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Sprachliche Virtuosität ist eine Rarität geworden. - Pankowskis Sprache ist eine solche.Seine geistige Freiheit verschreibt sich keiner Philosophie, keiner Schule, keiner politischen Linie: sein schärfster auf die Sprache gerichteter Blick wirft das Denken so gegen alle Erwartung aus bekannten Bahnen, dass etwas Ungewöhnliches durch seine Texte geschieht: sie erzeugen Glück. - Vor geistiger Schönheit, überraschender Sinnhaftigkeit, präzisem Humor.In dem Silvenmanuskript Der letzte Engeltag versammelt der polnische Verleger des Autors eine Auswahl von dessen Notizen, die datiert sind auf Tage,…mehr

Produktbeschreibung
Sprachliche Virtuosität ist eine Rarität geworden. - Pankowskis Sprache ist eine solche.Seine geistige Freiheit verschreibt sich keiner Philosophie, keiner Schule, keiner politischen Linie: sein schärfster auf die Sprache gerichteter Blick wirft das Denken so gegen alle Erwartung aus bekannten Bahnen, dass etwas Ungewöhnliches durch seine Texte geschieht: sie erzeugen Glück. - Vor geistiger Schönheit, überraschender Sinnhaftigkeit, präzisem Humor.In dem Silvenmanuskript Der letzte Engeltag versammelt der polnische Verleger des Autors eine Auswahl von dessen Notizen, die datiert sind auf Tage, die in unserer näheren Zukunft liegen. - Eine Zeit, in der Pankowskis Alter Ego das mosaische Alter von 120 Jahren überschritten haben wird. Er blickt zurück, zurück auch hinter unsere Zeit, während er eine Welt vor Augen hat, die die unsrige sein wird.Angestachelt durch die Beobachtungen zukünftiger Alltage, in deren Abläufe sich immer wieder Bilder der Erinnerungen drängen, lädt Pankowski sein Alter Ego zu einer grotesk anmutenden Versammlung ein: Er wird als Gast geladen der voraussichtlich letzten Konferenz der Engel - "Durch das transkosmische Teleskop in die Unendlichkeit" - beizuwohnen.In das Szenario von Ausschwitz gebettet, wird diese Zusammenkunft zu einer furiosen Sprachburleske, in der Erleben und Kommentieren eine scheinbar spielerisch leicht verknüpfte Verbindung eingehen über die Hauptfragen von Religion und Metaphysik, Denken und Glauben. Dieses literarische Kleinod lehrt die Antworten ihre Fragen!Der letzte Engeltag ist ein Blick zurück voller Humor - zurück in eine Kindheit vor Auschwitz - und zugleich nach vorn - in eine uns ereilende Zukunft.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.03.2012

Himmelsbote
Die Wiederentdeckung des Polen Marian Pankowski

Wenn der Exilschriftsteller Marian Pankowski in den letzten Jahren in Polen auf Lesereise war, dann lag ihm dort eine immer größer werdende Fangemeinde zu Füßen: vor allem Studenten, Anhänger der neuen polnischen Linken, die Schwulenszene und der gesamte literarische Underground. Die Verehrer des Autors, der auf Fotos meistens Hut, Einstecktuch und Mantel trägt und dessen subversive Literatur im seltsamen Kontrast zu seinem aristokratischen Auftreten stand, hätten vom Alter her seine Enkel und Urenkel sein können. Und als Pankowski im vergangenen Frühjahr mit einundneunzig Jahren in seiner Wahlheimat Brüssel starb, war man sich einig: Polen hatte einen lange verkannten Autor, die Subkultur eine ihrer Ikonen verloren.

Seine späte Wiederentdeckung verdankt der 1919 im südpolnischen Sanok geborene Pankowski vor allem dem Gespür von Piotr Marecki, der seine Romane seit 2005 in den jungen, trendsetzenden Verlagen "Ha!art" und "Krytyka Polityczna" herausgibt. Die Neuauflage des Romans "Rudolf", bei seinem ersten Erscheinen in Polen in den achtziger Jahren von der Kritik noch als Pornographie abgetan, erlangte über Nacht Kultstatus. Pankowski erzählt darin die Geschichte der Freundschaft zwischen einem polnischen Universitätsprofessor, Emigranten und Überlebenden eines deutschen Konzentrationslagers und einem homosexuellen ehemaligen Wehrmachtssoldaten. Wie die meisten seiner Bücher trägt "Rudolf" autobiographische Züge: Auch Pankowski überlebte Auschwitz, Gross-Rosen und Bergen-Belsen; emigrierte 1945 nach Belgien, wo er Professor für polnische Literatur an der Brüsseler Université Libre war, Gedichte, Prosa und Theaterstücke schrieb und Literatur übersetzte. Seine zufällige Bekanntschaft mit dem Deutschen, der ihm in einem Café an der Grande Place und später in Briefen freimütig seine homosexuellen Liebesabenteuer gesteht, bilden die Romanvorlage. "Rudolf" ist ähnlich wie Michal Witkowskis Tuntenroman "Lubiewo" längst zum Schlüsselwerk der polnischen Schwulenbewegung avanciert.

