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Adelheid Duvanels Erzählungen besitzen eine eigentümliche Kraft und Dichte. Sie wurden verglichen mit 'Kassibern, die, aus dem Gefängnis geschmuggelt, Meldungen vom verschollenen Leben machen.' Ein Kritiker der FAZ sieht in ihnen 'Erzählwelten, in denen das Leben die Strafe und ihr Grund dafür ist.' Duvanels Helden sind Frauen und Kinder, und deren Stärke ist: Sie geben sich nicht geschlagen. Von zwei Kindern heißt es: 'Den langen Weg in die Wirklichkeit beschritten sie mit Tapferkeit.'- bis zur nächsten Weggabelung. Eine Frau hat ihr Exil in der Straßenbahn gefunden. Einen Mann zieht es zu…mehr

Produktbeschreibung
Adelheid Duvanels Erzählungen besitzen eine eigentümliche Kraft und Dichte. Sie wurden verglichen mit 'Kassibern, die, aus dem Gefängnis geschmuggelt, Meldungen vom verschollenen Leben machen.' Ein Kritiker der FAZ sieht in ihnen 'Erzählwelten, in denen das Leben die Strafe und ihr Grund dafür ist.' Duvanels Helden sind Frauen und Kinder, und deren Stärke ist: Sie geben sich nicht geschlagen. Von zwei Kindern heißt es: 'Den langen Weg in die Wirklichkeit beschritten sie mit Tapferkeit.'- bis zur nächsten Weggabelung. Eine Frau hat ihr Exil in der Straßenbahn gefunden. Einen Mann zieht es zu Kiosken, weil ihn dort niemand fragt, warum er da ist. Und der kleine Damian in seinem Rollstuhl gibt, sobald sein Zeichenblock auf seinen Knien liegt, innere Entwarnung. Er malt, was er beim Blick aus seinem Fenster nie zu Gesicht bekommt: Bäume und immer wieder Bäume. Adelheid Duvanel gelingt es, auf wenigen Seiten ganze Biographien zu entwerfen, Lebensgeschichten zu erzählen mit all ihren Büchern und raren Augenblicken von Glück.

Etwa die Hälfte der Erzählungen sind in den letzten Monaten vor dem Tod der Autorin entstanden; einige Geschichten aus demselben thematischen Umkreis, die unveröffentlicht oder seit langem nicht mehr zugänglich waren, ergänzen den Band. Einer ihrer Bewunderer, der Essayist und Kritiker Peter von Matt, hat Duvanels Erzählen in einem Satz so zusammengefaßt: 'Und alles ist eminente Kunst.'
Autorenporträt
Adelheid Duvanel Geboren 1936 in Basel, Kindheit und Jugend in Pratteln und Liestal (Schweiz). Besuch der Kunstgewerbeschule, Lehre als Textilzeichnerin, verschiedene Bürostellen, Mitarbeiterin eines Meinungsforschungsinstitutes, Journalistin.1968/69 Aufenthalt in Formentera/Spanien, lebte als freie Schriftstellerin in Basel. Adelheid Duvanel starb im Juli 1996.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.07.1997

Gesungen im düsteren Gras
Vermischte Prosa aus dem Nachlaß von Adelheid Duvanel

Gut ein Jahr ist es her, daß die Baseler Erzählerin Adelheid Duvanel im Alter von sechzig Jahren den Tod gefunden hat oder, wie sie selber wohl gesagt hätte, für immer "nach AUSSEN" gegangen ist. Um einer nicht mehr erträglichen Wachheit zu entkommen, nahm sie Medikamente und zog sich in einen Wald zurück, den sie seit ihrer Kindheit liebte. Die folgende Julinacht wurde außergewöhnlich kalt, und am anderen Morgen wurde Adelheid Duvanel erfroren aufgefunden.

Die meist knapp gehaltenen, überaus eindrucksvollen Erzählungen dieser Autorin sind seit 1980 in sechs Bänden im Luchterhand Literaturverlag erschienen. In Ergänzung dazu hat Duvanels Lektor Klaus Siblewski nun noch einen Band vorgelegt, der 34 Texte bietet, die bisher nicht oder nur an schwer zugänglichen Stellen publiziert waren. Zehn Erzählungen aus den letzten fünfzehn Monaten vor dem Tod; vierzehn Erzählungen und drei Gedichte, die in den siebziger und achtziger Jahren entstanden sind, aber ungedruckt blieben; sechs Erzählungen, die zwischen 1964 und 1978 vereinzelt in Zeitschriften erschienen sind; dazu eine autobiographische Studie aus dem Jahr 1981, in der Adelheid Duvanel ihre offensichtlich schon früh zwischen Schwermut und Kreativität schwingende Veranlagung anhand symptomatischer biographischer Details reflektierte: "Hab' oft im Kreise der Lieben im düsteren Grase geruht", sang sie als Kind, ohne zu merken, wie weit sie sich damit von den anderen entfernte, und wunderte sich nur darüber, daß die Erwachsenen über "ein solch trauriges Lied lachen konnten". Beschlossen wird der Band durch ein ausführliches Nachwort des Duvanel-Verehrers Peter von Matt, das nicht nur den künstlerischen Rang dieser Autorin deutlich macht, sondern auch das Verhältnis von Poesie und Wahnbildung auf sehr bedenkenswerte Weise erörtert.

Derartige Nachlaßbände, die Ungedrucktes und Vertrautes präsentieren, provozieren auch bei anerkannten Größen allemal die Frage, wie es um die künstlerische Qualität der Texte bestellt ist. In diesem Fall ist ein pauschales Urteil nicht möglich. Einige der Geschichten, frühere wie spätere, sind perfekt durchgearbeitete "Kleinsterzählungen" und zeigen mustergültig, worin das Besondere und Bestechende von Duvanels Erzählkunst liegt: im Vermögen, durch wenige Andeutungen ganze Lebens- und Leidensgeschichten aufscheinen zu lassen; in einer eindrucksvollen und oft bestürzenden Bildlichkeit, die der Metaphorik des Expressionismus nahe kommt und ahnen läßt, wie unheimlich und beängstigend unsere Welt dieser Autorin oft erschienen sein muß; in der lakonischen Selbstverständlichkeit, mit der uns Verstörungen aller Art vor Augen geführt und, wie hier trotz der Abgegriffenheit dieser Formulierung zu sagen ist, "menschlich nähergebracht werden". Denn unter dem Eindruck von Duvanels Erzählkunst schwindet das Befremdende, das den geschilderten Fällen zunächst anhaftet, und erscheint auch das Unfaßliche plötzlich als menschliche Möglichkeit.

Neben solch einnehmenden Geschichten, in denen Zustände oder Prozesse der Verstörung einsichtig gemacht werden, gibt es in diesem Band allerdings auch eine Reihe von Texten, die sich durch eine allzu schroffe Negation der "Normalität" und durch allzu disparate Assoziationen dem Verständnis entziehen. Möglicherweise handelt es sich dabei um "Rohlinge", also Skizzen oder Vorstufen von Erzählungen, die uns die Verfasserin durch weitere Bearbeitungen noch zugänglicher und interessanter hätte machen können, aber möglich ist auch, daß es sich um Geschichten handelt, die für Adelheid Duvanel vollendet waren: Spiegelungen von Verstörungs-oder Wahnzuständen, die einem gewöhnlichen oder eben "normalen" Bewußtsein notwendigerweise verschlossen bleiben müssen. HELMUTH KIESEL

Adelheid Duvanel: "Der letzte Frühlingstag". Erzählungen. Luchterhand Literaturverlag, München 1997. 152 S., geb., 29,80 DM.

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