neugier und Wohlwollen dem Versuch Horst Bosetzkys, einen historischen Roman über das vierzehnte Jahrhundert einmal nicht im bunten Oberitalien oder in einer pittoresken Abtei spielen zu lassen, sondern in der märkischen Provinz zwischen Luch und Heide.

Es geht um die legendäre Geschichte des "falschen Waldemar". Nach dem Tod des letzten askanischen Markgrafen 1319 erlebte Brandenburg im Streit um das "askanische Erbe" unruhige Zeiten. Die umliegenden Länder versuchten, sich angrenzender Gebiete der Mark zu bemächtigen; es kam zu fortwährenden Überfällen und Kämpfen, die grausame Verheerungen anrichteten. Schließlich geriet das Land unter die bayerische Herrschaft der Wittelsbacher. Weiterer Schaden ergab sich aus der päpstlichen Gegnerschaft - 1324 hatten aufgebrachte Berliner den Propst von Bernau gelyncht. Die katastrophale Situation Brandenburgs, die Leiden seiner Bevölkerung verlangten geradezu nach dem wunderbaren Retter und Erlöser.

Der tauchte dann um 1348 tatsächlich auf und behauptete, der in höchster Not zurückgekehrte Markgraf Waldemar zu sein. Er habe seinen Tod 1319 vorgetäuscht, um eine Pilgerfahrt nach Palästina anzutreten. Ein von den Toten auferstandener Waldemar kam nicht nur den unzufriedenen Brandenburgern zur rechten Zeit, er war auch der Koalition, die sich gegen die Wittelsbacher bildete, eine hochwillkommene Figur; Karl IV. setzte ihn schließlich feierlich wieder in seine Rechte ein. Drei Jahre später - Karl versöhnte sich mit den Bayern - war die zweite Herrschaft des Markgrafen schon wieder beendet.

Es ist eine bis heute nicht ganz geklärte Frage, ob der zurückgekehrte Waldemar echt oder falsch gewesen ist. Das Geschehen wurde als geschickt eingefädelte Intrige gedeutet, aber auch als Rollenspiel eines Geisteskranken oder Scharlatans, der sich dann zum politischen Werkzeug habe machen lassen. Es scheint sich bei dem "falschen Waldemar", seltsam genug, um einen Müller namens Jakob Rehbock gehandelt zu haben. Das geschichtsfreudige neunzehnte Jahrhundert jedenfalls entwickelte großes Interesse an dem mysteriösen Stoff. Von Willibald Alexis beispielsweise, seinerzeit als der "märkische Walter Scott" gefeiert, stammt ein dreibändiger Roman "Der falsche Woldemar".

Bosetzky, bekannt als Verfasser sozialkritischer Kriminalromane (-ky), schildert den Auf- und Abstieg des falschen Waldemar als politische Komödie. Jakob Rehbock kommt nach Jahrzehnten zurück aus dem Heiligen Land, erfährt von der Ermordung seiner Familie und schwört vor den Trümmern seiner Mühle den Herrschenden Rache. Die Maskerade beginnt, und sogleich findet der Müller-Markgraf seine interessierten Helfer im Ränkespiel. Der "falsche Waldemar" ist bei Bosetzky aber zugleich der echte; eine mühsame Konstruktion, deren Auflösung keineswegs das "Höchstmaß an Spannung" bietet, mit dem der Klappentext wirbt. Der Markgraf (der echte) hat ein Verhältnis mit der Müllerstochter; während der Liebesstunden darf Rehbock draußen den schnellen Rappen des Fürsten reiten und verunglückt prompt tödlich. Der politischen Welt überdrüssig, kommt dem Markgrafen die Idee, den Toten statt seiner in den Sarg zu legen und selber unter dem falschen Namen des Müllers unerkannt auf Pilgerreise zu gehen. In Jerusalem fällt er von einem Gerüst und verliert sein Gedächtnis; ein treusorgender Pater rekonstruiert seine Erinnerungen: als Müller-Rehbock, der bei seiner Rückkehr dann nichts mehr von seinem Waldemar-Vorleben weiß. Am Ende findet der nur vermeintlich "falsche Waldemar" in einigen Erinnerungsstürzen zu seiner wahren Identität zurück; so erklärt sich, warum ihm das Spiel mit der Fürstenrolle so gut gelingt.

Solche angestrengten Bocksprünge der Handlung, die auch das Nebengeschehen um den bayerischen Agenten Attinghaus bestimmen, ein wahres Stehaufmännchen, das eine Reihe von Pfeilschüssen, Vergiftungen und im letzten Moment abgebrochenen Hinrichtungen übersteht, mögen bei einem Buch, das ein aufgeregtes historisches Panorama bieten will, gerade noch hinnehmbar sein; nicht hinnehmbar ist seine Sprache. Im Nachwort zitiert der Autor den mittelhochdeutschen Wortlaut einer Urkunde von 1348, um zu demonstrieren, daß er so ja nun nicht habe schreiben können. Anstelle jeder vermeintlich vergeblichen Mühe um sprachliche "Authentizität" bekennt sich Bosetzky zur Absicht, die "Geschichte mit modernem Entertainment ,rüberzubringen'", zur "Übersetzung ins ,Derzeitdeutsche'". Ein treffendes Wort. Das Buch ist über weite Strecken ganz im "Derzeitdeutsch" geschrieben.

Um so mehr stutzt der Leser, wenn eine Reihe von Kapiteln sehr viel überzeugender ausfällt. Der Einzug in Magdeburg etwa oder die Gestalt des grobianischen Ritters Hans Lüddecke sind vergleichsweise stimmig geraten. In diesen Partien erweist sich Bosetzkys "Waldemar" allerdings in ganz anderem Sinn als falsch. Der Autor erwähnt die aufwendige Darstellung des Willibald Alexis im Quellenverzeichnis, er habe sie als "Steinbruch" benutzt. Die Metapher führt in die Irre. Nicht einige "Steine" hat Bosetzky aus dem historischen Romangebäude des Vorgängers herausgebrochen, um damit sein eigenes Haus zu bauen; er hat mehr als ein Drittel seines Romans schlichtweg bei Alexis abgeschrieben. Daß Autoren - wenn auch selten in diesem Ausmaß - mit Anleihen und Übernahmen arbeiten, ist nichts Ungewöhnliches. Entscheidend ist der ästhetische Zugewinn der Verarbeitung. Hier aber überragt das im Originalton Abgeschriebene alles, was der Autor selbst zu leisten vermag.

Sollte man also lieber gleich Alexis lesen? - Auch "Der falsche Woldemar" ist nicht ohne Grund vergessen. In seinem Alexis-Essay schreibt Fontane: "Können diese Bürgerpatrizier- und Rittergestalten, die uns hier zu ganzen Dutzenden vorgeführt werden, können sie eine tiefere menschliche Teilnahme, können sie ein Romaninteresse in uns wecken? Ich antworte darauf: Nur sehr bedingungsweise. Und zwar sehr bedingungsweise deshalb, weil wir doch eigentlich herzlich wenig von ihnen wissen." So bleibe es zwangsläufig bei Halbkunst, bei klischeehaft typisierten "Mittelalterfiguren". Fontane selber ist deshalb bei seinem großen historischen Roman aus der Oderland-Provinz, "Vor dem Sturm", nicht weiter als fünfzig Jahre - bis zu den Anfängen seines eigenen Jahrhunderts - zurückgegangen. WOLFGANG SCHNEIDER

Horst Bosetzky: "Der letzte Askanier". Roman. Argon Verlag, Berlin 1997. 410 S., geb., 39,80 DM.

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