Nachdem dreißig Jahre lang kein Buch von Pankowski mehr in deutscher Sprache vorlag, hat der Züricher Secession Verlag nun den Versuch unternommen, die poetische Prosa dieses an der Weichsel gefeierten Tabubrechers abermals zugänglich zu machen, etwa Pankowskis preisgekrönten Kurzroman "Der letzte Engeltag". Die Handlung dieses schmalen Bändchens ist in näherer Zukunft angesiedelt und steckt doch voller Erinnerungen an die eigene Kindheit und Jugend. Eine groteske eschatologische Jenseitsphantasie, in der ein gewisser Pankowski, Alter Ego des Autors, auf einen Engelskongress eingeladen wird. Seine Begegnung mit den Himmelsboten ist überraschend: Sie sind wie Häftlinge eines Konzentrationslagers in Kommandos organisiert. Das "Kommando zur Verteidigung der Erbsünde" besteht aus gläubigen Engelinnen und Engeln. Sie haben Flügel, ihr Arbeitsplatz sind die Träume der Erdbewohner. Ihre Gegenspieler, die "Wisser", sind flugunfähige Rationalisten in Jeans, die der traditionellen Himmelskleidung kritisch gegenüberstehen. Und dann wäre da noch das "Kommando der Postsodomiten". Anders als man es von Luftwesen gemeinhin erwartet, interessieren sich Pankowskis Engel vornehmlich für alles Irdische und Fleischliche.

Wie gewohnt wählt Pankowski die frivole, provokante Form, um in Polen verdrängte, marginale und tabuisierte Themen mit moralischer Freizügigkeit abzuhandeln. Für die feine Ironie, mit der er Grenzen überschreitet und Gewohnheiten durchbricht, ist er viel gelobt worden. In "Der letzte Engeltag" stellt Pankowski nicht zum ersten Mal die Frage nach dem Ort Gottes und der Religion in der Welt, nach Sinn und Zweck überlieferter religiöser Praktiken. Doch während er sich in früheren Texten als Agnostiker geriert und den polnischen "Stadionkatholizismus" anprangert, bewegt er sich in diesem Spätwerk auf dem schmalen Grat zwischen Glauben und Wissen und benennt damit auch sein persönliches Dilemma.

"Er war so wunderbar inkonsequent", schrieb Pankowskis Verleger Piotr Marecki in seinem Nachruf. Im Alltag diszipliniert und asketisch, habe er seine Figuren in die denkbar riskantesten Abenteuer der Transgression verwickelt. Ähnlich wie sein Geistesverwandter Witold Gombrowicz beschrieb Marian Pankowski Polen mit dem distanzierten Blick des Exilanten, dessen scharfe Beobachtungen polnischer Befindlichkeiten und Idiosynkrasien nichts von ihrer Aktualität eingebüßt haben. Den Generationen, die in das intellektuelle Vakuum nach 1989 hineingewachsen sind, ist es hoch anzurechnen, den Nestbeschmutzer Marian Pankowski reimportiert zu haben.

STEFANIE PETER.

Marian Pankowski: "Der letzte Engeltag". Ein Silvenmanuskript.

Aus dem Polnischen von Sven Sellmer. Secession Verlag für Literatur, Berlin 2011. 82 S., geb., 17,30 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Der 1919 geborene und 2011 im Brüsseler Exil gestorbene polnische Autor Marian Pankowski ist seit seiner Wiederentdeckung 2005 zum Kultautor des polnischen literarischen Undergrounds geworden, weiß Stefanie Peter. Erstmals seit drei Jahrzehnten liegt nun ein neues Buch in deutscher Übersetzung vor, das einmal mehr Tabus und Verdrängtes mit dem ihm eigenen Hang zur Provokation aufgreift. In "Der letzte Engeltag" besucht sein Alter Ego mit Namen Pankowski einen Kongress der Engel, die - wie KZ-Häftlinge - in "Kommandos" eingeteilt sind und ein starkes Interesse an allem Fleischlichen zeigen, fasst die Rezensentin die Handlung des schmalen grotesken Romans zusammen. Die Rezensentin kann sich dem Lob der Kritik für die "feine Ironie" und das unerschrockene Ausloten polnischer Befindlichkeiten nur anschließen und es ist ihr zudem aufgefallen, dass der Autor sich hier nicht wie in früheren Büchern als Agnostiker präsentiert, sondern tatsächlich auf der feinen Linie von "Glauben und Wissen" balanciert.

© Perlentaucher Medien GmbH