Der Doyen der israelischen Literatur rechnet ab mit dem Land der Täter: Ein überaus provokanter Beitrag zum heutigen deutsch-jüdischen Verhältnis. Als Yoram Kaniuk 1985 eine Einladung des Bundespräsidenten nach Deutschland annahm, ahnte er nicht, dass diesem ersten Aufenthalt weitere folgen sollten. Fortan ließen ihn, den Juden deutscher Abstammung, Deutschland und die Frage danach, warum gerade dieses Volk den Holocaust verübt hatte, nicht mehr los. Bei seinen Besuchen traf er einfache Menschen, ehemalige SS-Offiziere, Politiker, aber auch Kulturschaffende wie Heinrich Böll und Günter Grass.
Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
Fast schon konsterniert scheint Rezensent Stefan Weidner über Yoram Kaniuks Buch zu sein. Nicht nur weil der Autor sich darin "prophetisch" wundert, dass noch niemand einen Roman über Marcel Reich-Ranicki geschrieben hat, sondern weil Kaniuks "nur leicht fiktionalisierten Berichte aus dem zeitgenössischen Deutschland" in gewisser Hinsicht die aktuelle Antisemitismusdebatte vorwegnehmen. Und Weidner ist sichtlich bemüht, sich nicht provozieren zu lassen und klärt zunächst einmal den Hintergrund: 1986 reist Kaniuk, dessen Eltern 1928 aus Berlin nach Israel ausgewandert sind, zum ersten Mal nach Deutschland. Unter denkbar "schlechten Ausgangsbedingungen", meint Weidner. Zum einen spüre Kaniuk in Deutschland keine wirkliche Bereitschaft zur "Sühne" und zum anderen, vermutet der Rezensent, erwarte er von Deutschland die Heilung seiner "gespaltenen Seele" - gespalten zwischen der Deutschlandliebe des Vaters und seiner Kindheit im deutschlandfeindlichen Umfeld. All das mache ihn geradezu absolut in seinem Anspruch, vor dem kein deutscher Bewältigungsversuch bestehen kann. Und "seltsam" sei, dass er den Leser überzeugen könne. Jedoch - und das rettet ihn in Weidners Augen vor der "Böswilligkeit" - parodiere er sich auch mitunter selbst. Wo dies jedoch nicht der Fall sei, findet der Rezensent so manches befremdlich. Es scheint ihm, als sei "der Vorwurf immer schon erhoben". Doch Weidner sieht in Kaniuks Buch auch eine beabsichtigte Emotionalität, die hygienisch wirken soll. Es gehe ja schließlich auch um Irrationales, das erst zu Tage treten müsse, um "bereinigt" zu werden. Für den Rezensenten besteht allerdings das Problem, dass diese Emotionalität auf der zwischenmenschlichen Ebene sinnvoll ist, dass aber auf der staatlich-politischen Ebene, die Kaniuk laut Weidner auch ins Spiel bringt, diese Emotionalität "fatal" sei. Woraufhin der Rezensent etwas pathetisch schließt: Kaniuks "Anklagen gegen Deutschland können dennoch niemanden, der in diesem Lande lebt, gleichgültig lassen".
© Perlentaucher Medien GmbH
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